Epidemisches Fleckfieber
Synonyme: Klassisches Fleckfieber, Läusefleckfieber, Läusefieber, Faulfieber, febris exanthemicus, Flecktyphus, Typhus exanthematicus, Hungertyphus, Kriegstyphus
Englisch: (epidemic) typhus
Definition
Das epidemische Fleckfieber ist eine von Läusen übertragene Infektion mit dem Erreger Rickettsia prowazekii.
Nomenklatur
Neben dem epidemischen Fleckfieber gibt es auch das durch Rickettsia typhi ausgelöste endemische Fleckfieber (murines Fleckfieber), das jedoch einen milderen Verlauf aufweist.
siehe auch: Fleckfieber
Epidemiologie
Das epidemische Fleckfieber findet sich vor allem in Krisen- bzw. Kriegsgebieten. 1997 kam es in einem Flüchtlingslager in Burundi zu einem Ausbruch, bei dem über 100.000 Menschen betroffen waren. Sporadische Fälle treten z.B. in Algerien, Peru und Ruanda auf.
Nach Schätzungen der WHO stirbt einer von 5.000.000 Menschen pro Jahr an Fleckfieber. Die Erkrankung ist insgesamt auf dem Rückmarsch. Sporadische Erkrankungen wurden in den letzten Jahren (Stand 2020) u.a. aus Algerien, Peru und Ruanda gemeldet. Nach Deutschland importierte Fälle sind extrem selten.
Übertragung
Das epidemische Fleckfieber wird meist durch Kleider- bzw. Körperläuse (Pediculus humanus corporis) übertragen. Diese leben auf der Kleidung von Menschen vor allem in ärmlichen Gebieten mit schlechten hygienischen Bedingungen in kälteren Klimazonen. Die Läuse infizieren sich über eine Blutmahlzeit bei mit Rickettsien erkrankten Personen. Die Erreger vermehren sich in der Laus in den Epithelzellen des Darms. Während der nächsten Blutmahlzeit wird der infizierte Kot am folgenden Wirt abgesetzt und durch Hautkatzen autoinokuliert. Die Laus stirbt infolge der Infektion.
Das südliche Gleithörnchen (Glaucomys volans) und seine Läuse und Flöhe erhalten den zoonotischen Zyklus von Rickettsia prowazekii aufrecht. In Nordamerika existiert auch eine mildere Verlaufsform, die durch die Ektoparasiten des nordamerikanischen Zwerggleithörnchens übertragen werden.
Klinik
Die Inkubationszeit beträgt rund 1-2 Wochen. Darauf folgen unspezifische Prodromalsymptome:
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit
- Myalgien, Kopfschmerzen
- hohes Fieber mit bis zu 2 Wochen anhaltendem Fieberkontinuum
- Husten
Meist nach 5 Tagen kommt es zum Auftreten des typischen makulösen bis makulopapulösen Exanthems. Es besteht aus blassroten, bläulichen, teils konfluierenden Roseolen mit hämorrhagischem Zentrum, ausgehend vom Rumpf mit Ausbreitung auf die Extremitäten ohne Beteiligung der Fußsohlen und Handflächen. Auch das Gesicht bleibt in der Regel ausgespart. Ohne Therapie entstehen konfluierende Petechien. Bei dunkler Hautfarbe ist dieses Exanthem oft nicht sichtbar (spotless epidemic typhus).
Zu den weiteren Symptomen zählen:
- Facies typhosa (livid verfärbtes Gesicht)
- bräunlich-pelzig belegte, trockene Zunge
- Konjunktivitis, konjunktivale Injektion, Photophobie
- hypotone Blutdruckkrisen
- Unruhe
- neurologische Symptome: Muskelfaszikulationen, Druckempfindlichkeit peripherer Nerven
- Bronchitis
- Splenomegalie
- Pediculosis
- systemische Vaskulitis
Nicht selten kommt es zu Verwirrtheit und Koma. In schweren Fällen sind Hautnekrosen und interstitielle Pneumonien möglich. Unbehandelt entwickelt sich eine Niereninsuffizienz und 7-40 % der Patienten versterben.
Die Erkrankung kann Jahre später rezidivieren, da sich der Keim latent im Knochenmark ansiedelt (Brill-Zinsser-Krankheit). In diesem Falle sind die Symptome allerdings deutlich milder.
Diagnose
Im Labor ist eine Leukopenie und Eosinophilie erkennbar. Die Erregeridentifizierung wird mit indirekter Immunfluoreszenz oder einem Agglutinationstest (Weil-Felix-Reaktion) durchgeführt.
Differentialdiagnosen
- andere Rickettsiosen (z.B. murines Fleckfieber, Rocky-Mountain-Fleckfieber)
- Typhus abdominalis
- Paratyphus
- Tularämie
Therapie
Die Behandlung des epidemischen Fleckfieber erfolgt mit Doxycyclin (2 x 100 mg/d p.o.). Bei komatösen oder sich erbrechenden Patienten ist eine intravenöse Applikation notwendig. In der Regel wird die Therapie über 3-5 Tage nach Entfieberung fortgesetzt. In der Schwangerschaft kann auch Chloramphenicol eingesetzt weden.
In schweren Fällen sind intensivmedizinische Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung (z.B. Volumentherapie oder Hämodialyse) notwendig.
Des Weiteren sollte eine externe Therapie des Läusebefalls erfolgen.
Prävention
Die wichtigste präventive Maßnahme ist die Bekämpfung der Kleiderlaus (z.B. durch regelmäßiges Wechseln und Waschen der Kleidung und Einsatz von Insektiziden).
Meldepflicht
In Deutschland besteht bei direktem oder indirektem Erregernachweis in Verbindung mit einer akuten Infektion eine Meldepflicht (§7 IfSG).
Bioterrorismus
Rickettsien sind potenzielle Agenzien für bioterroristische Zwecke. Infektionen mit R. prowazekii haben eine hohe Letalität, verursachen schwer diagnostizierbare Krankheitsbilder und sind hochinfektiös, wenn sie als Aerosole eingeatmet werden. Zudem existieren im Labor gezüchtete Tetracyclin- und Chloramphenicol-resistente Stämme.
Literatur
- Andermann T, Suttorp N. Epidemisches Fleckfieber. In: Suttorp N et al., Harrisons Innere Medizin. 20. Aufl. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2020