Toxic Shock Syndrome
Synonyme: toxisches Schocksyndrom, Syndrom des toxischen Schocks
Englisch: staphylococcal toxic shock syndrome
Definition
Das Toxic Shock Syndrome, kurz TSS, ist eine Multiorganerkrankung mit den obligaten Leitsymptomen Fieber, Hypotonie und Exanthem in der akuten Phase und Desquamation in der Rekonvaleszenz.
Ein ähnliches, jedoch durch Streptokokken ausgelöstes Krankheitsbild ist das Toxic Shock-like Syndrome (TSLS).
Epidemiologie
Über 90% der beschriebenen Fälle traten bei menstruierenden Frauen auf. Dabei lag das Durchschnittsalter bei 23 Jahren. Die Häufigkeit liegt bei 3 bis 6 Fällen auf 100.000 Frauen im sexuell aktiven Alter. Jedoch erkranken zunehmend auch Männer.
Ätiologie
Das TSS wird ausgelöst durch einen Toxin-bildenden Staphylococcus-aureus-Stamm, der gehäuft der Phagengruppe 1, Phagentyp 29/52, zuzuordnen ist. Bei dem Exotoxin handelt es sich meist um das Toxic-shock-syndrome-Toxin 1 (TSST-1). Es wird allerdings nur von ca. 1% der Staphylococcus-aureus-Stämme produziert.
Das Toxin wirkt als Superantigen, d.h. es stimuliert T-Lymphozyten zur Produktion von Zytokinen, was dann letztendlich die Schocksymptomatik auslöst.
Betroffen sind in 80-90% der Fälle junge Frauen und Mädchen während ihrer Menstruation. Als Auslöser des TSS wurden extrem saugfähige Tampons verantwortlich gemacht (daher wird TSS auch als "Tamponkrankheit" bezeichnet), die aufgrund ihrer hohen Saugfähigkeit lange in der Vagina verbleiben. Da diese Tampons jedoch eine starke Bindung von Magnesiumionen verursachen, können im magnesiumarmen Scheidenmilieu ansässige Staphylococcus-aureus-Stämme vermehrt Exotoxine bilden. Ein entsprechender Hinweis ist auch heute noch auf Tampon-Packungen zu finden. Infolge einer zunehmenden Aufklärung und verbesserter Tampons ist diese Form des TSS mittlerweile rückläufig.
Desweiteren tritt eine nicht-menstruelle Form zunehmend häufiger auf und kann sich auf nahezu jeder Körperstelle entwickeln.
Weitere Risikofaktoren sind:
- mechanische Verhütungsmittel (z.B. Scheidendiaphragma)
- Geburten
- Atemwegsinfektionen
- Weichteilinfektionen
- Operationen
- Fremdkörperverletzungen
- Verbrennungen
Klinisches Bild
Die Erkrankung beginnt akut aus voller Gesundheit heraus - typischerweise am Ende der Menstruation - und erzeugt ein schweres Krankheitsgefühl. Die Hauptsymptome sind:
- Fieber (> 38,9 °C)
- Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg)
- diffuses makulöses Exanthem
Neben unspezifischen Allgemeinsymptomen (Schwindel, Synkopen, Schüttelfrost, Kopfschmerzen) kann es im Verlauf zur Beteiligung fast aller Organsysteme kommen.
Organbeteiligung
- Gastrointestinaltrakt: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
- Niere: Niereninsuffizienz mit Kreatininanstieg, Pyurie
- Leber: Leberinsuffizienz mit Erhöhung von Transaminasen, Bilirubin und alkalischer Phosphatase
- ZNS: Vigilanzstörung, Desorientiertheit
- Muskulatur: Myalgie, Erhöhung von Kreatinkinase
- Schleimhaut: Hyperämie, Blutungsneigung
- gynäkologische Symptome: Rötung der Vaginalschleimhaut, eitriger Fluor vaginalis
Hautsymptome
An der Haut entwickelt sich nach 12 bis 48 Stunden ein diffuses feinfleckiges, scarlatiniformes Exanthem, bevorzugt palmar und plantar, sowie am Schultergürtel. Der Kopf ist meist nicht betroffen - hier kann sich jedoch ein ödematöses Gesichtserythem mit perioraler Blässe und eine Konjunktivitis ausbilden.
Sobald die akute Schockphase überwunden ist, kommt es nach 12 Tagen zu einer groblamellären Abschuppung der Haut (palmoplantare Desquamation), nach weiteren 2 Monaten kann ein Verlust der Haare und Nägel auftreten.
Diagnostik
Die Symptomtrias bestehend aus Hypotonie, hohem Fieber und Exanthem ist diagnostisch wegweisend. Begleitend findet man neben oben genannten Laborveränderungen weitere unspezifische Zeichen, z.B. eine Leukozytose.
Der kulturelle Nachweis von TSST-1-bildenden Staphylokokken kann über einen Abstrich aus Vagina oder anderen Schleimhäuten geführt werden.
Der serologische Nachweis von TSST-1-Antikörpern ist nur eingeschränkt hilfreich, da über 80% der Erwachsenen bereits Antikörper besitzen, vermutlich durch Exposition gegenüber einer geringen Menge von toxinproduzierenden Staphylococcus aureus. Jedoch ist ein fehlender Titer ein Risikofaktor für die Entwicklung eines TSS.
Differenzialdiagnosen
- Toxic Shock-like Syndrome
- Lebensmittelintoxikation durch Staphylokokken-Enterotoxine
- Stevens-Johnson-Syndrom, Lyell-Syndrom
- Meningitis
- Scharlach
- Masern
- Kawasaki-Syndrom
- Rocky-Mountains-Fleckfieber
- Leptospirose
Therapie
Patienten mit TSS müssen immer intensivmedizinisch betreut werden. Die Behandlung umfasst die Beseitigung der Infektionsursache sowie die symptomatische Behandlung des Schocks, d.h. Volumensubstitution, Sauerstoffzufuhr, ggf. Beatmung, Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts, medikamentöse Therapie mittels vasoaktiver Pharmaka, sowie die Gabe von Analgetika und Sedativa.
Zur Behandlung der Staphylococcus-aureus-Infektion werden intravenöse penicillinaseresistente Antibiotika angewendet:
- Flucloxacillin
- oder Cefazolin
- oder Imipenem/Cilastatin
- mit Clindamycin (hemmt zusätzlich die Exotoxinproduktion)
Um Resistenzen auszuschließen, empfiehlt sich das Anlegen eines Antibiogramms, wonach dann wirksame Antibiotika ausgewählt werden können. Bei Nachweis von MRSA wird Vancomycin oder Daptomycin empfohlen.
Prognose
In den ersten drei Wochen kann die Krankheit zum Tod führen. Eine intensivmedizinische Behandlung kann lebensrettend sein. Die Letalität bei Kindern beträgt 3 bis 5%.