Rocky-Mountains-Fleckfieber
Synonyme: Rocky Mountain spotted fever, Brasilianisches Fleckfieber
Definition
Bei dem Rocky-Mountains-Fleckfieber, kurz RMSF, handelt es sich um eine auf dem gesamten amerikanischen Kontinent vorkommende Infektionskrankheit, die durch Rickettsia rickettsii verursacht wird.
Epidemiologie
Die ersten bekannten Fälle des Rocky-Mountains-Fleckfiebers traten um das Jahr 1918 auf. Inzwischen kommt es in fast allen Staaten der USA sowie in Kanada, Mexiko, Zentral- und Südamerika vor. Während es in den östlichen Bereichen durch Dermacentor variabilis (amerikanische Hundezecke) übertragen wird, dient in westlichen Staaten Dermacentor andersoni (Rocky-Mountain-Waldzecke) als Vektor. In Mexiko, Brasilien und Arizona wird es durch Rhipicephalus sanguineus, in Zentral- und Lateinamerika durch Amblyomma sculptum, A. mixtum, A. patinoi, A. cajennense, A. tonelliae und A. aureolatum übertragen. Innerhalb der Vektorenpopulation wird Rickettsia rickettsii nur transovariell weitergegeben. Nicht infizierte Zecken nehmen Rickettsien mit der Blutmahlzeit an infizierten Säugetieren auf.
In den USA sind zwischen 200 und 1.400 Fälle pro Jahr bekannt, allerdings dürfte die Dunkelziffer deutlich höher sein. Die meisten Infektionen in der nördlichen Hemisphäre finden von Mai bis September statt. Die Mortalität ist durch Einführung von Antibiotika von 25 % auf 5 % gesunken. Die Letalität ist bei Kindern (< 10 Jahre) und im höheren Alter (> 70 Jahre) am höchsten.
Nomenklatur
Betrachtet man die geografische Verteilung der auftretenden Krankheitsfälle, ist der Name Rocky-Mountains-Fleckfieber eher irreführend und nicht wirklich zutreffend. Wie erwähnt finden sich auf dem gesamten amerikanischen Kontinent Erkrankungsfälle. Auf das Gebiet der Rocky-Mountains entfallen weniger als 5 % der gesamten Fälle. Die in den USA am meisten betroffenen Bundesstaaten sind North Carolina und Oklahoma.
Erreger
Bei dem für das Krankheitsbild verantwortlichen Erreger handelt es sich um das Bakterium Rickettsia rickettsii, einen obligat intrazellulär lebenden Mikroorganismus.
Pathophysiologie
Rickettsia rickettsii wird zusammen mit den Sekreten aus den Speicheldrüsen der Zecken in die Haut des Menschen inokuliert. Die Bakterien breiten sich lymphogen und hämatogen aus und infizieren die Endothelzellen. Es kommt zur gesteigerten Gefäßpermeabilität mit Ödembildung, Hypovolämie und lokaler Ischämie. Bei fast der Hälfte der Patienten resultiert eine Thrombozytopenie. Selten kann es zur disseminierten intravasalen Gerinnung mit Hypofibrinogenämie kommen.
Symptome
Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich eine Woche (2 - 14 Tage). Die anfängliche Erkrankungsphase zeigt sich durch unspezifische Symptome:
- rasch auftretendes und stark ansteigendes Fieber
- Kopfschmerzen
- Abgeschlagenheit
- Übelkeit, Erbrechen
- Myalgien
- Appetitlosigkeit
- Durchfall
Mit zunehmender Gefäßschädigung verschlechtert sich der Zustand des Patienten. Bei 50 % der Patienten tritt in den ersten Krankheitstagen ein Exanthem auf: Initial violette, nicht juckende Flecken (Makulae) an Hand- und Fußgelenken mit anschließender Ausbreitung über die restlichen Extremitäten und den Körperstamm. Später entstehen bei 50 % der Patienten Petechien im Zentrum der Maculae.
Weitere mögliche Komplikationen sind:
- Hypovolämie mit prärenalem Nierenversagen und Hypotension
- akute Niereninsuffizienz durch akute Tubulusnekrose
- Beteiligung der Leber in fast 40 % der Fälle: Erhöhte Transaminasen, Ikterus, Hyperbilirubinämie
- nicht kardiales Lungenödem bis zur Beatmungspflichtigkeit
- kardiale Beteiligung: Herzrhythmusstörungen.
- Enzephalitis in fast 30 % der Fälle: Verwirrtheit, Somnolenz, Delir, Ataxie, Krampfanfälle bis hin zum Koma
- Augenbeteiligung bei 30 % der Patienten: Konjunktivitis, seltener retinale Venenverschlüsse, Netzhautblutungen, arteriellen Gefäßverschlüssen oder Papillenödem
- Hämatemesis, Hämatochezie oder Teerstuhl bei 10 % der Patienten, letale Verläufe durch schwere obere gastrointestinale Blutungen sind möglich
Unbehandelt führt die Erkrankung nach 8 bis 15 Tagen zum Tod. Eine fulminante Verlaufsform mit Tod innerhalb der ersten 5 Tage tritt gehäuft bei einem Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel auf. Bei schwerer Erkrankung sind bleibende neurologische Schäden oder eine Amputation gangränöser Extremitäten möglich.
