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Version vom 16. Juni 2020, 08:45 Uhr

Definition

Rickettsiosen sind Erkrankungen, die durch gramnegative Stäbchenbakterien der Gattung Rickettsia ausgelöst werden.

Pathogenese

Rickettsien schädigen Endothelzellen durch die Bildung von Radikalen, Phospholipasen und Proteasen. Die erhöhte Gefäßpermeabilität führt zur Ödembildung, Hypovolämie und Hypotension. Die Gefäßschäden kommen in fast allen Organen vor. Folglich entstehen interstitiellen Entzündungen und es kommt zum Thrombozytenverbrauch.

Die verwandten Bakteriengattungen Ehrlichia und Coxiella befallen bevorzugt Monozyten bzw. Makrophagen, Anaplasma vor allem neutrophilen Granulozyten.

Coxiella burnetii, Rickettsia prowazekii, Rickettsia typhi und Rickettsia rickettsii sind besonders wichtig, da sie länger außerhalb ihres Vektors überleben können und extrem infektiös sind. Sie gelten als potenzielle Erreger für bioterroristische Anschläge.

Symptome

Bei allen akuten Krankheitsverläufen ähneln sich die anfänglichen Symptome:

Im Verlauf kann es zu Exanthemen, Escharbildung (umschriebene Hautentzündung mit zentraler Nekrose), Pneumonie, Meningoenzephalitis oder fortschreitender Hypotonie mit Multiorganversagen kommen.

Nur bei Coxiella burnetii kann eine chronische Erkrankung entstehen. Andere Arten, wie R. prowazekii, können jedoch eine latente Infektion hervorrufen, die nach Jahren zur Brill-Zinsser-Krankheit reaktiviert werden kann.

Übersicht der Rickettsiosen

Die Tabelle liefert einen Überblick über die wichtigsten Rickettsiosen. Detaillierte Informationen finden sich in den entsprechenden Hauptartikeln. Der aktuell (2019) gehäuft in Deutschland vorkommende Erreger Rickettsia aeschlimannii wird durch die Zecke Hyalomma marginatum übertragen. Die Erkrankung ähnelt dabei dem Mittelmeerfleckfieber bzw. dem afrikanischen Zeckenbissfieber.

Erkrankung Erreger  Übertragung Vorkommen
Rocky-Mountain-Fleckfieber Rickettsia rickettsii Zeckenbiss: Dermacentor andersoni, D. variabilis, Amblyomma cajennense, A. aureolatum, Rhipicephalus sanguineus Nord- und Südamerika
Mittelmeerfleckfieber (Boutonneuse-Fieber) Rickettsia conorii Zeckenbiss: Rhipicephalus sanguineus, R. pumilio Südeuropa, Afrika, mittlerer Osten, Zentralasien
Afrikanisches Zeckenbissfieber Rickettsia africae Zeckenbiss: Amblyomma hebraeum, A. variegatum Subsahara, Westindien
Aneruptives Zeckenbissfieber Rickettsia helvetiva Zeckenbiss: z.B. Dermacentor reticulatus, Ixodes ricinus Schweden, Kroatien, Frankfreich
TIBOLA (tick-borne lymphadenopathy) Rickettsia slovaca Zeckenbiss: Dermacentor marginatus, Dermacentor reticulatus Europa
Maculatum-Krankheit Rickettsia parkeri Zeckenbiss: Amblyomma maculatum USA, Südamerika
Rickettsienpocken Rickettsia akari Milbenbiss: Liponyssoides sanguineus USA, Ukraine, Türkei, Mexiko, Kroatien
Flohfleckfleckfieber Rickettsia felis Flöhe: Ctenocephalides felis weltweit
Epidemisches Fleckfieber Rickettsia prowazekii Lausexkremente: z.B. Pediculus humanus corporis weltweit
Endemisches (murines) Fleckfieber Rickettsia typhi Flohexkremente: z.B. Xenopsylla cheopsis, Ctenocephalides felis weltweit
Tsutsugamushi-Fieber (japanisches Fleckfieber) Orientia tsutsugamushi Milbenbiss: z.B. Leptotrombidium deliense Asien, Australien, indische und pazifische Inseln

