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Nierenzellkarzinom

(Weitergeleitet von Hypernephrom)

Synonyme: Nierenkarzinom, Adenokarzinom der Niere, Grawitztumor, Hypernephrom (veraltet)
Englisch: renal cell carcinoma, RCC

1. Definition

Das Nierenzellkarzinom, kurz RCC, ist ein von den Tubuluszellen der Niere ausgehender, maligner Tumor. Etwa 90 % der Nierentumoren sind Nierenzellkarzinome.

2. Epidemiologie

Nierenkarzinome machen ca. 3 % aller bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter aus. Die Inzidenz beträgt etwa 9 auf 100.000 Einwohner. Männer sind etwa zweimal häufiger betroffen als Frauen. Patienten, die am Hippel-Lindau-Syndrom leiden, erkranken gehäuft an hereditären Nierenkarzinomen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 45. und 75. Lebensjahr.

3. Pathohistologie

Die Nierenkarzinome sind meist im oberen Nierenpol lokalisiert, daher der alte Name "Hypernephrom". Sie sind in 85 % der Fälle histologisch den epithelialen Tumoren (Adenokarzinomen) zuzuordnen. Die Tumorzellen weisen ein glykogen- und lipidreiches Zytoplasma auf und imponieren deshalb mikroskopisch als Klarzelltumor.

3.1. Häufige Formen

3.2. Seltenere Formen

4. Symptomatik

Das Nierenzellkarzinom verursacht in der Regel keine Frühsymptome, da die Tumorzellen, bei zentralem Wachstum im Parenchym, zunächst keinen Anschluss an das Hohlraumsystem der Niere haben. Im Frühstadium wird die Erkrankung oftmals nur zufällig bei der Sonographie der Abdominalorgane erkannt.

Eine plötzliche, ohne erkennbare Ursache einsetzende, schmerzlose Hämaturie ist ein bedrohliches Spätsymptom und mahnt zur sofortigen Abklärung. Weitere, unspezifische Krankheitszeichen sind:

Eine neu aufgetretene Varikozele, die auch bei Lageänderung in die Horizontale bestehen bleibt, weist auf eine venöse Tumorverlegung hin ("symptomatische Varikozele").

4.1. Paraneoplastische Syndrome

Bei 5 % der Erkrankten sind paraneoplastische Syndrome nachweisbar:

4.2. Besonderheiten

Der Tumor kann in die Vena renalis einbrechen und Tumorthromben bilden.

5. Diagnostik

5.1. Bildgebende Verfahren

5.2. Labor

5.3. Stadieneinteilung

Die Stadieneinteilung des Nierenzellkarzinoms erfolgt anhand der TNM-Klassifikation und der UICC-Einteilung.

TNM-Stadium Beschreibung
T1 auf die Niere begrenzt, Tumorgröße ≤ 7 cm
T2a > 7 cm, ≤ 10 cm
T2b > 10 cm
T3a Infiltration der Vena renalis oder ins perirenale Gewebe
T3b Invasion der Vena cava unterhalb des Zwerchfells
T3c Invasion der Vena cava oberhalb des Zwerchfells
T4 Infiltration der Gerota-Faszie
N1 1 regionärer Lymphknoten befallen
N2 ≥ 1 regionärer Lymphknoten befallen
M1 Fernmetastasen
UICC-Stadium T N M
I T1 N0 M0
II T2 (T2a, T2b) N0 M0
III T3a bis T3c N0 M0
T1 bis T3 N1 M0
IV T4 N0, N1 M0
alle T alle N M1

6. Differentialdiagnosen

7. Therapie

Je nach Stadium kommen verschiedene Behandlungen infrage. Die Operation ist die einzige kurative Option.

7.1. Lokal begrenzte Stadien

7.1.1. Operation

Therapie der Wahl beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom ist die Nephrektomie. Die offene, radikale Nephrektomie mit Resektion der Gerota-Faszie, der ipsilateralen Nebenniere und der regionalen Lymphknoten war der frühere Goldstandard. Die partielle Nephrektomie mit dem Ziel der Erhaltung funktionsfähigen Nierengewebes ist indiziert bei anatomischer oder funktioneller Einzelniere, erhöhtem Risiko für eine Niereninsuffizienz aus anderer Ursache, hereditären Nierenzellkarzinom-Syndromen und einem T1-Stadium. Sowohl die radikale als auch die partielle Nephrektomie können offen oder minimalinvasiv (retroperitoneoskopisch, laparoskopisch, Roboter-assistiert) durchgeführt werden.

