Spinales Syndrom
Synonym: Rückenmarkssyndrom
Englisch: spinal cord syndrome, cord syndrome
Definition
Als spinale Syndrome bezeichnet man charakteristische Konstellationen neurologischer Ausfälle. Sie können durch eine direkte Schädigung des Rückenmarks oder eine indirekte Beeinträchtigung funktionell oder topographisch benachbarter spinaler Strukturen verursacht werden – beispielsweise bei ischämischen Läsionen.
Einteilung
Spinale Syndrome können anhand des Läsionsmusters wie folgt unterteilt werden:[1][2]
- Querschnittssyndrome
- Syndrome der langen Leitungsbahnen (Rückenmarksstrangsyndrome)
- Syndrome der grauen Substanz
- kombinierte Syndrome
Weiterhin können als ätiologische Kategorien auch extramedulläre Kompressionssyndrome und vaskuläre spinale Syndrome unterteilt werden, die sich zum Teil mit den oben angeführten topologischen Läsionsmustern überschneiden.[1]
Teilweise werden auch Wurzelsyndrome und das Kauda-Syndrom den spinalen Syndromen zugerechnet.[1][2] Da hierbei jedoch eine Schädigung peripherer Nerven und nicht des Rückenmarks vorliegt, werden diese Syndrome hier nicht behandelt.
Querschnittsyndrome
Ein spinales Querschnittssyndrom entsteht durch Schädigungen des Rückenmarks in der Transversalebene. Meist betrifft die Läsion nur ein oder wenige Rückenmarkssegmente in ihrer Höhe, erstreckt sich jedoch über einen größeren Teil des Querschnitts.[2]
Man unterscheidet zwischen kompletten (vollständigen) und inkompletten (unvollständigen) Querschnittssyndromen. Bei einem kompletten Querschnittssyndrom ist das Rückenmark im gesamten Querschnitt geschädigt, was zu einem vollständigen Ausfall der motorischen, sensiblen und vegetativen Funktionen unterhalb der Schädigung führt. Bei einem inkompletten Querschnittssyndrom sind nur bestimmte Bereiche betroffen, sodass noch teilweise Funktionen erhalten bleiben. Die Ausfälle sind dann oft asymmetrisch oder auf bestimmte Körperregionen begrenzt.[1][2][3]
Komplette Querschnittssyndrome
Zu den kompletten Querschnittssyndromen zählen:[1][2][3][4]
| Syndrom | geschädigte Systeme | Symptome |
|---|---|---|
| zervikales Querschnittssyndrom | zwischen C1 und C8:
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| thorakales Querschnittssyndrom | zwischen Th1 und Th12:
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| lumbales Querschnittssyndrom | zwischen L1 und L5:
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| Epikonussyndrom (lumbosakrales Querschnittssyndrom) | zwischen L4 und S2:
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| Konussyndrom | Ausfall des Rückenmarksskonus unterhalb von S2 |
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Inkomplette Querschnittssyndrome
Zu den inkompletten Querschnittssyndromen zählen:[1][2][3][5][6][7]
| Syndrom | geschädigte Systeme | allgemeine Klinik |
|---|---|---|
| Brown-Séquard-Syndrom (einseitiger Querschnitt) | rechte oder linke Hälfte eines Rückenmarkssegments mit:
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ipsilateral zur Läsion:
kontralateral zur Läsion:
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| vorderes Quadrantensyndrom | jeweils einseitig:
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ipsilateral zur Läsion:
kontralateral zur Läsion:
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| hinteres Quadrantensyndrom | jeweils einseitig:
|
ipsilateral zur Läsion:
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| zentromedulläres Syndrom (teils auch den Strangsyndromen zugerechnet) | nur zervikal, Genese derzeit (2025) unvollständig geklärt, am ehesten primär:
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| atypische inkomplette Querschnittssyndrome | verschiedene Bahnen und Anteile der grauen Substanz einer oder beider Rückenmarkshälften, oft asymmetrisch | variiert je nach betroffenen Systemen |
Strangsyndrome und Syndrome der grauen Substanz
