Opsoklonus
Synonyme: okuläre Myoklonie, Sakkadomanie
Englisch: ospoclonus
Definition
Unter einem Opsoklonus versteht man ruckartige Augenbewegungen (Sakkaden), die arrhythmisch in unterschiedlichen Richtungen ohne dazwischenliegende Pausen erfolgen. Auslöser sind unwillkürliche, regellos-chaotische Kontraktionen der Augenmuskulatur. Der Opsoklonus zählt zu den sakkadischen Oszillationen.
Abgrenzung
Abzugrenzende Okulomotorikstörungen sind:[1][2][3]
- Nystagmus: rhythmisch-periodische Augenbewegungen mit festem Muster und stets langsamer Bewegungskomponente
- sakkadische Intrusionen: verschiedene Formen unwillkürlicher Sakkaden mit dazwischenliegenden Pausen (intersakkadisches Intervall)
- Ocular flutter: Opsoklonus mit ausschließlich horizontalen Augenbewegungen
Epidemiologie
Ätiologie und Pathogenese
Ein Opsoklonus kann idiopathisch auftreten,[3][5] häufiger jedoch findet sich eine der folgenden Ursachen:[1][3][4][5][6][7]
- Paraneoplasie, auch als Teil des Opsoklonus-Myoklonus-Syndroms
- bei Kindern Neuroblastentumoren, insbesondere Neuroblastome (≥ 50 % der pädiatrischen Opsokloni beruhen auf Neuroblastomen, 2 % der Neuroblastom-Patienten entwickeln einen Opsoklonus)
- bei Erwachsenen SCLC, Mammakarzinom, Teratome und Karzinome des Ovars; seltener NHL, Melanom, Nierenzellkarzinom
- Para- oder postinfektiöse Enzephalitis bzw. Zerebellitis bei Infektionen mit
- demyelinisierende Erkrankungen
- immunologische Systemerkrankungen
- akute Stoffwechselstörungen
- Z.n. allogener Stammzelltransplantation
- intrakranielle Tumoren
- Hydrozephalus
- Thalamusblutungen
- Toxine und Pharmaka
- Schwangerschaft
Vor allem bei paraneoplastischer Genese kann ein Opsoklonus auch aus einem Ocular flutter hervorgehen.[6]
Die Pathogenese ist bislang (2024) unvollständig geklärt. Ätiologie und Beobachtungen aus der Therapie weisen zumindest teilweise auf eine Immunpathogenese hin. Insbesondere in paraneoplastischen, parainfektiösen und idiopathischen Fällen scheinen teils neuronale Autoantikörper, die synaptische oder intraneuronale Prozesse stören, eine Rolle zu spielen.[5]
Auch pathophysiologische und topologische Aspekte sind ungeklärt. Es werden sowohl Störungen des Hirnstamms (z.B. verzögerte Aktivierung der Omnipause-Neuronen des Nucleus raphe interpositus) als auch des Kleinhirns (z.B. verzögerte Aktivierung des Nucleus fastigii) diskutiert.[3][4][5]
Klinik
Klinisch lassen sich chaotische, kontinuierliche Sakkaden mit hoher Amplitude in alle Blickrichtungen beobachten. Die Symptomatik kann durchgehend oder auch episodisch auftreten. Beim Patienten führt dies zu stark störenden Oszillopsien und Sehunschärfe, eine Objektfixierung ist unmöglich.[3][6]
Die Sakkaden lassen sich durch Lidbewegungen sowie den Versuch von Konvergenz, Blickfolge oder Blickfixierung provozieren.[4][6] Auch bei geschlossenen Augen, im Dunkeln oder im Schlaf persistiert der Opsoklonus.[4][5]
In Assoziation können zusätzliche Symptome des Opsoklonus-Myoklonus-Syndroms vorliegen.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt durch klinische Untersuchung sowie per Nystagmographie.
Bei einem Teil der Patienten lassen sich antineuronale Antikörper (z.B. anti-Ri, anti-Yo, anti-Hu, anti-Ma, anti-Amphiphysin, anti-CV2, anti-Zic2, anti-Neurofilament)[4] nachweisen, die meisten Fälle sind jedoch seronegativ.[5]
Je nach vermuteter Ätiologie hat eine entsprechende Ursachendiagnostik zu erfolgen.
Therapie
Falls möglich, sollte primär eine Therapie der zugrundeligenden Ursache erfolgen, insbesondere bei paraneoplastischer Genese.
Zur weiteren Therapie des Opsoklonus gibt es aufgrund der Seltenheit nur wenig Evidenz. Therapieempfehlungen beruhen vornehmlich auf Einzelfallberichten. Als immunologische Therapie werden unter anderem Glukokortikoide, ACTH, IVIG, Plasmapherese bzw. Immunadsorption, Cyclophosphamid oder Rituximab genutzt,[4][5][6][7] zur symptomatischen Therapie wurden z.B. Propranolol, Clonazepam, Gabapentin, Zonisamid, Ethosuximid, Topiramat, Memantin oder Perampanel eingesetzt.[3][6][7]
Weblinks
- Befund eines Opsoklonus (Video): Wray, Parainfectious Opsoclonus, Neuroophthalmology Virtual Education Library, University of Utah, 1971.
Leitlinie
- S1-Leitlinie Augenmotilitätsstörungen inklusive Nystagmus im AWMF-Register. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2021.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Cooper, Nystagmus and Other Ocular Oscillations. Neuroophthalmology Illustrated, Stanford School of Medicine, 2020.
- ↑ Thömke, Augenbewegungsstörungen. In: Urban (Hrsg.), Klinisch-neurologische Untersuchungstechniken. 3., überarbeitete Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2022.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Lemos, Eggenberger, Saccadic intrusions - review and update. Current Opinion in Neurology, 2013.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Margolin, Jeeva-Patel, Opsoclonus. StatPearls, 2022.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Wong, An update on opsoclonus. Current Opinion in Neurology, 2007.
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Strupp, Straumann, Helmchen, Nystagmus und sakkadische Intrusionen. Die Neurologie & Psychiatrie, 2023.
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Deutsche Gesellschaft für Neurologie, S1-Leitlinie Augenmotilitätsstörungen inklusive Nystagmus im AWMF-Register, 2021.
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