Neurosyphilis
Synonyme: Neurolues, quatäre Syphilis, Lues IV
Englisch: neurosyphilis
Definition
Die Neurosyphilis ist eine Verlaufsform der Infektionskrankheit Syphilis mit Übergriff der Erkrankung auf das ZNS.
Epidemiologie
Die Neurosyphilis hat seit der Einführung des Penicillins in die Therapie der Syphilis eine niedrige Inzidenz. Nachlässigkeiten bei der Behandlung der Syphilis und unbehandelt verschleppte Infektionen mit zunächst mildem Verlauf tragen neben der wieder zunehmenden Rate an Syphilis-Infektionen dazu bei, dass die Neurosyphilis auch heute (2022) noch regelmäßig zu Beschwerden führt.
Klinik
Die klassische Neurosyphilis tritt vor allem in den späten Stadien einer allgemeinen Syphiliserkrankung auf. Dies kann 20 bis 25 Jahre nach der Infektion sein. Affektionen des ZNS können jedoch prinzipiell in jedem Stadium auftreten. Auch asymptomatische Verläufe sind möglich (Lues-Nachweis im Liquor ohne Klinik).
Neurosyphilis früher Stadien
In frühen Syphilisstadien können Reizerscheinungen der Hirnhäute auftreten, die sich meistens als Kopfschmerz, Paresen von Hirnnerven und polyradikuläre Syndrome der Rückenmarks-Hinterwurzeln äußern. Eine vollständig ausgeprägte syphilitische Meningitis ist selten.
Auch bei neurologischer Symptomfreiheit kann der Erreger der Syphilis im Liquor cerebrospinalis latent verweilen und in späten Stadien der Erkrankung erneut oder zum ersten Mal Beeinträchtigungen des ZNS bewirken.
Neurosyphilis später Stadien
Etwa ein Zehntel der an Syphilis erkrankten Patienten entwickeln innerhalb von Jahren in den späten Phasen eine Neurosyphilis.
Dabei kommt es häufig zur Entzündung von Arterien (syphilitische Arteriitis) der Hirnhäute (Meningitis), des Gehirns (Enzephalitis) und des Rückenmarks (Myelitis). Aus der entstehenden Ischämie der betroffenen Areale resultieren vielfältige Krankheitserscheinungen:
- Paresen (z.B. Hemiparesen), die dem Zustand bei/nach Apoplex ähneln
- Hirnnervenausfälle
- epileptiformer Anfall
- organisch bedingte Psychosyndrome
- spinale Affektionen mit Paresen, Parästhesien, variablen Empfindungsstörungen
- Argyll-Robertson-Zeichen
- Otosyphilis
- Ophthalmosyphilis (Optikusneuritis, Iritis)
Weitere im Rahmen einer Neurosyphilis auftretende Komplikationen sind die Tabes dorsalis (degenerative Erkrankung des Rückenmarks) und die progressive Paralyse (chronisch progredient verlaufende Meningitis bzw. Enzephalitis). Beide Komplikationen können Jahre bis Jahrzehnte nach der Infektion auftreten.
Diagnostik
Die Diagnostik der Neurosyphilis umfasst die auch bei der unkomplizierten Syphilis durchgeführten serologischen Tests.
- TPPA-Test als Screening
- FTA-Abs-Test zur Sicherung der Diagnose
- VDRL-Test zur Bestimmung der Aktivität der Syphilis
Bei der Diagnostik der Neurosyphilis spielen darüber hinaus Untersuchungen des Liquors eine wichtige Rolle. Bei einer Neurosyphilis liegt eine charakteristische Konstellation der Liquorbefunde vor:
- Pleozytose mit im Zellbild dominierenden Makrophagen und Lymphozyten
- Vermehrung des Proteingehalts
- erhöhtes IgG
Dieser Liquorbefund ist jedoch relativ unspezifisch. Zur sicheren Feststellung einer Neurosyphilis führt eine Erhöhung des ITPA-Index, der eine Erhöhung der intrathekal produzierten Antikörper gegen Treponema pallidum nachweist.
Bei 15 bis 40 % der unbehandelten Patienten können nach langjährigem Infektionsverlauf Treponemen im Liquor nachgewiesen werden.
Therapie
Die Therapie der Neurosyphilis besteht in einer über mindestens 10 Tage durchzuführenden hochdosierten Therapie mit Benzylpenicillin (z.B. 10 Millionen IE drei mal täglich). Bei einer Penicillin-Unverträglichkeit oder sonstigen Kontraindikationen kann das gut liquorgängige Drittgenerations-Cephalosporin Ceftriaxion ebenfalls in hoher Dosierung verabreicht werden.
Zur Prävention der Neurosyphilis sollte jede neu festgestellte Syphilis adäquat und ausreichend lang therapiert werden. Lediglich eine vollständige Ausheilung schützt den Patienten vor späteren Schäden.
Quelle
- Robert Koch-Institut. Syphilis [1]. Stand: 11/2020
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