Rückenmarksstrangsyndrome beruhen auf einer Schädigung der aufsteigenden und absteigenden Leitungsbahnen im Rückenmark, während bei den Syndromen der grauen Substanz vor allem die Vorder- und Hinterhörner sowie die Commissura grisea betroffen sind. In vielen Fällen überlappen sich diese beiden Schädigungsmuster, da Läsionen häufig mehrere funktionelle Anteile des Rückenmarks gleichzeitig betreffen. Aus diesem Grund werden die beiden Syndromformen im Folgenden gemeinsam dargestellt und besprochen.[1]
Zu den Rückenmarksstrang- und Rückenmarkshornsyndromen zählen:[1][2][3]
| Syndrom | geschädigte Systeme | allgemeine Klinik | typische Ätiologie |
|---|---|---|---|
| Hinterstrangsyndrom |
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| kortikospinales Syndrom |
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| kombiniertes Hinterstrang- und kortikospinales Syndrom |
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| kombiniertes Syndrom von Hinterstrang und spinozerebellären Bahnen |
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| Vorderhornsyndrom |
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| kombiniertes kortikospinales und Vorderhornsyndrom |
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| Hinterhornsyndrom |
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Extramedulläre Kompressionssyndrome
Extramedulläre Kompressionssyndrome sind Folge einer spinalen Druckschädigung von außen. Hierbei unterscheidet man:[1]
| Syndrom | geschädigte Systeme | allgemeine Klinik |
|---|---|---|
| ventrales extramedulläres Kompressionssyndrom | jeweils ein- oder beiderseits:
|
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| dorsales extramedulläres Kompressionssyndrom | jeweils ein- oder beiderseits:
|
|
| laterales extramedulläres Kompressionssyndrom | einseitig:
|
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Vaskuläre spinale Syndrome
Spinale Syndrome, die Folge einer Rückenmarksischämie sind, werden als vaskuläre spinale Syndrome bezeichnet. Hierbei kommt es durch den Ausfall des Gefäßterritoriums einer Rückenmarksarterie zu typischen Symptomkonstellationen.[8]
Man unterscheidet:[1][3][8][9]
| Syndrom | geschädigte Systeme | allgemeine Klinik |
|---|---|---|
| Arteria-spinalis-anterior-Syndrom |
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| Arteria-radicularis-magna-Syndrom |
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| Arteria-spinalis-posterior-Syndrom |
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| Arteria-sulcocommissuralis-Syndrom | variable, zentral gelegene, meist asymmetrisch verteilte Rückenmarksanteile | variabel, möglich sind:
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Literatur
- Trepel, Neuroanatomie - Struktur und Funktion, 7. Auflage, Elsevier Verlag, 2017.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Ende-Henningsen, Spinale Syndrome, eMedpedia - klinische Neurologie, Springer Verlag, 2017. Aufgerufen am 18.05.2025.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Bassetti, Mumenthaler (Hrsg.), Neurologische Differenzialdiagnostik, 6. Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2012.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Erbguth et al., Spinale Syndrome. In: Grehl, Reinhardt (Hrsg.), Checkliste Neurologie, 6. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2016.
- ↑ Krassioukov, Elliott, Neural Control and Physiology of Sexual Function: Effect of Spinal Cord Injury, Topics in Spinal Cord Injury Rehabilitation, 2017.
- ↑ Engel-Haber, Central cord syndrome - definitions, variations and limitations, Spine, 2023.
- ↑ Carr et al., Traumatic Central Cord Syndrome, Clinical Spine Surgery, 2024.
- ↑ Ameer et al., Central Cord Syndrome, StatPearls, 2023.
- ↑ 8,0 8,1 Novy, Spinal Cord Syndromes, Manifestations of Stroke, 2012
- ↑ Murata et al., A Case of Posterior Spinal Artery Syndrome in the Cervical Cord: A Review of the Clinicoradiological Literature, Internal Medicine, 2012.