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Post-COVID-Syndrom

(Weitergeleitet von Long-Covid-Syndrom)

Synonyme: Post-COVID-19, Long-COVID-Syndrom, "Long COVID"
Englisch: post-COVID-19 syndrome, long COVID

1. Definition

Als Post-COVID-Syndrom, kurz PCS, bezeichnet man die Langzeitschäden bzw. Spätfolgen der Infektionskrankheit COVID-19. Im engeren Sinn umfasst der Begriff alle Symptome, die 12 Wochen nach Erkrankungsbeginn persistieren oder neu auftreten und nicht durch andere Ursachen erklärbar sind.

2. ICD10-Codes

  • U09.9!: Post-COVID-Zustand
  • G93.3: Postvirales Müdigkeitssyndrom

3. Terminologie

Die Terminologie und Definition des Post-COVID-Syndroms sind uneinheitlich. Ursprünglich wurden alle Symptome, die 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn anhalten oder neu auftreten und wahrscheinlich kausal mit COVID-19 zusammenhängen, als "Long Covid" gelabelt. Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) differenziert folgende Verlaufsstadien von COVID-19:

Zeitraum nach Erkrankungsbeginn Stadium
0 bis 4 Wochen akutes COVID-19
4 bis 12 Wochen anhaltendes symptomatisches COVID-19
ab 12 Wochen Post-COVID-Syndrom

Laut WHO müssen beim PCS die Symptome später als 12 Wochen nach der akuten Infektion noch bestehen und mindestens zwei Monate andauern. Dabei darf es keine andere ätiologische Erklärung geben. Der Verlauf kann persistierend, rezidivierend oder fluktuierend sein.[1]

4. Epidemiologie

Die Inzidenz des Post-COVID-Syndroms ist zur Zeit (2024) unklar. Sie unterscheidet sich in verschiedenen Patientengruppen und ist unter anderem abhängig von der Schwere des Krankheitsverlaufs und der Art der Behandlung.

Bei etwa 20 bis 30 % der COVID-19-Patienten halten die Symptome der Erkrankung länger als 4 Wochen an. Rund 10 % der positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Patienten sollen auch nach 12 Wochen noch Symptome verspüren.

5. Abgrenzung

Die Abgrenzung des Post-COVID-Syndroms ist komplex. Vor allem bei multimorbiden Patienten sind unspezifische Symptome wie Fatigue oder Muskelschwäche häufig nicht eindeutig dem Virusinfekt oder anderen Grunderkrankungen zuzuordnen. Bei Patienten, die intensivmedizinisch behandelt wurden, müssen therapie- bzw. beatmungsbedingte Spätfolgen (z.B. VILI, PICS) abgegrenzt werden. Es besteht zudem die Gefahr, dass durch die starke mediale Präsenz von COVID-19 Symptome fälschlicherweise als Folgen des Virusinfekts identifiziert werden.

6. Ätiologie

Die Ursachen des Post-COVID-Syndroms sind noch (2024) nicht geklärt. Ein Teil der Langzeitschäden resultiert aus Gewebeveränderungen, die durch SARS-CoV-2 ausgelöst werden. Dazu zählen z.B.:

Die vielfältigen Organmanifestationen des PCS erklären sich unter anderem durch die Verteilung von ACE2, der Eintrittspforte des Virus.

Mögliche weitere ätiopathogenetische Faktoren sind:

7. Risikofaktoren

8. Symptome

Die Symptome des Post-COVID-Syndroms sind vielfältig.[4][5] Sie betreffen mehrere Organsysteme:

Zusätzlich kann es nach COVID-19 zur Manifestation eines Diabetes mellitus oder einer arteriellen Hypertonie kommen.

Die Symptome des Post-COVID-Syndroms ähneln dem klinischen Bild, das nach anderen schweren Virusinfekten auftritt, z.B. dem Post-Ebola-Syndrom.

