Endotheliale Dysfunktion
Englisch: endothelial dysfunction
Definition
Als endotheliale Dysfunktion wird eine Funktionsstörung des Endothels bezeichnet. Diese umfasst im Prinzip alle Funktionsbereiche des Endothels, demnach die Gefäßweitenregulation, die Gefäßpermeabilität, die Modulation der adhäsiven Eigenschaften und die Thrombozytenaggregationshemmung. Der endothelialen Dysfunktion wird eine große Bedeutung bei Prozessen der Arteriosklerose zugesprochen.
Ätiologie
Der endothelialen Dysfunktion liegt ein Mangel an gelöstem Stickstoffmonoxid (NO) zu Grunde. Dieser ist auf verschiedene biochemische Pathomechanismen zurückzuführen, die durch die Risikofaktoren der Arteriosklerose (Diabetes mellitus, Hypertonie, Homocysteinämie, Adipositas, Nikotinabusus) bedingt oder gefördert werden.
Pathogenese
Ein NO-Mangel kann unterschiedliche Ursachen haben:
NO-Synthaseinsuffizienz
Ursächlich für eine Fehlfunktion der NO-Synthase ist eine Hemmung des Enzyms durch asymmetrisches Dimethylarginin (ADMA). ADMA ist ein Endprodukt der posttranslationalen Modifikation. Es entsteht durch Methylierung von L-Arginin-Resten. Erhöhte ADMA-Spiegel konnten im Zusammenhang mit den arteriosklerotischen Risikofaktoren Diabetes mellitus und Homocysteinämie nachgewiesen werden. Zudem besteht eine Korrelation zwischen einer ADMA-Erhöhung und der LDL-Konzentration, so dass davon auszugehen ist, dass erhöhte ADMA- Spiegel in ursächlichem Zusammenhang zur Pathogenese der Arteriosklerose stehen.
siehe auch: Response-to-injury-Theorie
Relativer L-Argininmangel
L-Arginin ist das Ausgangsprodukt der NO-Synthese. Erhöhte ADMA-Spiegel hemmen nicht nur die NO-Synthase, sondern führen zusätzlich zu einem relativen Argininmangel.
Oxidativer Stress
Ein weiterer Pathomechanismus der endothelialen Dysfunktion ist auf oxidativen Stress in Form von Sauerstoffsuperoxid (O2-) zurückzuführen. O2- entsteht Angiotensin-II-vermittelt (AT1-Rezeptor) über eine Aktivitätssteigerung der NADPH-Oxidase. Es inaktiviert NO durch gemeinsame Reaktion zu Peroxinitrit (ONOO-).
Komplikationen
Eine endotheliale Dysfunktion verursacht oder begünstigt den Entstehungsprozess der Arteriosklerose. Im Bereich einer arteriosklerotischen Gefäßstenose kann sie durch relativen Acetylcholinüberschuss mit vasokonstriktorischer Wirkung die Perfusion weiter verschlechtern. Ischämiebedingte Symptome können hierdurch ausgelöst oder forciert werden (z.B. Angina pectoris).
Diagnostik
Es besteht prinzipiell die Option der nichtinvasiven und der invasiven Diagnostik:
Nichtinvasiv
Nichtinvasiv besteht die Möglichkeit der Überprüfung der NO-induzierten Vasodilatation mittels
- venöser Okklusionsplethysmographie
- Dopplersonographie
- Analyse der retinalen Mikrozirkulation (dynamische Gefäßanalyse)
Invasiv
Invasiv lassen sich die vasodilatatorischen Eigenschaften von Gefäßen mittels katheterinsuffliertem Acetylcholin unter angiographischer Darstellung beurteilen (Acetylcholinprovokationstest)
Labordiagnostik
Eine Messung des ADMA-Spiegels ist labordiagnostisch mittels ADMA-ELISA® möglich. Desweiteren sollten die Risikoparameter der Arteriosklerose (Glucose, Blutfette, Homocystein) zur Einschätzung des Arterioskleroserisikos herangezogen werden.
Therapie
Im Vordergrund der Therapie steht die Minimierung arteriosklerotischer Risikofaktoren:
- Einstellung eines Diabetes mellitus
- Medikamentöse Therapie einer Hypertonie
- Gewichtsnormalisierung
- Nikotinkarenz
- Therapie einer Hypercholesterinämie
Darüberhinaus gibt es medikamentöse Therapiestrategien, die kausal in die Entstehung der endothelialen Dysfunktion eingreifen sollen:
- ACE-Hemmer: ACE-Hemmer (z.B. Ramipril) dienen nicht nur der Einstellung einer Hypertonie, sondern vermindern darüber hinaus den AT1- vermittelten oxidativen Stress.
- AT1-Antagonisten: AT1-Antagonisten (z.B. Valsartan) hemmen spezifisch AT1 Rezeptoren.
- L-Arginin: Ein relativer ADMA induzierter L-Arginin-Mangel kann durch L-Arginin-Substitution therapiert und das Arterioskleroserisiko somit signifikant gesenkt werden.