Paraneoplastisches Syndrom
von griechisch: para - neben; neo - neu; plastein - bilden
Synonym: Paraneoplasie
Englisch: paraneoplastic syndrome, paraneoplastic phenomenon, paraneoplasia
Definition
Als paraneoplastisches Syndrom bezeichnet man bestimmte Symptom- und Befundkonstellationen, die im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung auftreten, aber keine unmittelbare Folge des lokalen Tumorwachstums oder der Metastasenbildung sind. In einigen Fällen kann ein paraneoplastisches Syndrom auch die Erstmanifestation einer Tumorerkrankung darstellen.
Pathogenese
Die Pathogenese der meisten paraneoplastischen Syndrome ist derzeit (2022) unklar. Meist entstehen die Symptome sekundär durch Substanzen, die vom Tumor sezerniert werden oder als Folge einer Antikörperbildung gegen Tumorzellen, die mit anderem Gewebe kreuzreagieren.
Am häufigsten finden sich paraneoplastische Syndrome bei:
Symptome
Allgemeinsymptome
Zu den paraneoplastischen Allgemeinsymptomen zählen:
Kutane Symptome
- Juckreiz: häufigstes kutanes Symptom, z.T. Folge einer Hypereosinophilie
- Flush-Symptomatik: häufig durch vom Tumor gebildete vasoaktive Substanzen (z.B. Prostaglandine)
- Herpes zoster: Reaktivierung bei tumorinduzierter Immunschwäche
- multiple seborrhoische Keratosen (Leser-Trélat-Syndrom)
- Acanthosis nigricans maligna: z.B. bei Adenokarzinomen des Magens
- Bowen-Krankheit: z.B. bei Lungentumoren oder urogenitalen Tumoren
- Erythema necroticans migrans: z.B. bei Glukagonom, Lungenkarzinom
- Erythema gyratum repens
- Hypertrichosis lanuginosa acquisita (Herzberg-Potjan-Gebauer-Syndrom)
- Paraneoplastische Akrokeratose: bei Plattenepithelkarzinomen des oberen Gastrointestinaltrakts bzw. der oberen Atemwege
Endokrine Symptome
- Cushing-Syndrom: durch ektope Produktion von ACTH oder ACTH-ähnlichen Molekülen, v.a. bei kleinzelligem Bronchialkarzinom (SCLC)
- Hypoglykämie: Produktion von IGF oder Insulin z.B. durch Insulinom
- Hyperglykämie: Synthese von Glukagon durch Glukagonom
- Hypertonie: Sekretion von Adrenalin oder Noradrenalin (Phäochromozytom) oder bei Cushing-Syndrom
- Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes, z.B. Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)
- Hyperkalzämie durch PTHrP-Produktion
- Hypokalzämie durch Calcitonin-Produktion (medulläres Schilddrüsenkarzinom, SCLC, Mammakarzinom)
- Nicht-Inselzell-Tumor-Hypoglykämie (NICTH)
Gastrointestinale Symptome
- Diarrhö durch Sekretion von Prostaglandinen oder VIP z.B. bei Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom) oder VIPom (Verner-Morrison-Syndrom)
- Diarrhö durch Sekretion von Serotonin-Metaboliten bei neuroendokrinen Tumoren (Karzinoidsyndrom mit Diarrhö, Flush, Bronchospasmus)
- Stauffer-Syndrom
Hämatologische Symptome
- Pure-Red-Cell-Aplasia
- Anämie bei chronischer Erkrankung (ACD) bzw. Tumoranämie
- Coombs-positive hämolytische Anämie
- Erythrozytose bei ektoper Produktion von Erythropoetin
- Leukozytose
- Eosinophilie
- Basophilie
- Thrombozytose
- Immunthrombozytopenie
- Disseminierte intravasale Gerinnung
- Trousseau-Syndrom (Thrombophlebitis migrans)
- Hemmkörperhämophilie
- monoklonale Gammopathie
Neurologische Symptome
- periphere Neuropathie bzw. distale sensomotorische Polyneuropathie
- subakute sensorische Neuropathie
- subakute motorische Neuropathie: Degeneration der Vorderhornzellen miit schmerzlosen Paresen der oberen und unteren Extremitäten.
- subakute nekrotisierende Myelopathie: rasch progredienter sensorischer und motorischer Verlust bis hin zur Paraplegie
- paraneoplastische zerebelläre Degeneration
- paraneoplastische Enzephalomyelitis: incl. limbische Enzepalitis
- Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom: Enzephalitis des Hirnstamms, z.B.bei Neuroblastom
- Lambert-Eaton-Syndrom
- Myasthenia gravis
- Stiff-Person-Syndrom
Neurologische Paraneoplasien sind häufig mit Autoantikörpern assoziiert, z.B. Anti-Hu- (Anti-Hu-Syndrom) oder Anti-Yo-Antikörpern (Anti-Yo-Syndrom) sowie Autoantikörpern gegen NMDA-Rezeptoren oder VGKCs.[1]
Weitere Symptome
- membranöse Glomerulonephritis
- paraneoplastische Arthritis
- Polymyalgia rheumatica
- systemische Sklerose
- Dermatomyositis, Polymyositis
- hypertrophe Osteoarthropathie (Marie-Bamberger-Syndrom)
- sekundäre Amyloidosen
Therapie
Paraneoplastische Syndrome werden durch Behandlung des zugrundeliegenden Tumorleidens therapiert, also meist durch chirurgische Interventionen, Chemotherapie und Bestrahlung. Zusätzlich können jedoch symptomatische Maßnahmen notwendig sein, vor allem, wenn das paraneoplastische Syndrom lebensgefährliche Stoffwechselentgleisungen hervorruft.
Quellen
- ↑ DGN, Leitlinie paraneoplastische neurologische Syndrome, Stand 2015, abgerufen am 16.04.2020
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