Innervation des Herzens
Synonym: kardiale Innervation
Definition
Die Innervation des Herzens umfasst viszeroafferente und viszeroefferente Nerven, welche die Herzfunktion steuern.
Überblick
Durch eine Vielzahl an physiologischen Mechanismen ist der Körper in der Lage, die Herzfunktion an situative Erfordernisse anzupassen. Dabei können verschiedene Parameter verändert werden:
- Schlagfrequenz (Chronotropie)
- Kraftentfaltung (Inotropie)
- Erregungsleitung (Dromotropie)
- Erregbarkeit bzw. Refraktärzeit der Herzmuskulatur (Bathmotropie)
- Relaxationsfähigkeit (Lusitropie)
Während der Sympathikus positiv chronotrop, inotrop, dromotrop und bathmotrop wirkt, löst der Parasympthikus überwiegend umgekehrte Effekte aus (negativ chronotrop, dromotrop, bathmotrop). Auf die Inotropie hat der Parasympathikus nur auf Vorhofebene einen geringen Einfluss.
Die Innervation des Herzens erfolgt über:
- Nervus vagus: viszeroefferente präganglionäre parasympathische Fasern und viszeroafferente Fasern
- Sympathikus (T1 bis T4): postganglionäre viszeroefferente Fasern aus zervikalen und thorakalen Spinalganglien und zusätzlich viszeroafferente Fasern
- Nervus phrenicus (Ramus pericardiacus): enthält überwiegend viszeroafferente Fasern für das Perikard und einige Afferenzen für die Vorhöfe.
Außerdem bilden die Herznerven den Plexus cardiacus, welcher mit subepikardialen Ganglien in Verbindung steht. Dabei handelt es sich überwiegend um postganglionäre, parasympathische Neurone sowie Interneurone.
Innervation des Erregungsleitungssystems
Das Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem des Herzens wird von sympathischen und parasympathischen Fasern versorgt. Die höchste Innervationsdichte befindet sich dabei im Sinusknoten und nimmt nach distal hin ab.
Während in der Kindheit die sympathische Innervation dominiert, ist der sympathische und parasympathische Einfluss beim Erwachsenen in etwa ausgeglichen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Innervationsdichte des Herzens generell ab.
Sympathikus
Präganglionäre sympathische Fasern aus den Rückenmarkssegmenten T1 bis T4 (Nucleus intermediolateralis) verlaufen nach Umschaltung über Rami interganglionares aufwärts in den Halsgrenzstrang.
In der Regel entspringen dann beidseits drei große postganglionäre Äste:
- Nervus cardiacus cervicalis superior: Er entspringt aus dem Ganglion cervicale superius, gelangt dorsal von der Arteria carotis communis nach kaudal, und enthält vor allem viszeroafferente Fasern aus den Halssegmenten (C3 bis C5), aber auch präganglionäre parasympathische Fasern aus Anastomosen mit dem Nervus vagus.
- Nervus cardiacus cervicalis medius: Er entspringt dem Ganglion cervicale medium und verläuft meist dorsal der Vagina carotica nach kaudal. Er verbindet sich mit dem Nervus cardiacus cervicalis superior.
- Nervus cardiacus cervicalis inferior: Er geht aus dem Ganglion cervicale inferius und Ganglion stellatum hervor.
Die Fasern projizieren auf Sinusknoten, AV-Knoten, Purkinje-Fasern und Myokard der Vorhöfe und Ventrikel, wo sie überwiegend epikardial entlang der Gefäße lokalisiert sind. Dabei verlaufen die Fasern des rechten Sympathikus für den Sinusknoten und den rechten Vorhof zwischen Vena cava superior und Aorta ascendens, während die des linken Sympathikus die linke Arteria pulmonalis überkreuzen. Fasern zum AV-Knoten befinden sich zwischen dem Truncus pulmonalis und der rechten Arteria pulmonalis.
Eine Stimulation des Sympathikus bewirkt eine Ausschüttung von Noradrenalin und Aktivierung von β1-Adrenorezeptoren, die eine positiv chronotrope, inotrope, dromotrope und bathmotrope Wirkung vermitteln. Neben Noradrenalin sezernieren sympathische Nervenenden auch Neuropeptid Y (NPY). Es blockiert lang anhaltend und präsynaptisch die Freisetzung von Acetylcholin aus parasympathischen Nervenendigungen.
