Immunglobulin G
Synonyme: IgG-Antikörper, IgG
Englisch: immunoglobulin G
Definition
Als Immunglobulin G, kurz IgG, bezeichnet man eine Unterklasse von Antikörpern, die etwa 75 bis 80 % der im Blut zirkulierenden Antikörper ausmacht. IgG wird von Plasmazellen synthetisiert.
Biochemie
IgG liegt in freier Form im Blutplasma vor. Das Molekulargewicht des Immunglobulins beträgt 150 kDa. Pro Tag werden ca. 30 mg IgG pro Kilogramm Körpergewicht gebildet. Die Halbwertszeit beträgt etwa 21 Tage.
Struktur
Das IgG-Molekül ist ein Tetramer aus zwei schweren und zwei leichten Ketten. Die Ketten sind untereinander über Disulfidbrücken verbunden und bilden so ein Y-förmiges Gesamtmolekül. Die beiden variablen Enden des Y tragen jeweils identische Antigenbindungsstellen.
Die leichten Ketten kommen in zwei Typen vor, Kappa und Lambda. Ein IgG-Molekül hat immer nur Leichtketten desselben Typs und wird danach als IgG-Kappa oder IgG-Lambda bezeichnet. Im Normalfall werden IgG-Kappa und IgG-Lambda etwa im Verhältnis 3:2 gebildet.
Der nur von den schweren Ketten gebildete "Fuß" des IgG-Antikörpers (Fc-Fragment, siehe unten) interagiert mit dem Fc-Rezeptor phagozytierender Zellen. Die Affinität zum Rezeptor ist in den verschiedenen IgG-Subklassen unterschiedlich ausgeprägt.
Beide Ketten des IgG können in verschiedene Domänen untergliedert werden. Die leichte Kette besteht aus einer variablen und einer konstanten Domäne:
- VL ("variable light") und CL ("constant light")
Die schwere Kette besteht aus einer variablen und drei konstanten Domänen:
- VH ("variable heavy"), C1H, C2H und C3H ("constant heavy")
Einteilung
Aufgrund der biochemischen Eigenschaften der schweren Ketten können die IgG-Antikörper in 4 weitere Subklassen differenziert werden:
Subklasse | Abkürzung | Relativer Anteil | Affinität zum Fc-Rezeptor |
---|---|---|---|
Immunglobulin G1 | IgG1 | 66% | hoch |
Immunglobulin G2 | IgG2 | 23% | sehr niedrig |
Immunglobulin G3 | IgG3 | 7% | hoch |
Immunglobulin G4 | IgG4 | 4% | intermediär |
Fragmente
Immunglobulin G lässt sich durch bestimmte Enzyme in Antikörperfragmente zerlegen. Die Spaltung kann oberhalb oder unterhalb der verbindenden Disulfidbrücken erfolgen.
- Papain spaltet IgG oberhalb der Disulfidbrücken. So entstehen zwei Fab-Fragmente, die je eine Antigenbindungsstelle enthalten, und ein Fc-Fragment, das an Proteine des Komplementsystems oder zelluläre Fc-Rezeptoren binden kann.
- Pepsin spaltet IgG unterhalb der Disulfidbrücken. Dadurch bildet sich ein F(ab)2-Fragment, das durch die Disulfidbrücken zusammengehalten wird und zwei Antigenbindungsstellen enthält. Darüber hinaus entstehen zwei Polypeptidketten.
Abbau
Immunglobulin G wird durch Pinozytose kontinuierlich von den Endothelzellen des Gefäßsystems aufgenommen und intrazellulär in Lysosomen durch Proteasen und andere Enzyme abgebaut. Ein Teil des Immunglobulin G wird dabei an den FcRn-Rezeptor gebunden, wieder zur Zelloberfläche transportiert und dadurch recycelt.
IgG wird auch in der Milz abgebaut. Dort wird die schwere Kette durch die Enzyme Tuftsin-Endocarboxypeptidase und Leukokininase an den Positionen 293/292 bzw. 289/288 proteolytisch gespalten. Dadurch entsteht das Tetrapeptid Tuftsin, ein chemotaktischer Botenstoff.
