Urolithiasis (Hund)
Synonyme: Harnsteinleiden, Harnsteine (umgangssprachlich)
Englisch: urolithiasis
Definition
Als Urolithiasis bezeichnet man das Vorkommen von Harnsteinen (Urolithen) in den harnbildenden und/oder harnableitenden Organen beim Hund.
Erkrankungen
Anhand der Lokalisation der Harnsteine können folgende Krankheitsbilder unterschieden werden:
- Nephrolithiasis: Harnstein(e) innerhalb der Niere
- Ureterolithiasis: Harnstein(e) innerhalb der Ureteren (Harnleiter)
- Zystolithiasis: Harnstein(e) innerhalb der Harnblase
- Urethralithiasis: Harnstein(e) innerhalb der Urethra (Harnröhre)
Vorkommen
Die große Mehrheit an Urolithen werden in der Harnblase oder in der Harnröhre gefunden. Am häufigsten kommen Struvit- und Kalziumoxalatsteine vor.
Struvitsteine betreffen bevorzugt Hündinnen, da sie häufiger an Harnwegsinfektionen leiden als Rüden. Männchen hingegen leiden vermehrt an obstruktiven Harnsteinen, da ihre Harnröhren länger und deutlich enger sind. Die Erkrankung tritt bei Hunden jeder Altersgruppe auf, jedoch werden sie vermehrt bei Hunden mittleren Alters beobachtet.
Harnsteine
Harnsteine können aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung voneinander unterschieden werden. Beim Hund kommen in absteigender Reihenfolge folgende Harnsteinarten vor:
- Struvitsteine (Magnesium-Ammonium-Phosphat
- Calciumoxalatsteine (Calciumsalz der Oxalsäure)
- Uratsteine (Salze der Harnsäure)
- Silikatsteine (Salze der Kieselsäure)
- Zystinsteine (bestehen aus Cystein)
- Harnsteine gemischter Zusammensetzung
Ätiologie
Urolithiasis ist eine multifaktorielle Erkrankung, die durch das Zusammenspiel verschiedener Einflüsse entsteht. Neben Infektionskrankheiten des Harntrakts begünstigen auch Entgleisungen des Mineralstoff- und Hormonhaushalts sowie die Zusammensetzung der Ernährung die Bildung von Urolithen.
Pathogenese
Unabhängig von den Auslösern kommt es bei der Erkrankung initial zu einer Übersättigung des Harns mit Kristallen, die letztendlich akkumulieren und auch ausgeschieden werden (Kristallurie). Übersteigt die Kristallbildung die Ausscheidungsrate oder kommt es aus unterschiedlichen Gründen zu einem verminderten Harnabsatz, können die im Harn befindlichen Partikel Aggregate bilden und letztendlich Harnsteine formen.
Struvitsteine
Ein wichtige Rolle in der Entstehung von Harnsteinen scheinen Harnwegsinfektionen mit Urease-bildenden Bakterien zu spielen. Da diese Bakterien Harnstoff zu Ammoniak und Kohlendioxid spalten, entstehen während der Hydrolyse des Ammoniaks Ammonium- und Hydroxidionen. Diese Zwischenprodukte alkalisieren den Urin, weshalb die Löslichkeit für Struvit verringert wird. Gleichzeitig erhöht eine bakteriell bedingte Zystitis die Menge an organischem Debris, der wiederum als Nidus für eine Kristallbildung dienen kann und letztendlich Struvitsteine enstehen lässt.
Calciumoxalatsteine
Calciumoxalatsteinen treten am häufigsten bei Hunden mit vorübergehender postprandialer Hyperkalzämie und Hyperkalzurie auf. Der Großteil dieser Tiere leidet an verminderten Parathormonkonzentrationen im Serum. Veränderte Calciumkonzentrationen können auch bei Hunden beobachtet werden, die unter einer gestörten tubulären Calcium-Resorption, primärem Hyperparathyreoidismus, Lymphomen, Vitamin D-Intoxikationen, verringerter Citratkonzentrationen im Urin oder vermehrter Oxalatzufuhr über die Ernährung leiden.
Ein saurer Harn fördert zusätzlich die Entstehung von Calciumoxalatsteinen. Hunde, die Dosenfutter mit hohen Kohlenhydratanteilen fressen, scheinen daher ein erhöhtes Risiko zu haben, Calciumoxalatsteine auszubilden.