Die nahen verwandten Familien Anaplasmataceae (Gattungen Anaplasma, Ehrlichia, Neorickettsia) und Coxiellaceae (Genus Coxiella) lösen Erkrankungen aus, die meist zu den Rickettsiosen im erweiterten Sinne gezählt werden.

humane monozytäre Ehrlichiose Ehrlichia chaffeensis Zeckenbiss: Amblyomma americanum, Dermacentor variabilis USA
Ewingii-Ehrlichiose Ehrlichia ewingii Zeckenbiss: Amblyomma americanum USA
Ehrlichiose (nicht näher spezifiziert) Ehrlichia Wisconsin HM543746 Zeckenbiss: Ixodes scapularis USA
humane granulozytäre Anaplasmose Anaplasma phagocytophilum Zeckenbiss: Ixodes scapularis, I. ricinus, I. pacificus, I. persulcatus USA, Europa, Asien
Q-Fieber Coxiella burnetii Inhalation infizierter Aerosole erregerhaltiger Geburtsprodukte z.B. von Ziegen, Schafen, Rinder; Verzehr infizierter Milch oder Milchprodukte, Zecken weltweit (außer Neuseeland und Antarktis)

Diagnose

Der klinische Verdacht ergibt sich aus epidemiologischen Daten, den Symptomen sowie unspezifischen laborchemischen Zeichen (Thrombozytopenie, erhöhte Transaminasen, Hyponatriämie).

Zur Diagnose einer Rickettsieninfektion dient der zweifache Nachweis von IgM bzw. IgG-Antikörper mittels ELISA oder indirekter Immunfluoreszenz aus dem Serum im Abstand von 3 Wochen. Die ätiologische Zuordnung in der Akutphase ist schwierig. Meist gelingt die endgültige Diagnose erst nach der Genesung durch Untersuchung der Serumproben.

Bei Patienten mit Zeckenbissfieber und Primärläsion können Hautbiopsien mittels PCR auf Rickettsien-DNA untersucht werden. Eine kulturelle Anzucht erfordert Speziallaboratorien der Schutzstufe 3. Rickettsien zeigen zwar einen gramnegativen Zellwandaufbau, lassen sich aber diagnostish durch eine Gramfärbung nicht darstellen.

Therapie

Bereits bei klinisch begründetem Verdacht sollte eine kalkulierte Therapie mit Doxycyclin in einer Dosierung von 2 x 100 mg pro Tag per os für 7 bis 10 Tage eingeleitet werden. Im Falle von Kontraindikationen kann auf Ciprofloxacin oder Chloramphenicol ausgewichen werden. Beim Mittelmeerfleckfieber können bei Schwangeren und Kindern unter 8 Jahren zum Teil auch Makrolide wirksam sein. Penicilline, Aminoglykoside und Cotrimoxazol sind unwirksam.

Prophylaxe

Während des Zweiten Weltkriegs wurde ein Impfstoff gegen R. prowazekii entwickelt. Die Herstellung wurde jedoch aufgrund abnehmender Inzidenz eingestellt.

Aktuell (2019) ist die Expositionsprophylaxe die einzige Möglichkeit um Fleckfieber-Erkrankungen zu vermeiden. Insbesondere bei Auslandsaufenthalten sollte auf einen Schutz vor Ektoparasiten geachtet werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer Chemoprophylaxe mit Doxycyclin. Dieses Verfahren wird nur in Ausnahmefällen bei hohem Expositionsrisiko eingesetzt.

Der direkte und indirekte Nachweis von R. prowazekii ist meldepflichtig (§ 7 IfSG).