Epikritische Sensibilität
Synonym: epikritische Wahrnehmung
Englisch: epicritic sensibility
Definition
Als epikritische Sensibilität werden die Körperempfindungen zusammengefasst, die der diskriminatorischen Wahrnehmung von Druck, Berührung und Vibration ("Feinwahrnehmung") und der bewussten Wahrnehmung des Stellungssinns (Propriozeption) dienen.
siehe auch: protopathische Sensibilität
Neuroanatomie
Nach der Art ihrer Aufgaben bezeichnet man die dafür vorgesehenen Rezeptoren als
- Exterozeptoren (z.B. Vater-Pacini-Körperchen), die Informationen über Lokalisation und Feinabstimmung von Berührungen liefern und
- Propriozeptoren, zu denen Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane gehören und die Informationen über die Stellung der Muskeln und Gelenke vermitteln.
Die Informationen von Exterozeptoren laufen über Nervenfasern der Gruppe Aß bzw. II. Dabei handelt es sich um dicke myelinisierte Fasern mit einem Durchmesser von 5-10 µm und einer Leitungsgeschwindigkeit von 30 bis 70 m/s. Die Propriozeptoren vermitteln die Impulse über Nervenfasern der Gruppen Ia und Ib bzw. der Gruppe Aα.
Die Weiterleitung des feinen Tast- und Berührungsempfindens sowie der bewussten Propriozeption erfolgt über die Hinterstrangbahnen.
Im Gegensatz dazu erfolgt die Weiterleitung der protopathischen Sensibilität (Schmerz, Temperatur, grobe Tast- und Berührungsempfindungen, unbewusste Propriozeption) über Vorderseiten- und Kleinhirnseitenstrangbahnen (u.a. Tractus spinocerebellaris anterior, lateralis und posterior).
Die Trennung in epikritisch und protopathisch sowie in bewusste und unbewusste Propriozeption wird primär aus didaktischen Gründen vorgenommen. Über Kollateralen sind die einzelnen Bahnen verbunden, sodass eine strenge Einteilung nicht möglich ist.
Hinterstrangbahnen
Die Hinterstrangbahnen verlaufen zunächst ungekreuzt, d.h. ipsilateral als Fasciculus gracilis für die untere Extremität und als Fasciculus cuneatus für die obere Extremität.
Impulse des ersten Neurons (pseudounipolare Spinalganglien) werden dann im Hirnstamm im Nucleus gracilis bzw. Nucleus cuneatus auf das zweite Neuron umgeschaltet. Die Axone der zweiten Neurone bilden den Lemniscus medialis, kreuzen in der Decussatio lemnisci medialis auf die Gegenseite und werden im Thalamus (Nucleus ventralis posterolateralis) umgeschaltet. Die Axone des dritten Neurons verlaufen durch die Capsula interna zum Gyrus postcentralis.
Epikritische Sensibilität im Kopfbereich
Perikarya der primär afferenten Neuronen liegen im Ganglion trigeminale. Die Informationen der Mechanorezeptoren im Kopfbereich werden über den Tractus spinalis nervi trigemini zum Nucleus spinalis nervi trigemini bzw. Nucleus principalis nervi trigemini weitergeleitet. Die Axone des zweiten Neurons kreuzen überwiegend auf die Gegenseite und bilden den Lemniscus trigeminalis, der zum Nucleus ventralis posteromedialis des Thalamus zieht.
Pseudounipolare Neurone der trigeminalen Propriozeption besitzen ihre Perikarya im Nucleus mesencephalicus nervi trigemini. Hier erfolgt keine Umschaltung der Informationen von Muskelspindelafferenzen ipsilateraler Kaumuskeln. Die zentralen Fortsätze bilden synaptische Kontakte zu den Motoneuronen des Nucleus motorius nervi trigemini. Diese monosynaptische Verbindung ist die Grundlage für die Dehnungsreflexe der Kaumuskeln (Masseterreflex).