Uratsteine
Uratsteine setzen sich aus den schwer löslichen Salzen der Harnsäure zusammen, die vorwiegend durch einen metabolischen Abbau von endogenen Purin-Ribonukleotiden und Nukleinsäuren aus der Nahrung entstehen. Aufgrund eines Gendefekts leiden Dalmatiner verstärkt unter einem mangelhaften Transport von Harnsäure in der Leber, was wiederum zu einer verringerten Produktion von Allantoin und einer erhöhten Ausscheidung von Harnsäure im Urin bedingt. Da diese Hunderasse zusätzlich an einer verminderten proximalen tubulären Resorption und distalen tubulären Sekretion von Harnsäure leidet, treten Uratsteine bei Dalmatinern besonders häufig auf.
Hunde mit Leberinsuffizienzen (z.B. aufgrund eines kongenitalen portosystemischen Shunts) können aufgrund einer erhöhten renalen Ausscheidung von Ammoniumurat ebenfalls Harnsteine aus den Salzen der Harnsäure bilden.
Silikatsteine
Silikatsteine weisen oft eine stachapfelförmige Gestalt auf und entstehen vermutlich im Zusammenhang mit einer erhöhten oralen Aufnahme von Silikaten, Kieselsäure oder Magnesiumsilikat. Neben männlichen Deutschen Schäferhunden besitzen auch Englische Schäferhunde (Bobtails) ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Silikatsteinen.
Zystinsteine
Zystinsteine kommen aufgrund einer erblichen Störung des renalen tubulären Transports vor. Sie werden vermehrt in saurem Harn gebildet.
Klinik
Die Symptome einer Urolithiasis können vielfältig sein. Sie hängen einerseits von der Lokalisation und von der Art der Steine, andererseits von der zugrundeliegenden Erkrankung ab.
Bei einer Harnwegsinfektion leiden die Tiere vermehrt an Hämaturie, Pollakisurie und Strangurie. Die Harnsteine sind vielfach in der Harnblase oder in der Harnröhre anzutreffen. Bei kleinen Harnsteinen, die sich in der Urethra von Rüden festsetzen, entwickelt sich häufig eine partielle oder gar vollständige Harnwegsobstruktion. Infolge dessen kommt es zu einer Erweiterung der Harnblase, einen druckdolenten Abdomen, Strangurie, paradoxer Inkontinenz und/oder Zeichen einer postrenalen Azotämie (Erbrechen, Depression). Gelegentlich tritt als Komplikation eine Harnblasenruptur auf, die ein Uroperitoneum nach sich zieht.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen sind v.a. Harnwegsinfektionen sowie Neoplasien und granulomatöse Entzündungen des Harntrakts auszuschließen.
Diagnose
Anhand der Anamnese und der klinischen Untersuchung kann bereits eine Verdachtsdiagnose gestellt werden.
Die definitive Diagnose wird mittels bildgebender Verfahren (z.B. Röntgenuntersuchung, Ultraschall) gestellt. Als Goldstandard gilt eine Doppelkontrast-Zystographie bzw. -urethrograpie, da sie die sensitivste Methode ist, um Harnsteine zu erkennen. Parallel dazu ist der Harn sowohl mikroskopisch als auch bakteriologisch zu untersuchen und ein Blutbild inkl. Serologie und Elektrolytstatus anzufertigen.
Therapie
Die Therapie hängt einerseits von der Lokalisation und Art der Harnsteine, andererseits vom Schweregrad der Symptome und dem radiologischen Befund ab. Grundsätzlich ist aber zwischen einer konservativen und einer chirurgischen Behandlung zu unterscheiden.
Indikationen für eine chirurgische Intervention bestehen dann, wenn
- prädisponierende anatomische Veränderungen des Harntrakts vorliegen (z.B. Urachusdivertikel),
- eine medikamentöse Auflösung nicht möglich ist,
- weiterführende Untersuchungen (z.B. Bakterienkultur) der Harnblasenschleimhaut gewünscht sind oder
- die Harnsteine so groß sind, dass sie bei einer Urohydropropulsion eine Obstruktion der Urethra hervorrufen würden.
Eine medikamentöse Auflösung der Harnsteine hingegen sollte nur bei Struvit-, Urat- oder Zystinsteine versucht werden.
Steinart | Behandlungsoption | Prophylaxe |
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Struvit | ||
Kalziumoxalat |
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Urat |
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Silikat |
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Zystin |
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Prognose
Die Rezidivrate liegt zwischen 12 und 25 %. Zystin- und Uratsteine neigen eher zu Rezidiven als Phosphatsteine. Um eine erneute Erkrankung zu vermeiden, sind unbedingt präventive Maßnahmen wie ein streng eingehaltener Diätplan und die Vermeidung von Harnwegsinfektionen einzuhalten.
Literatur
- Fossum TW. 2007. Chirurgie der Kleintiere. 2. Auflage. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag. ISBN: 978-3-437-57091-9
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