Parasympathikus
Ausgehend von Nucleus dorsalis nervi vagi und Nucleus ambiguus verlaufen parasympathische Nervenfasern mit dem rechten und linken Nervus vagus. Kurz unterhalb des Ganglion inferius nervi vagi gibt der Nervenstamm zwei bis drei Äste ab (Rami cardiaci cervicales superiores), die der Vagina carotica folgen. Die meisten Fasern verlaufen dabei zum Plexus cardiacus, einige Fasern jedoch unter anderem zum Plexus thyreoideus.
Weitere Fasern des Nervus vagus zweigen als Rami cardiaci cervicales inferiores ab. Rami cardiaci thoracici entspringen dem linken Nervus recurrens und dem Nervus vagus oberhalb des Lungenhilus.
Nach Umschaltung in den Ganglia cardiaca verlaufen die postganglionären Fasern zunächst epikardial, um sich dann dann unterhalb der AV-Klappenebene bis zur Herzspitze subendokardial zu erstrecken.
Der Sinusnoten wird von beiden Nervi vagi über Ganglien im Gebiet der Pulmonalvenen versorgt, aber überwiegend vom linken Nervus vagus beeinflusst. Der AV-Knoten erhält hauptsächlich Fasern von Ganglien zwischen Vena cava inferior und dem Unterrand des linken Vorhofs.
Die Freisetzung von Acetylcholin und Stimulation von M2-Acetylcholinrezeptoren führt im Sinusknoten zur Öffnung von Kaliumkanälen und somit zur Hyperpolarisation der P-Zellen. Dadurch besitzen diese Schrittmacherzellen ein erniedrigtes Membranpotenzial, sodass eine Abnahme der Herzfrequenz die Folge ist (negativ chronotroper Effekt). Im AV-Knoten vermindert die Vagusstimulation die Anstiegssteilheit des Aktionspotenzials (negativ dromotroper Effekt), im Ventrikelmyokard verlängert sich die Refraktärzeit (negativ bathmotroper Effekt).
Plexus cardiacus
Die kardialen Nerven des Sympathikus und Parasympathikus verzweigen sich oberhalb des Aortenbogens, und bilden zahlreiche Anastomosen, die den Plexus cardiacus formen. In diesen sind die Ganglia cardiaca eingelagert.
Man kann eine Pars superficialis bzw. anterior ventral auf der Aorta von einer Pars profunda bzw. posterior unterscheiden, welche im Bereich des Sinus transversus pericardii liegt. Erstere wird überwiegend von Fasern der linken Herznerven gebildet, während der posteriore Plexus Fasern von beiden Seiten erhält. Im Verlauf begleiten die Herzäste als Plexus coronarius dexter und sinister die Koronararterien oder bilden den Plexus atrialis posterior an der Rückwand beider Vorhöfe.
Herzganglien
Das Herz besitzt über 500 kleine Ganglien im epikardialen Fettgewebe, insbesondere auf der Rückseite der Vorhöfe. Weiterhin befinden sich ventrikuläre Ganglien um die Aortenwurzel und im rechten und linken Sulcus coronarius. Es handelt sich überwiegend um multipolare, parasympathische Neurone, wobei auch unipolare und bipolare Interneurone vorkommen.
Sensorische Innervation
Pseudounipolare Neurone liegen insbesondere im Ganglion inferius nervi vagi und in den Spinalganglien und enden im Nucleus solitarius der Medulla oblongata sowie im Zervikal- und Thorakalmark. Das Herz wird insbesondere über Anastomosen mit Fasern des Sympathikus erreicht.
Die Viszeroafferenzen des Nervus vagus stammen hauptsächlich von Pressorezeptoren in Vorhöfen, Ventrikeln, Truncus pulmonalis und Aorta, innervieren jedoch auch Chemorezeptoren in den Glomera von Aortenbogen, Truncus pulmonalis und Koronararterien.
Weiterhin existieren nozizeptive Fasern, die hauptsächlich in die linke Rückenmarkseite projizieren, teilweise auch über den Nervus vagus den Solitariuskomplex und den Trigeminusbereich erreichen. Dies erklärt die Head-Zone im Bereich der linken Schulter und des linken Arms z.B. beim Herzinfarkt. Schmerzen im Kiefer- und Zahnbereich erklären sich über Trigeminusprojektionen.
Neuropeptide
Neben dem bereits erwähnten NPY existieren eine Vielzahl an Neuropeptiden, die modulierend auf die Herzfunktion einwirken, z.B. VIP, CGRP, Substanz P, Endotheline, ANP und Angiotensin II. Letzteres spielt außerdem wichtige Rolle beim myokardialen Remodeling.
Literatur
- Benninghoff, Drenckhahn: Anatomie Band 2, 16. Auflage 2004, Elsevier: Urban & Fischer