Die Adrenalektomie ist nur notwendig bei bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Tumorinfiltration oder Metastasen. Die Lymphknotenresektion wird nur empfohlen bei Patienten mit bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Infiltration.

7.1.2. Embolisation

Eine Tumorembolisation wird in folgenden Situationen eingesetzt:

  • als alleinige palliative Maßnahme bei persistierender Makrohämaturie, wenn weder Operation noch Systemtherapie aufgrund des schlechten Allgemeinzustands möglich ist
  • in Einzelfällen vor chirurgischer Resektion lokal fortgeschrittener Tumore
  • bei der Resektion von Knochenmetastasen.

7.1.3. Minimalinvasive, ablative Maßnahmen

In Einzelfällen kommen interventionell-radiologische Verfahren wie die Kryotherapie und die Radiofrequenzablation zum Einsatz. Dabei lassen sich Tumorkontrollraten von bis zu 85 % nach einem Jahr erzielen. Jedoch fehlen Langzeitstudien. Voraussetzung ist die vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Relative Kontraindikationen sind Lebenserwartung < 1 Jahr, multiple Metastasen, geringe Aussicht auf Erfolg, hilusnahe Tumore, Tumore > 5 cm sowie Tumore in unmittelbarer Nähe des Hohlsystems oder des proximalen Ureters.

7.1.4. Adjuvante Therapien

Eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab kommt bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko infrage.

7.2. Lokal-fortgeschrittene Stadien

Bei Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Karzinomen ist im Rahmen von Studien eine primäre (neoadjuvante) Systemtherapie mit anschließender Operation möglich.

7.3. Metastasierte Stadien

Im palliativen Setting steht die medikamentöse Tumortherapie im Vordergrund. Ergänzende Maßnahmen sind die zytoreduktive Nephrektomie sowie symptomorientiert weitere lokale Therapieverfahren wie die Bestrahlung von Knochenmetastasen oder die stereotaktische Bestrahlung.

Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte bei Patienten mit niedrigem oder mit intermediärem Risiko gemäß IMDC-Risikoscore und ohne klinische Symptomatik die Möglichkeit eines abwartenden Vorgehens (Active Surveillance) geprüft werden, insbesondere bei fehlender Progression in den dreimonatigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen.

Die medikamentöse Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten Jahren (Stand 2024) grundlegend geändert. Dabei muss beachtet werden, dass in den meisten Studien nur klarzellige Nierenzellkarzinome bzw. Nierenzellkarzinome mit klarzelliger Komponente eingeschlossen wurden. Für die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinome (nccRCC) ist die Evidenz deutlich geringer ist. Häufig eingesetzt werden Checkpointinhibitoren (CPI) und/oder Tyrosinkinaseinhibitoren. Standardkombinationen sind beispielsweise:

In der Zweitlinien- und Mehrlinientherapie bei fehlendem Ansprechen, Rezidiv, Progress oder Nebenwirkungen kommen individuell auch weitere Medikamente wie Everolimus zum Einsatz.

8. Prognose

Die Prognose ist insbesondere abhängig vom Tumorstadium und von den Begleiterkrankungen. Lokal begrenzte Karzinome gehen mit vergleichsweise hohen Überlebensraten einher, bei Vorliegen von Fernmetastasen verringern sich diese jedoch drastisch:

UICC-Stadium 5-Jahres-Überlebensrate
I 98 %
II 89 %
III 73 %
IV 18 %

9. Podcast

FlexTalk - Interessiert mich, die Bohne: Die Niere
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10. Bildquelle

  • Bildquelle Podcast: © blackieshoot / Unsplash

11. Leitlinien

12. Quellen

  • Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4

Bijan Fink
Peer reviewed am 17.09.2024 von Bijan Fink

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18.09.2024, 17:35
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