Funktion
IgG-Antikörper zirkulieren im Blutplasma und sind als Teil des humoralen Immunsystems in den meisten Körpersekreten vorhanden. Außerdem können sie als einzige Immunglobuline die Plazenta passieren. Gemeinsam mit dem IgG des Kolostrums gewähren sie so den Nestschutz des Neugeborenen.
IgG-Antikörper sind im menschlichen Organismus ein Teil der Sekundärantwort des Immunsystems. Zu ihren Aufgaben gehören u.a.:
- Agglutination, Opsonierung und Neutralisation von Antigenen: IgG bindet an pathogene Erreger und führt zu ihrer Immobilisation und Verklumpung. Die Oberflächen der Erreger werden mit IgG eingehüllt, was zu ihrer Erkennung und Vernichtung durch phagozytierende Immunzellen führt.
- Aktivierung des Komplementsystems: IgG aktiviert den klassischen Weg des Komplementsystems
- Bindung und Neutralisation von Toxinen
- Auslösung der antikörperabhängigen zellvermittelten Zytotoxizität (ADCC) sowie des intrazellulären Antikörper-vermittelten Abbaus (IAMD) durch Bindung an den Rezeptor TRIM21
IgG ist darüber hinaus in die allergische Typ-II- und Typ-III-Immunreaktion involviert.
Labormedizin
In der Labormedizin können neben der Konzentrationsbestimmung von IgG im Serum und Liquor auch eine Analyse der IgG-Subklassen sowie die Bestimmung von allergie- und erregerspezifischen IgG-Antikörpern (Serologie) erfolgen.
Der serologische Nachweis erregerspezifischer IgG-Antikörper (z.B. Anti-HEV-IgG) ist ein wichtiges Diagnoseverfahren in der Infektiologie.
siehe: Spezifischer IgG-Antikörper
Material
Für die Untersuchung werden 2 ml Serum oder 4 ml Liquor benötigt.
Referenzbereich
...im Serum
Die IgG-Konzentration im Serum kann mittels Immunoassay bestimmt werden. Der Referenzbereich für Erwachsene beträgt:
- 8 bis 17 g/l (800 bis 1.700 mg/dl)
Bei Kindern liegen niedrigere Serumspiegel vor. Ausschlaggebend sind die vom jeweiligen Labor angegebenen Referenzbereiche.
...im Liquor
Der Referenzbereich für IgG im Liquor beträgt bis zu 4 mg/dl.
Siehe: Liquordiagnostik
Interpretation
Erniedrigtes Serum-IgG
Der Serumspiegel von IgG ist erniedrigt bei:
- Primären IgG-Antikörpermangelsyndromen
- Bruton-Gitlin-Syndrom (Morbus Bruton)
- passagere Hypogammaglobulinämie
- Sekundären IgG-Antikörpermangelsyndromen, z.B. bei:
Erhöhtes Serum-IgG
Der Serumspiegel von IgG ist erhöht bei:
- monoklonaler Gammopathie vom Typ IgG
- akuten oder chronisch verlaufenden Infektionen
- Aktivitätsparameter bei chronischen Infekten
- hohe oder ansteigende Titer bei akuten Infekten
- bei Reaktivierung oder Reinfektion oft exzessiv ansteigende Titer
- Hepatopathien
- bei chronischer Hepatitis meist isolierte IgG-Erhöhung
- bei Leberzirrhose sind alle Immunglobulin-Klassen erhöht
- Autoimmunerkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis)
- malignen Tumoren
IgG-Subklassenanalyse
Die IgG-Subklassenbestimmung erfolgt insbesondere bei Verdacht auf das Vorliegen eines IgG-Subklassen-Mangelsyndroms. Ein isolierter IgG-Subklassen-Mangel kann mit einer normalen Gesamt-IgG-Konzentration einhergehen, weshalb die Gesamt-IgG-Konzentration nicht als Screening für einen Subklassenmangel geeignet ist.
