Antikörpermangelsyndrom
Definition
Unter einem Antikörpermangelsyndrom, kurz AMS, versteht man die Unfähigkeit des Körpers, auf einen Antigenreiz mit einer ausreichenden Bildung von Antikörpern zu reagieren.
Klassifikation
...nach Ätiologie
- primäres AMS: angeboren bzw. kongenital
- sekundäres AMS: erworben
...nach Ausmaß
- Hypogammaglobulinämie: inkomplettes Fehlen von Gammaglobulinen
- Agammaglobulinämie: vollständiges Fehlen von Gammaglobulinen
Ätiologie
Primäre Antikörpermangelsyndrome
Bei den primären Antikörpermangelsyndromen liegt ein genetisch bedingter Mangel an Immunglobulinen vor. Zu den primären Immundefekten, die zum AMS führen, zählen u.a.:
Weiterhin entsteht eine Hypogammaglobulinämie
- beim WHIM-Syndrom
- durch primäre B-Zell-Immundefekte bei Trisomie 18, Jacobsen-Syndrom oder kongenitalem Transcobolamin-II-Mangel
- beim VODI-Syndrom
Sekundäre Antikörpermangelsyndrome
Mögliche Ursachen von sekundären Antikörpermangelsyndromen sind u.a.:
- lymphatische Neoplasien: Chronische lymphatische Leukämie (CLL), multiples Myelom
- myelodysplastische Syndrome (bis hin zur Agammaglobulinämie)
- paraneoplastische Prozesse bei Thymustumoren
- Malabsorptionssyndrome (z.B. intestinale Lymphangiektasie)
- Medikamente: Rituximab, Cyclophosphamid, Malariamittel, Captopril, Penicillamin, Phenytoin, Sulfasalazin
- schwere Nephritis (IgG-Verlust)
- Curschmann-Steinert-Batten-Syndrom
Außerdem ist eine Hypogammaglobulinämie mit einer perniziösen Anämie assoziiert.
Klinik
Antikörpermangelsyndrome führen zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, insbesondere gegenüber bekapselten Erregern (Pneumokokken, Meningokokken, Haemophilus influenzae). Entsprechend beklagen Betroffene gehäuft über Sinusitiden, Pneumonien und Meningitiden.
Aufgrund des Immundefekts finden sich auch häufiger Infektionen z.B. durch Campylobacter, Mykobakterien, Mycoplasma hominis, HSV oder CMV. Das JC-Virus kann bei AMS zur progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) führen. Ebenfalls steigt das Risiko einer Pneumocystis jirovecii-Pneumonie.
Diarrhoen treten bei Patienten mit Antikörpermangelsyndromen sehr häufig auf. Sie sind meist Folge einer bakteriellen Überwucherung oder einer Giardiasis.
Diagnostik
Bei einem Antikörpermangelsyndrom zeigt sich in der Serumelektrophorese eine erniedrigte gamma-Bande bei sonst regelrechter Darstellung der anderen Serumeiweiße. Typisch ist ein IgG-Spiegel von unter 150 mg/dl und ein nicht detektierbarer Spiegel der anderen Immunglobuline.
Bei Hypogammaglobulinämie finden sich hypersegmentierte neutrophile Granulozyten im peripheren Blutausstrich.
Je nach zugrundeliegender Erkrankung sind weitere diagnostischen Maßnahmen notwendig.
Therapie
Die Therapie des Antikörpermangelsyndroms ist abhängig von der Ursache. Bei schwerer, lang andauernder Hypogammaglobulinämie mit rezidivierenden Infektionen sind intravenöse Immunglobuline (IVIG) indiziert.
Des Weiteren müssen Infektionen adäquat antimikrobiell behandelt werden. Impfungen (z.B. gegen Meningokokken) sind empfohlen.