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Polyglobulie

(Weitergeleitet von Erythrozytose)

von altgriechisch: πολύ ("poly") - viel und lateinisch: globulus - Kügelchen
Synonyme: Polyzythämie, Erythrozytose
Englisch: hyperglobulia, hyperglobulism, erythrocyth(a)emia, polycyth(a)emia

1. Definition

Eine Polyglobulie ist eine Erhöhung der Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) über den physiologischen Normwert. Sie macht sich labordiagnostisch durch einen erhöhten Hämatokrit bemerkbar.

2. Formen

Einer Polyglobulie können verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Dementsprechend unterscheidet man verschiedene Formen:

  • relative Polyglobulie (Pseudopolyglobulie)
  • absolute Polyglobulie
    • primäre Polyglobulie
    • sekundäre Polyglobulie

3. Relative Polyglobulie

Die relative Polyglobulie wird auch Pseudopolyglobulie genannt. Durch hohe Flüssigkeitsverluste nach lang andauerndem Erbrechen oder massiven Diarrhoen ändert sich das Zell-Plasma-Verhältnis. Labordiagnostisch zeigt sich das Bild einer Polyglobulie, das jedoch nur vorgetäuscht ist, da in Wirklichkeit ein Flüssigkeitsmangel und damit eine Dehydratation vorliegt.

Bei Neugeborenen ist häufig ein erhöhter Hämatokrit zu beobachten, der in den meisten Fällen keine klinische Relevanz hat. Sowohl eine hohe Zellzahl als auch eine leichte Dehydratation sind in den ersten Lebenstagen physiologisch. Erst ab einem Hämoglobinwert > 22 mg/dl und einem Hämatokritwert > 65 % handelt es sich bei Neugeborenen um eine absolute Polyglobulie.

4. Absolute Polyglobulie

4.1. Primäre Polyglobulie

Die primäre Polyglobulie entspricht meist dem Krankheitsbild der Polycythaemia vera. Sie entsteht durch die maligne Transformation und klonale Expansion hämatopoetischer Stammzellen der Erythropoese.

Darüber hinaus gibt es seltene, benigne Polyzythämien, die durch Mutationen des Gens für den Erythropoetin-Rezeptor bedingt sind. Dazu zählt die primäre familiäre Polyzythämie (PFP, PFCP).

Weitere mögliche Ursachen einer primären Polyglobulie sind

4.2. Sekundäre Polyglobulie

Die sekundäre Polyglobulie ist meist die Folge einer gesteigerten hormonellen Stimulation der Erythropoese durch

Darüber hinaus kann sie iatrogen durch Infusion von Erythrozytenkonzentraten ausgelöst werden, z.B. im Rahmen der illegalen Infusion von Erythrozytenkonzentraten zur Leistungssteigerung im Wettkampfsport.

4.2.1. Erhöhte Erythropoetin-Spiegel

4.2.1.1. Reaktive bzw. kompensatorische Polyglobulie

Die Erythropoetin-Sekretion kann als physiologische Antwort des Organismus auf einen Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxämie) erhöht sein. In diesem Falle spricht man von einer reaktiven oder kompensatorischen Polyglobulie. Ursachen der Hypoxämie können sein:

Weiterhin kann die Erythropoetin-Sekretion pathologisch erhöht sein, ohne dass eine Hypoxämie vorliegt. Gemäß der infrage kommenden Ursachen werden die daraus resultierenden Polyglobulien weiter unterschieden:

  • nephrogene Polyglobulie
  • paraneoplastische Polyglobulie
4.2.1.2. Nephrogene Polyglobulie

Ursache der nephrogenen Polyglobulie können Raumforderungen innerhalb der Niere durch multiple Zysten (Zystenniere) bzw. Tumoren oder Durchblutungsstörungen der Niere mit isolierter renaler Hypoxämie (Nierenarterienstenose) sein.

4.2.1.3. Paraneoplastische Polyglobulie

Der paraneoplastischen Polyglobulie liegt eine ektope Erythropoetinbildung zu Grunde. Diese ist Ausdruck eines paraneoplastischen Syndroms. Ursächliche Tumore können in der Niere (Nephrom), der Leber, dem Ovar oder der Lunge lokalisiert sein.

4.2.2. Erhöhte Cortisol-Spiegel

Neben Erythropoetin ist auch Cortisol ein Erythropoese-stimulierendes Hormon. Erhöhte Cortisolspiegel als Ausdruck eines Cushing-Syndroms oder eines Morbus Cushing können somit ebenfalls eine Polyglobulie verursachen.

5. Klinik

Die Zunahme der Erythrozyten als größte Blutzellfraktion führt zu einer Hyperviskosität des Blutes mit hämodynamischen Folgen: Das Blut zirkuliert langsamer. Insbesondere innerhalb der Venen kann es zu stasebedingten thromboembolischen Komplikationen kommen. Das Herz reagiert gegen den erhöhten Widerstand durch eine kompensatorische Steigerung von Frequenz und Inotropie. Dennoch kann es auch im arteriellen Bereich zu Durchblutungsstörungen mit entsprechender Symptomatik kommen:

Weitere mögliche Symptome sind Kopfschmerzen und Ohrensausen.

Bei Neugeborenen äußert sich eine Polyglobulie durch folgende Symptome:

Im Rahmen einer neonatalen Polyglobulie kommt es häufiger zu einem Neugeborenenikterus.

6. Diagnostik

Die Diagnostik und Differentialdiagnostik der Polyglobulie erfolgt laborchemisch mittels Bestimmung der bzw. des

relative P. reaktive P. nephrogene, endokrine P.
Plasmavolumen vermindert normal normal
Erythrozytenzahl normal erhöht erhöht
Hämatokrit normal erhöht erhöht
Hämoglobin normal erhöht erhöht
Erythropoetin normal erhöht erhöht/normal
pO2 normal vermindert normal

Bei einer absoluten Polyglobulie erfolgt die weitere diagnostische Abklärung der Grunderkrankung. Dazu zählen unter anderem die Kardiodiagnostik mittels Echokardiographie, der Röntgenthorax, die Sonographie und ggf. MRT der Niere, sowie die Tumorsuche durch bildgebende Verfahren.

7. Therapie

7.1. Relative Polyglobulie

Eine Pseudopolyglobulie wird durch Volumensubstitution ausgeglichen. Bei Hämatokritwerten > 60 % ist eine isovolämische Hämodilutionstherapie mittels Aderlass (300 bis 500 ml) und Substitution durch Plasmaexpander (z.B. Hydroxyethylstärke) oder Elektrolytlösungen notwendig.

Bei Neugeborenen kann analog verfahren werden. Hier wird gewichtsadaptiert ein Aderlass durchgeführt und mit isotonischer Kochsalzlösung substituiert.

7.2. Absolute Polygobulie

Die Therapie der primären Polyglobulie wird im Artikel Polycythaemia vera besprochen. Bei sekundären Polyglobulien muss die Grunderkrankung behandelt werden. Die Hypoxämie kann ggf. mit einer Sauerstoff-Langzeitgabe ausgeglichen werden.

8. Quellen

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