Als Hüftkopfnekrose im Erwachsenenalter wird eine erworbene Nekrose des Femurkopfes bei Erwachsenen bezeichnet. Sie wird von der Hüftkopfnekrose bei Kindern (Morbus Perthes) abgegrenzt.
Eine Hüftkopfnekrose kann durch eine Infektion entstehen; man spricht hierbei jedoch eher von einer septischen Arthritis. In den meisten Fällen ist die Nekrose Folge einer Ischämie ("aseptische Hüftkopfnekrose").
Bei der aseptischen Hüftkopfnekrose des Erwachsenen unterscheidet man je nach Ätiopathogenese zwischen folgenden Formen:
Als Risikofaktoren gelten:
Die genaue Pathogenese der Hüftkopfnekrose ist noch (2021) nicht endgültig geklärt. Allen Formen liegt vermutlich eine partielle Durchblutungsstörung des Hüftkopfes zugrunde. Mögliche Gründe sind:[1]
Von der Hüftkopfnekrose sind oft nur Teile des Femurkopfes betroffen, wobei die Nekrose am häufigsten in der Druckaufnahmezone im vorderen Abschnitt des Hüftkopfes auftritt. Die Nekrose führt zur Osteolyse oder zur Verdichtung der Knochenstruktur. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung ist ein Zerfallen in Fragmente (Sequester) möglich.
Die Erkrankung führt zu einer Deformität des Hüftkopfes und damit zu einer Inkongruenz des Hüftgelenkes. Dabei kann die Gelenkfläche einbrechen und eine Restitutio ad integrum unmöglich machen. Im Endstadium entsteht eine sekundäre Coxarthrose.
Die primäre Hüftkopfnekrose tritt gehäuft bei Männern im Lebensalter zwischen 35 und 45 Jahren auf. Häufig sind beide Seiten betroffen: Nach Diagnose einer Hüftkopfnekrose ist das Risiko für einen kontralateralen Befall in den nachfolgenden 2 Jahren sehr hoch, danach nimmt es ab. Der Befall kann jedoch zeitversetzt auftreten. Die jährliche Inzidenz beträgt in Deutschland ca. 5.000 bis 7.000.
Klinische Symptome sind belastungsabhängige Schmerzen im Hüftgelenk bzw. im Bereich der Leiste und gelegentlich im Kniegelenk. Weiterhin entwickelt sich zunächst eine scheinbare, später eine definitive Beinlängendifferenz bis zum Vollbild der deformierenden Coxarthrose.
Häufig bestehen aufgrund der Schmerzen eine Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks und ein hinkendes Gangbild.
Bei klinischem Verdacht einer Hüftkopfnekrose (z.B. bei unklaren Hüftschmerzen seit über 6 Wochen) wird zunächst eine konventionelle Röntgenuntersuchung (Beckenübersicht und Lauenstein-Aufnahme) durchgeführt. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich meist erst nach Wochen oder Monaten Veränderungen zeigen. Die Femurkopfnekrose imponiert zunächst durch eine fleckige Knochenstruktur, die durch die Kondensation und die Osteolyse bedingt ist.
Der nekrotisierte Bereich kann durch einen Sklerosesaum abgetrennt sein, wenn nur ein einzelner Abschnitt des Kopfes betroffen ist. Knöcherne Veränderungen an der Hüftpfanne sind möglich.
Im Einzelfall nützliche Untersuchungen sind:
Mithilfe der Ergebnisse der Bildgebung kann die Femurkopfnekrose nach der ARCO-Klassifikation in fünf Stadien eingeteilt werden:
Stadium | Röntgen- bzw. MRT-Veränderungen |
---|---|
Stadium 0 | Normalbefund in Röntgen, MRT und Szintigraphie. Nekrosezeichen in Histologie |
Stadium I | Röntgen/CT negativ; MRT/Szintigraphie positiv |
Stadium II | Röntgen positiv (fleckförmige Verdichtungen, Hüftkopfkontur erhalten); MRT positiv; normaler Gelenkspalt |
Stadium III | Subchondrale Fraktur im Röntgenbild in Form einer sichelförmigen Aufhellungszone ("crescent sign"). Abflachung der Femurkopfkontur, normaler Gelenkspalt. |
Stadium IV | Zusätzlich sekundär arthrotische Veränderungen, Gelenkspaltverschmälerung |
Die Differenzierung zwischen ARCO-Stadium I und II beruht auf dem Röntgenbild. Im Stadium I oder II gibt es keine spezifischen Befunde in der MRT oder CT, die eine Differenzierung ermöglichen.
siehe Hauptartikel: ARCO-Klassifikation
Stadium | Röntgenbefund | Klinik |
---|---|---|
0 |
|
|
1 |
|
|
2 |
|
|
3 |
|
|
4 |
|
|
Die Klassifikation nach Marcus wird anhand von konventionellen Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (a.p.-Projektion und Lauenstein-Aufnahme) vorgenommen.
