Trousseau-Syndrom
nach Armand Trousseau, französischer Internist (1801-1867)
Synonym: (venöse) Thromboembolie bei Tumorpatienten
Englisch: Trousseau's syndrome
Definition
Als Trousseau-Syndrom bezeichnet man das Auftreten thrombotischer bzw. thromboembolischer Ereignisse im Rahmen einer Tumorerkrankung. Es handelt sich um ein paraneoplastisches Syndrom, das eine häufige Todesursache von Tumorpatienten ist.
Terminologie
Im engeren Sinn bezeichnet das Trousseau-Syndrom eine rezidivierende, wandernde Thrombophlebitis, die v.a. im Rahmen einer Tumorerkrankung auftritt. Häufig wird unter dem Begriff jedoch allgemein das paraneoplastische Auftreten von Thromboembolien zusammengefasst.
Geschichte
Der Zusammenhang von Hyperkoagulabilität und Krebserkrankungen wurde erstmals 1869 durch Armand Trousseau beschrieben[1], der wenig später selbst an Magenkrebs erkrankte und ein Trousseau-Syndrom entwickelte.[2][3]
Epidemiologie
Aufgrund des breiten Spektrums an Tumorentitäten und thrombotischen Ereignissen gibt es keine genauen epidemiologischen Angaben. Es wird geschätzt, dass 4 bis 20 % der Tumorpatienten eine venöse Thromboembolie entwickeln (tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie). Das Risiko für thrombotische Ereignisse bei Tumorpatienten ist schätzungsweise etwa 4 bis 7 Mal höher als bei Gesunden. Etwa 20 % der symptomatischen TVT liegt ein Tumorleiden zugrunde.[4]
Ätiologie
Zahlreiche Tumoren gehen mit einem erhöhten Thromboserisiko einher. In einer dänischen Registerstudie wurden die folgenden Tumoren als häufigste Auslöser einer TVT beschrieben:[5]
- Lungenkarzinom (17 %)
- Pankreaskarzinom (10 %)
- Kolorektales Karzinom (8 %)
- Nierentumoren (8 %)
- Prostatakarzinom (7 %)
- Magenkarzinom (5 %)
Pathogenese
Die Genese des Trousseau-Syndroms ist unvollständig geklärt. Wahrscheinlich liegen mehrere Mechanismen zugrunde. Diskutiert werden:[2]
- Freisetzung von Tissue Factor (TF) durch den Tumor oder Kontakt von TF auf der Tumoroberfläche zum Blutstrom
- Freisetzung einer Cystein-Proteinase durch das Tumorgewebe, die eine direkte Aktivierung von Faktor X triggert
- Abgabe von gerinnungsaktivierenden Muzinen durch das Tumorgewebe
- Induktion von Plasminogen-Aktivator-Inhibitor Typ 1 und COX-2 (wirkt via Thromboxan proaggregatorisch) durch das MET-Onkogen
Symptome
Verschiedene thrombotische oder thromboembolische Ereignisse treten gehäuft bei o.g. Tumorerkrankungen auf:[2][4]
- tiefe Beinvenenthrombose (häufigste Manifestation)
- Lungenarterienembolie
- chronische DIC mit assoziierter Mikroangiopathie, nicht-bakterieller thrombotischer Endokarditis und arteriellen Embolien
- arterielle Thrombosen, z.B. akuter Extremitätenarterienverschluss oder Hirninfarkte
- Thrombophlebitiden
Therapie
Die Therapieprinzipien von venösen thromboembolischen Ereignissen bei Tumorpatienten unterscheiden sich nicht von denen bei anderen Patienten. Es muss jedoch beachtet werden, dass das Blutungsrisiko unter Antikoagulation, z.B. mit niedermolekularem Heparin (NMH) oder Vitamin-K-Antagonisten bei Tumorpatienten erhöht ist.
NMH ist bei Tumorpatienten der Therapie mit unfraktioniertem Heparin überlegen. Faktor-Xa-Inhibitoren sind ebenso wirksam und sicher.[6]
Prävention
Eine medikamentöse Primärprophylaxe wird nicht durchgehend empfohlen. Sie kann das Auftreten von paraneoplastischen Thromboembolien verhindern, jedoch muss dabei eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung, insbesondere in Hinblick auf ein erhöhtes Blutungsrisiko, erfolgen. Es kommen v.a. niedermolekulares Heparin und Fondaparinux zum Einsatz.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Trousseau, Clinique Médicale de L’hôtel-dieu de Paris, Tome 5, New Sydenham Society, 1869. S. 287ff.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Varki, Trousseau's syndrome: multiple definitions and multiple mechanisms. Blood, 2007.
- ↑ Metharom, Falasca, Berndt, The History of Armand Trousseau and Cancer-Associated Thrombosis. Cancers (Basel), 2019.
- ↑ 4,0 4,1 Ikushima et al., Trousseau’s syndrome: cancer-associated thrombosis. Japanese Journal of Clinical Oncology, 2016.
- ↑ Sørensen et al., Prognosis of Cancers Associated with Venous Thromboembolism. New England Journal of Medicine, 2000. Die Häufigkeit verschiedener Tumoren finden Sie in Tabelle 1.
- ↑ 6,0 6,1 onkopedia – Thromboembolien bei Tumorpatienten, abgerufen am 08.08.2024
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