Referenzbereich
Folgende altersabhängigen Normwerte (Angaben in [g/l]) gelten für die IgG-Subklassen:
Alter | IgG1 | IgG2 | IgG3 | IgG4 |
---|---|---|---|---|
0 bis 1 Monat | 2,4 bis 10,6 | 0,87 bis 4,1 | 0,14 bis 0,55 | 0,04 bis 0,56 |
1 bis 4 Monate | 1,8 bis 6,7 | 0,38 bis 2,1 | 0,14 bis 0,7 | < 0,03 bis 0,36 |
4 bis 6 Monate | 1,8 bis 7,0 | 0,34 bis 2,1 | 0,15 bis 0,8 | < 0,03 bis 0,23 |
6 bis 12 Monate | 1,4 bis 6,2 | 0,41 bis 1,3 | 0,11 bis 0,85 | < 0,008 |
12 bis 18 Monate | 1,7 bis 6,5 | 0,4 bis 1,4 | 0,12 bis 0,87 | < 0,255 |
18 bis 24 Monate | 2,2 bis 7,2 | 0,5 bis 1,8 | 0,14 bis 0,91 | < 0,408 |
2 bis 3 Jahre | 2,4 bis 7,8 | 0,55 bis 2,0 | 0,15 bis 0,93 | 0,06 bis 0,689 |
3 bis 4 Jahre | 2,7 bis 8,1 | 0,65 bis 2,2 | 0,16 bis 0,96 | 0,012 bis 0,938 |
4 bis 6 Jahre | 3,0 bis 8,4 | 0,7 bis 2,55 | 0,17 bis 0,97 | 0,017 bis 1,157 |
6 bis 9 Jahre | 3,5 bis 9,1 | 0,85 bis 3,3 | 0,2 bis 1,04 | 0,03 bis 1,577 |
9 bis 12 Jahre | 3,7 bis 9,3 | 1,0 bis 4,0 | 0,22 bis 1,09 | 0,043 bis 1,9 |
12 bis 18 Jahre | 3,7 bis 9,1 | 1,1 bis 4,85 | 0,24 bis 1,16 | 0,052 bis 1,961 |
Erwachsene | 2,8 bis 8,0 | 1,15 bis 5,7 | 0,24 bis 1,25 | 0,052 bis 1,25 |
Interpretation
Erhöhung der IgG-Subklassen
Erkrankung | IgG1 | IgG2 | IgG3 | IgG 4 |
---|---|---|---|---|
Allergie | ↑ | ↑ | ||
Virusinfekte | ↑ | ↑ | ||
Bakterielle Toxine | ↑ | ↑ | ||
Infektion mit LPS-bekapselten Bakterien (Hämophilus, Pneumokokken) |
↑ | |||
Autoimmunerkrankungen | ↑ | |||
Parasitosen | ↑ | |||
Z.n. Hyposensibilisierung | ↑ | |||
IgG4-assoziierte Erkrankungen | ↑ | |||
Monoklonale Gammopathie | i.d.R. Erhöhung einer Subklasse |
Erniedrigung der IgG-Subklassen
Die IgG-Subklassen können im Rahmen von IgG-Subklassen-Mangelsyndromen erniedrigt sein. Im Kindesalter sind insbesondere Jungen betroffen. Am häufigsten ist ein IgG2-Mangel, der mit Infektionen der oberen Atemwege und Autoimmunerkrankungen (z.B. Autoimmunzytopenien) assoziiert ist.
Auch bei Erwachsenen ist das männliche Geschlecht häufiger betroffen, wobei im Erwachsenenalter insbesondere ein IgG3- oder IgG1-Mangel vorkommt. Ein IgG3-Mangel ist assoziiert mit rezidivierenden Bronchitiden, Durchfall und Asthma bronchiale.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 29.03.2021
Quellen
- ↑ Taborski et al., Donor safety in an individualized plasmaoheresis program – Results of an interim analysis, Transfusion and Apheresis Science, 2022