Stadium | Röntgenbefund | Hüftkopfform | Arthrosegrad |
---|---|---|---|
1 | lokalisierte Sklerosierungen | rund | 0 |
2 | sklerotischer Randsaum | rund | 0 |
3 | subchondrale Aufhellung | leicht abgeflacht | 0 |
4 | laterale Impression | deutlich abgeflacht | 0-1 |
5 | laterale und mediale Impression | deutlich entrundet | 0-2 |
6 | sekundäre Coxarthrose | deutlich entrundet | 2-3 |
Eine kausale Therapie der aseptischen Hüftkopfnekrose ist derzeit nicht möglich. Die symptomatische Behandlung zielt auf die Verbesserung der Beweglichkeit und Lebensqualität sowie auf die Schmerzreduktion ab. Eine rein konservative Therapie kann die Progression der Erkrankung nicht aufhalten.
Zur Behandlung der Schmerzen werden NSAR verabreicht. Die Verwendung von Unterarmgehstützen für einige Zeit kann zweckmäßig sein, eine Entlastung über Monate ist jedoch nicht sinnvoll. Zum Erhalt von Muskel- und Gelenkfunktionen sind Physio-, Thermo-, Hydro- und Balneotherapie sinnvoll.
Das Prostazyklin-Analogon Iloprost kann im ARCO-Stadium I zur Reduktion der Schmerzen und des Knochenmarködems off label eingesetzt werden, falls der Patient eine chirurgische Behandlung ablehnt oder Kontraindikationen vorliegen. Wenn bereits eine subchondrale Fraktur vorliegt, ist die Therapie ungeeignet.
Alendronat kann ebenfalls off label eingesetzt werden. Es dient der Schmerzreduktion und kann die Zeit bis zum Kollaps des Hüftkopfes verzögern.
Nicht empfohlen werden:
Bei der operativen Therapie der Hüftkopfnekrose unterscheidet man zwischen gelenkerhaltenden und endoprothetischen Behandlungen. Bei einem ARCO-Stadium IV ist eine gelenkerhaltende Operation nicht mehr möglich.
Bei der medullären Dekompression ("core decompression") wird das nekrotische Areal angebohrt. Die Dekompression des Knochenmarkraums verbessert die Durchblutung und kann die Beschwerden lindern. Diese Methode wird im ARCO-Stadium I und II bei medialer oder zentraler Nekrose mit einer Ausdehnung von < 30 % des Hüftkopfes empfohlen. Im Stadium III mit Infraktion des Hüftkopfes kann sie zur kurzfristigen Schmerzreduktion durchgeführt werden.
Die Anbohrung kann mit einer Knochentransplantation kombiniert werden, jedoch nur bei kleinen Läsionen < 20 % bzw. < 200° Nekrosewinkel. Knochenersatzstoffe können ebenfalls eingesetzt werden. Weiterhin ist eine postoperative Infusion mit Iloprost möglich.
Umstellungsosteotomien des proximalen Femurs sind eine Therapieoption bei jungen Patienten mit frühen Formen der Hüftkopfnekrose. Dieser Eingriff kann mit einer Ausräumung des Nekroseherdes und einer Auffüllung mit Eigen- oder Fremdknochen kombiniert werden. Die Indikation für intertrochantäre Osteotomien (Flexions- oder Rotationsosteotomien) sollte aufgrund des hohen technischen Anspruchs kritisch gestellt werden.
Osteochondrale Allografts und die autologe Spongiosatransplantation werden derzeit nicht empfohlen. Tantalum-Implantate (PTI) werden nicht mehr angewendet.
Zellbasierte Verfahren mittels mesenchymaler Stammzellen stellen experimentelle Behandlungsformen dar.
Insbesondere bei fortgeschrittener Zerstörung des Hüftgelenks und bei Zeichen einer sekundären Arthrose wird die Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese (Hüft-TEP) empfohlen. Da mit zunehmender Implantationsdauer das Risiko einer Revision aufgrund von Implantatlockerung, Infektion oder periprothetischer Fraktur steigt, wird sie bevorzugt bei älteren Patienten und/oder bei starken Schmerzen durchgeführt.
Fachgebiete: Orthopädie, Orthopädie und Unfallchirurgie
Diese Seite wurde zuletzt am 11. Mai 2021 um 07:45 Uhr bearbeitet.
Um diesen Artikel zu kommentieren, melde Dich bitte an.