Diagnose
Der wichtigste anamnestische Faktor ist die bis zu 2 Wochen zurückliegende Exposition in einer zeckenreichen Umgebung während der Zeckensaison. Anfangs zeigen jedoch nur wenige Patienten die klassische Trias aus Fieber, Exanthem und Zeckenexposition.
Eine Anämie entwickelt sich in 30 % der Fälle. Weitere typische Laborbefunde sind:
- Anstieg der Akute-Phase-Proteine, z.B. CRP, Ferritin
- Hypalbuminämie
- Hyponatriämie aufgrund erhöhter ADH-Sekretion bei Hypovolämie
- Myositis mit erhöhten CK-Werten
- Thrombozytopenie
- Erhöhung der Leberenzyme
Eine Meningoenzephalitis zeigt sich mit einem pathologischen Liquorbefund:
- Pleozytose: meist mononukleäres Zellbild mit 10 - 100 Zellen/µl,
- erhöhte Proteinkonzentration
- Glukose meist normwertig
Zur Bestätigung der Diagnose dient der zweifache Nachweis von IgM bzw. IgG-Antikörpern mittels ELISA oder indirekter Immunfluoreszenz aus dem Serum im Abstand von 3 Wochen. Normalerweise ist ein Titer von mindestens 1 : 64 erst 7 bis 10 Tage nach Erkrankungsbeginn nachweisbar. Da die serologischen Tests zum Zeitpunkt der Erstvorstellung normalerweise negativ ausfallen, sollte bei entsprechendem Verdacht die Therapie direkt eingeleitet werden. Die Sensitivität des IgG-Tests beträgt 89-100 %, die Spezifität 99-100 %. Der Nachweis von IgM-Antikörpern unterliegt einer unspezifischen Kreuzreaktion.
In der Akutphase kann weiterhin eine Hautbiopsie von Läsionen des Exanthems immunhistologisch und mittels PCR untersucht werden. Der Nachweis von Rickettsia-rickettsii-DNA im peripheren Blut mittels PCR ist nicht ausreichend sensitiv. Die kulturelle Anzucht von Rickettsien kann nur in Sicherheitslaboren der Stufe 3 durchgeführt werden.
Differenzialdiagnostik
Die anfängliche Symptomatik des RMSF erinnert an eine Vielzahl von Erkrankungen, z.B. Influenza, enterovirale Infektionen, infektiöse Mononukleose, Virushepatitis, Leptospirose, murines Fleckfieber oder Rickettsienpocken.
Das Exanthem muss abgegrenzt werden von Hautausschlägen z.B. bei Röteln, Masern, Meningokokken-Infektion, disseminierter Gonokokkeninfektion, sekundärer Lues, toxischem Schock-Syndrom, allergischen Reaktionen, idiopathischer thrombozytopenischer Purpura oder Kawasaki-Syndrom.
Weiterhin können Übelkeit, Erbrechen und abdominelle Beschwerden als harmlose Enterokolitis verkannt werden. Andere Ursachen einer Meningoenzephalitis oder Pneumonie müssen bedacht werden.
Therapie
Bereits in Verdachtsfällen sollte eine Therapie begonnen werden, um mögliche lebensgefährliche Komplikationen zu vermeiden. Es erfolgt eine Behandlung mit Doxycyclin per os, bei Koma oder Erbrechen intravenös, in einer Dosierung von 200 mg/d verteilt auf zwei Einzeldosen.
Bei Kindern können bis zu fünf Behandlungen mit Doxycyclin ohne relevantes Risiko einer Zahnverfärbung durchgeführt werden. In der Schwangerschaft oder bei Allergie gegen Doxycyclin kann Chloramphenicol eingesetzt weden.
Die Therapie wird 3-5 Tage nach Abklingen des Fiebers und klinischer Besserung weitergeführt. Andere Antibiotika sollen nicht angewendet werden, Sulfonamide führen sogar zur Verschlechterung des Krankheitsbildes.
Schwer erkrankte Patienten müssen intensivmedizinisch versorgt werden. Dabei kommt neben einer Volumentherapie auch eine Intubation mit maschineller Beatmung oder eine Hämodialyse zur Anwendung. Krampfanfälle benötigen eine antiepileptische Therapie. Bei schweren Anämien oder Thrombopenien sind Bluttransfusionen notwendig. Es gibt keine Hinweise für einen positiven Effekt von Glukokortikoiden.
Prävention
Die einzige präventive Maßnahme ist die Vermeidung von Zeckenbissen. Schützende Kleidung, Repellentien und schnelle Entfernung der Zecken reduzieren das Infektionsrisiko. Zur Chemoprophylaxe mit Doxycylin existiert kein gesicherter Nutzen.
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