9. Diagnostik

Das Post-COVID-Syndrom ist eine klinische Diagnose. Bisher existieren keine spezifischen laborchemischen Marker oder charakteristische bildgebende Befunde. Die folgende Tabelle fasst bekannte organbezogene Störungen mit morphologischem Substrat zusammen:[6]

Organ Klinik Bildgebung Pathologie Pathophysiologie
Atemwege
  • Dyspnoe
  • persistierender Husten
  • Asthma-Exazerbation
persistierende CT-Veränderungen:
  • Viruspersistenz mit Überaktivierung des Alveolarepithels und Reduktion der Alveolarmakrophagen
  • Chronisch vernarbende Entzündung mit profibrotischer Makrophagen-Reaktion
Herz
  • atypischer Brustschmerz
  • thorakales Druckgefühl
  • Tachykardie
  • Palpitation
  • Lungenstauung
  • Herzrhythmusstörungen
  • Perikardreiben
  • lymphozytäre Inflammation
  • Thromben in kleinen und größeren Herzgefäßen
  • Immunhistochemie: Nachweis von ACE2 in Myozyten
  • persistierende Viruslast führt zur Inflammation
Nervensystem
  • Müdigkeit, Fatigue
  • "Nebel im Gehirn" (brain fog)
  • Kopfschmerzen
  • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
  • psychiatrische Beschwerden
  • Taubheitsgefühl
  • Tremor
  • Dysgeusie
  • Anosmie
  • virale Neuroinvasion
  • neuroimmunologische Reaktion mit gestörter Blut-Hirn-Schranke
  • Nachweis von ACE2 in Hirnstammzellen in Autopsie
  • leukozytäre Infiltrate in Lamina propria mit Apoptose von Geschmacksknospen, Riechnervenfasern und zentralnervösem Riechzentrum
  • Möglicherweise Infektion von Neuronen und Astrozyten
Skelettmuskulatur
  • Myalgie
  • Muskelschwäche
  • Arthritis kleiner Gelenke
  • diffus entzündliche Infiltrate von Muskeln, Bindgewebe und Gelenken
  • persistierende Viruslast führt zur Inflammation
Nieren
  • reduzierte GFR
  • Mikrohämaturie
  • Thrombosen kleiner Nierengefäße
  • Immunhistochemie: Nachweis von ACE2 im Bürstensaum und Zytoplasma der proximalen Tubuluszellen
  • persistierende RNA in Nierengefäßen und Tubulusepithel induziert chronische Zellschäden
Gefäße
  • entzündliche Infiltrate des Endothels kleinner bis großer Arterien
  • Viruspersistenz induziert Entzündung und Thrombenbildung
  • persistierende Hyperkoagulabilität
Gastrointestinaltrakt
  • Übelkeit
  • Diarrhö
  • Appetitlosigkeit
  • Bauchschmerzen
  • Immunhistochemie: Nachweis von ACE2 in Enterozyten mit chronischen Entzündungszeichen
  • Viruspersistenz mit nachfolgendem chronischem Zellschaden
Repoduktionssystem
  • erektile Dysfunktion
  • Endothelschaden
  • Endotheliale Dysfunktion
  • Störungen der Hypophysen-Gonaden-Achse mit verringertem Testosteron
Inselzellen des Pankreas
  • Diabetes mellitus
  • Immunhistochemie: Nachweis von ACE2 in Inselzellen
  • Viruspersistenz in Inselzellen führt zu Funktionsverlust

10. Therapie

Derzeit (2024) existieren keine evidenzbasierten, kausalen und spezifischen Behandlungsmöglichkeiten. Zu Therapieoptionen wie Apherese, Vitaminsubstitution oder anderen medikamentöse Therapien können derzeit keine verlässlichen Empfehlungen abgegeben werden. Die Therapie basiert auf einem interdisziplinären, symptomorientierten Ansatz mit physikalischen Rehabilitationsmaßnahmen.

Sollte sich die Bedeutung einer persistierenden Aktivierung des Komplementsystems für die Pathogenese des Post-COVID-Syndroms bestätigen, wären Komplementinhibitoren eine mögliche therapeutische Option.[2]

11. Weblink

12. Literatur

13. Quellen

  1. Soriano JB et al; WHO Clinical Case Definition Working Group on Post-COVID-19 Condition. A clinical case definition of post-COVID-19 condition by a Delphi consensus. Lancet Infect Dis. 2022
  2. 2,0 2,1 Cervia-Hasler C et al. Persistent complement dysregulation with signs of thromboinflammation in active Long Covid. Science. 2024
  3. Salzano et al. Possible Adrenal Involvement in Long COVID Syndrome, Medicina (Kaunas), 2021
  4. COVID-19 (coronavirus): Long-term effects. Mayo Clinic 18.10.2020, abgerufen am 8.2.2021
  5. "What are the long-term health risks following COVID-19?" Royal Australian College of General Practitioners (RACGP). 24.6.2020, abgerufen am 8.2.2021
  6. Hallek M et al. Post-COVID Syndrome. Dtsch Arztebl Int. 2023

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