Koffeinvergiftung
Synonyme: Coffeinvergiftung, Koffeinintoxikation, Coffeinintoxikation
Englisch: caffeine poisoning, caffeine overdose
Definition
Eine Koffeinvergiftung ist eine akute Vergiftung, die durch Aufnahme von Koffein in toxischer Dosierung entsteht.
Ursachen
Eine Koffeinvergiftung entsteht durch die Aufnahme von Koffein über den Gastrointestinaltrakt u.a. durch:
- akzidentelle und suizidale Überdosierung koffeinhaltiger Arzneimittel
- akzidentelle Überdosierung koffeinhaltiger Getränke (z.B. Energy Drinks, Energy Shots) oder Nahrungsergänzungsmittel (z.B. sog. „Pre-Workout“-Produkte)[1]
siehe auch: Koffein
Toxikologie
Betroffene Organsysteme
Von einer Schädigung durch Koffein können folgende Organsysteme des menschlichen Körpers betroffen sein:
- Zentralnervensystem
- Skelettmuskulatur
- Herz-Kreislauf-System
- Atmungssystem
- Magen-Darm-Trakt
- Stoffwechselsystem
- Nieren
Toxizität
Gesunde Erwachsene sollten nicht mehr als 200 mg Koffein als Einzeldosis zu sich zu nehmen. Über den Tag verteilt gelten 400 mg als gesundheitlich unbedenklich, für schwangere und stillende Frauen 200 mg.[1] Vergiftungssymptome können bereits nach Ingestion einer Einzeldosis von 500 bis 1.000 mg (ca. 7 bis 15 mg/kgKG ) auftreten. Als für den Menschen lebensbedrohliche Dosis werden 5.000 bis 10.000 mg (ca. 150 bis 200 mg/kgKG) angesehen.[2]
Toxikodynamik
Koffein wirkt wie Theophyllin antagonistisch an A1- und A2-Adenosinrezeptoren. Die Auslösung von Krampfanfällen und eine zerebrale Vasokonstriktion wird auf diesen Antagonismus zurückgeführt. Die Hemmung der Phosphodiesterasen lässt den intrazellulären cAMP-Spiegel ansteigen. Kardiovaskuläre Intoxikationssymptome werden durch eine verstärkte Katecholaminfreisetzung ausgelöst. Durch eine Stimulation von Beta-2-Adrenozeptoren kann es infolge einer peripheren Vasodilatation zum Blutdruckabfall kommen.
Toxikokinetik
Nach der Ingestion erfolgt eine schnelle und nahezu vollständige Aufnahme von Koffein aus dem Magen-Darm-Trakt, eine rasche Verteilung (Vd: 0,7 bis 0,8 L/kgKG) und nahezu vollständige Metabolisierung. Bei der hepatischen Biotransformation entstehen Mono- und Dimethylxanthin sowie Mono- und Dimethylharnsäure, die mit dem Urin ausgeschieden werden. Koffein hat eine biologische Halbwertszeit von 4 bis 6 (- 15) Stunden. In der Schwangerschaft, bei Früh- und Neugeborenen, im frühen Säuglingsalter sowie bei Lebererkrankungen ist die Elimination deutlich verlangsamt.
Symptome
Nach Ingestion:[2]
- Kopfschmerzen, Angst, Reizbarkeit, Agitation, Hyperreflexie, Tremor, Konzentrationsschwäche, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Krampfanfall, Opisthotonus
- Hypertonie, auch Hypotonie möglich; Herzrhythmusstörungen (z.B. Sinustachykardie, Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern oder -flattern, multifokale atriale Tachykardie, Kammertachykardie oder -flimmern, Asystolie), Angina pectoris, Myokardinfarkt
- Tachypnoe, Dyspnoe, Lungenödem, Apnoe
- Übelkeit, anhaltendes Erbrechen (Hämatemesis möglich), Sodbrennen, Bauchschmerzen, Diarrhö
- Gesteigerte Diurese, vor allem Natriurese und Kaliurese
- Miosis, Augenrollen, Doppelbilder, Photophobie
- Hyperglykämie, Hypokaliämie, Leukozytose, Laktatazidose oder respiratorische Alkalose, Ketonurie
- Fieber
Durch Rhabdomyolyse mit Anstieg der Kreatinkinase im Serum, Myoglobinämie und Myoglobinurie kann es zum Nierenversagen kommen.
Diagnostik
Anamnestisch kann i.d.R. eine akzidentelle oder suizidale Ingestion koffeinhaltiger Arzneimittel oder Produkte nachgewiesen werden.
Labormedizinisch sollten im Rahmen der Diagnose folgende Analysen erfolgen:
Plasmaspiegel größer als 15 mg/l liegen im toxischen Bereich.
Therapie
Nach einer Aufnahme von mehr als 15 mg/kgKG ist eine stationäre Einweisung erforderlich. Als Maßnahme zur primären Giftentfernung kann die Gabe von 1 g/kg KG Aktivkohle in wässriger Suspension erfolgen, sofern das innerhalb von 60 Min. nach der Ingestion möglich ist. Das anhaltende Erbrechen kann diese Maßnahme verhindern. Aufgrund der Krampfneigung besteht Aspirationsgefahr.
Koffein kann durch eine Hämodialyse entfernt werden, die i.d.R. aber nur bei sehr hohen Plasmaspiegeln oder bei einem durch eine Rhabdomyolyse verursachtem Nierenversagen indiziert ist.
Ein spezifisch wirkendes Antidot steht nicht zur Verfügung. Die kardiovaskulären Symptome können mit Propranolol oder Esmolol behandelt werden. Alle anderen Symptome werden symptomatisch therapiert.
Prognose
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Hochkonzentriertes Koffein-Pulver kann bereits in geringen Mengen schwere Vergiftungen hervorrufen. BfR Mitteilung 46/2024 15.10.2024, abgerufen am 16.10.2024
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Wellershoff G. Schwere akzidentelle Intoxikation durch Koffeinextrakt. NOTARZT 2018
- ↑ Anthonsen S: Kreislauf- und Lungenversagen nach primär überlebter Koffein-Intoxikation. Anästh Intensivmed 2018
Literatur
- Albrecht K. Intensivtherapie akuter Vergiftungen. Berlin, Wiesbaden : Ullstein Mosby 1997
- Olson KR et al. Poisoning and Drug Overdose. 8th Ed., McGraw-Hill Education 2022