Funikuläre Myelose
Synonym: Funikuläre Spinalerkrankung
Englisch: Subacute combined degeneration of spinal cord(SACD), Lichtheim's disease
Definition
Unter der funikulären Myelose subsumiert man eine Degeneration des Hinterstranges und des Seitenstranges und eine Polyneuropathie, die durch einen Vitamin-B12-Mangel ausgelöst werden.
Ätiologie
Ein Vitamin-B12-Mangel kann durch einen Mangel an Intrinsic Factor hervorgerufen werden (z.B. durch eine chronische Gastritis vom Typ A oder bei Zustand nach Magenteilresektion), der zu einer Resorptionsstörung führt.
Eine Resorptionsstörung kann aber auch durch ein Malassimilationssyndrom bedingt sein. Auch eine mangelnde Zufuhr (z.B. bei Veganern) oder ein erhöhter Verbrauch (z.B. bei Fischbandwurm) können zu einem Vitamin-B12-Mangel führen. Da der Körper aber eine recht hohe Speicherkapazität besitzt, tritt eine entsprechende Mangelerscheinung erst rund zwei bis drei Jahre nach komplett Vitamin-B12-freier Ernährung auf.
Angeborene oder erworbene Defekte des Vitamin-B12-Metabolismus können ebenfalls Ursache eines Mangelzustands sein.
Medikamente können ebenfalls zu einem Mangel an Vitamin-B12-führen. Zu auslösenden Medikamenten gehören u.a. Methotrexat und Phenobarbital.
Klinik
Die funikuläre Myelose betrifft vor allem Menschen, die älter als fünfzig Jahre alt sind.
Die Erkrankung beginnt mit distal betonten Parästhesien (80-90%), vor allem der unteren Extremitäten, die mit einem Verlust des Vibrationsempfindens und des Lagesinns einhergehen. Die Schmerz- und Temperaturempfindung bleibt normalerweise weitgehend erhalten. Die oberen Extremitäten werden in der Regel später befallen und können auch ausgespart bleiben. Ein Hirnnervenbefall ist selten.
Im weiteren Verlauf kommt es zu einer sensiblen Stand- und Gangataxie, die von einer leichten bis mäßigen Muskelschwäche begleitet wird. Die Prüfung der Reflexe ergibt eine Areflexie der betroffenen Extremitäten (20-30%).
Im Spätstadium der Erkrankung sieht man pathologische Reflexe (z.B. positiver Babinski-Reflex) und eine Kombination aus schlaffer und spastischer Parese.
Hinzu kommt eine Enzephalopathie unterschiedlichen Ausmaßes. In seltenen Fällen werden auch Hirnnervenausfälle beobachtet.
Weiterhin führt der Mangel an Vitamin B12 zu einer megaloblastären, hyperchromen Anämie mit ineffektiver Erythropoese sowie zu Symptomen im Bereich des Gastrointestinaltraktes (z.B. Magenschmerzen, Diarrhoe).
Diagnostik
Grundlage ist eine gründliche neurologische Untersuchung, bei der die oben beschriebenen Symptome auffallen. Bei Verdacht auf eine funikuläre Myelose sollten der Vitamin-B12-Spiegel im Blut bestimmt werden. Aufgrund der in der Regel begleitend auftretenden Anämie mit ineffektiver Erythropoese sollten zusätzlich ein Differenzialblutbild sowie LDH und Bilirubin abgenommen werden.
Um die Ursache des Mangels zu eruieren, wird in der Regel eine Gastroskopie mit Biopsie durchgeführt. Anhand des Schilling-Testes kann die Resorption des Vitamin B12 überprüft werden.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an andere Ursachen einer Polyneuropathie, an eine Multiple Sklerose sowie an eine Infektion (z.B. Neurolues, Neuroborreliose) gedacht werden. Auch eine beginnende amyotrophe Lateralsklerose kann ähnliche distal betonte Polyneuropathien verursachen.
Therapie
Die Therapie besteht in der parenteralen Substitution von Vitamin B12, wobei bei ausgeprägter Anämie zunächst zusätzlich Eisen und Kalium substituiert werden sollten, um einem relativen Mangel an Kalium und Eisen vorzubeugen.
Da eine chronische Gastritis vom Typ A mit einem erhöhten Risiko für ein Magenkarzinom einhergeht, sollten je nach histologischem Befund regelmäßige Kontroll-Gastroskopien erfolgen.
Prognose
Die Prognose ist gut, wenn der Vitamin-B12-Mangel innerhalb von 3 Monaten erkannt wird. Blutbildnormalisierungen zeigen sich bereits nach wenigen Tagen, eine Enzephalopathie hat sich nach wenigen Wochen komplett zurückgebildet. Die Rückbildung der neurologischen Symptome benötigt einige Monate.