Nierenzellkarzinom: Unterschied zwischen den Versionen

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==Differentialdiagnose==
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Differentialdiagnostisch kommen in Betracht:
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*[[papilläres Adenom]]
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==Therapie==
==Therapie==
Die [[operativ]]e Entfernung des Tumors ist die Therapie der ersten Wahl.
Je nach Stadium kommen verschiedene Behandlungen in Frage. Die [[Operation]] ist die einzige kurative Option.  
Wenn möglich, sollte der Tumor parenchymsparend entfernt werden. Neuere Studien konnten zeigen, dass die [[Nierenteilresektion]] und die [[Tumornephrektomie]] hinsichtlich ihres onkologischen Ergebnisses gleichwertig sind. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist nicht die Tumorgröße, sondern die Tumorlokalisation. Standardzugänge sind der [[transperitoneal]]e, [[lumbal]]e und [[thorakoabdominal]]e Zugang. Die regionären Lymphknoten werden mitreseziert. Da das venöse Gefäßsystem oftmals durch Tumorthromben verlegt ist, muss gegebenenfalls eine [[Thrombektomie]] durchgeführt werden.  


Bei fortgeschrittener Erkrankung mit Fernmetastasen wird in der Regel ein [[palliativ]]es Therapiekonzept verfolgt. Im Vordergrund steht dabei eine adäquate [[Schmerztherapie]]. Bei [[Knochenmetastase]]n kommen [[Bisphosphonat]]e oder [[RANKL-Inhibitor]]en (z.B. [[Denosumab]]) zum Einsatz. Die Indikation zur Tumornephrektomie wird nur gestellt, wenn der Tumor lokale Schmerzen und Blutungen verursacht. Eine symptomatische, [[adjuvant]]e [[Strahlentherapie]] von [[ossär]]en und [[zerebral]]en Metastasen kann angeschlossen werden. 
=== Lokal begrenzte Stadien ===


Das Nierenzellkarzinom reagiert in der Regel nicht sensibel auf eine [[Chemotherapie]]. Eine Verlängerung der [[Überlebenszeit]] kann ggf. durch eine Behandlung mit [[Interferon]] und/oder dem [[mTOR-Hemmer]] [[Temsirolimus]] erzielt werden. Auch [[Tyrosinkinaseinhibitor]]en wie [[Sunitinib]] können bei metastasierten Tumoren eine Option sein.
==== Operation ====
Therapie der Wahl beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom ist die [[Nephrektomie]]. Die offene, [[radikale Nephrektomie]] mit Resektion der [[Gerota-Faszie]], der [[Ipsilateral|ipsilateralen]] [[Nebenniere]] und der regionalen Lymphknoten war der frühere Goldstandard. Die partielle Nephrektomie mit dem Ziel der Erhaltung funktionsfähigen Nierengewebes ist indiziert bei anatomischer oder funktioneller Einzelniere, erhöhtem Risiko für eine Niereninsuffizienz aus anderer Ursache, hereditären Nierenzellkarzinom-Syndromen und einem T1-Stadium. Sowohl die radikale als auch die partielle Nephrektomie können offen oder [[Minimal invasive Chirurgie|minimal-invasiv]] ([[retroperitoneoskopisch]], [[laparoskopisch]], [[Roboterassistierte Chirurgie|Roboter-assistiert]]) durchgeführt werden.
 
Die [[Adrenalektomie]] ist nur notwendig bei bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Tumorinfiltration oder Metastasen. Die [[Lymphadenektomie|Lymphknotenresektion]] wird nur empfohlen bei Patienten mit bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Infiltration.
 
==== Embolisation ====
Eine [[Tumorembolisation]] wird in folgenden Situationen eingesetzt:
 
* als alleinige palliative Maßnahme bei persistierender Makrohämaturie, wenn weder Operation noch Systemtherapie aufgrund des schlechten Allgemeinzustands möglich ist
* in Einzelfällen vor chirurgischer Resektion lokal fortgeschrittener Tumore
* bei der Resektion von Knochenmetastasen.
 
==== Minimal invasive, ablative Maßnahmen ====
Ein Einzelfällen kommen interventionell-radiologische Verfahren wie die [[Kryotherapie]] und die [[Radiofrequenzablation]] zum Einsatz. Dabei lassen sich Tumorkontrollraten von bis zu 85 % nach einem Jahr erzielen. Jedoch fehlen Langzeitstudien. Voraussetzung ist die vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Relative Kontraindikationen sind Lebenserwartung < 1 Jahr, multiple Metastasen, geringe Aussicht auf Erfolg, hilusnahe Tumore, Tumore > 5 cm, Tumore in unmittelbarer Nähe des Hohlsystems oder des proximalen Ureters.
 
==== Adjuvante Therapien ====
Eine adjuvante Therapie mit [[Pembrolizumab]] kommt bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko in Frage.
 
=== Lokal-fortgeschrittene Stadien ===
Bei Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Karzinomen kommt in Rahmen von Studien eine primäre ([[Neoadjuvante Chemotherapie|neoadjuvante]]) Systemtherapie mit anschließender Operation in Frage.
 
=== Metastasierte Stadien ===
Im palliativen Setting steht die medikamentöse Tumortherapie im Vordergrund. Ergänzende Maßnahmen sind die [[zytoreduktive Nephrektomie]] sowie symptomorientiert weitere lokale Therapieverfahren wie [[Bestrahlung]] ossärer Metastasen oder stereotaktische Bestrahlung.
 
Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte bei Patienten mit niedrigem oder mit intermediärem Risiko gemäß [[IMDC-Risikoscore]] und ohne klinische Symptomatik die Möglichkeit eines abwartenden Vorgehens ([[Active Surveillance]]) geprüft werden, insbesondere bei fehlender Progression in den dreimonatigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen. Die medikamentöse [[Erstlinientherapie]] des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten 2 Jahren grundlegend geändert. Dabei muss beachtet werden, dass in den meisten Studien nur klarzellige Nierenzellkarzinome bzw. Nierenzellkarzinome mit klarzelliger Komponente einschlossen wurden. Für die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen (nccRCC) ist die Evidenz deutlich geringer ist. Häufig eingesetzt werden [[Checkpoint-Inhibitor|Checkpointinhibitoren]] (CPI) und/oder [[Tyrosinkinaseinhibitor|Tyrosinkinaseinhibitoren]]. Standardkombinationen sind:
 
* [[Nivolumab]] + [[Cabozantinib]]
* Pembrolizumab + [[Axitinib]]
* Pembrolizumab + [[Lenvatinib]]
* ggf. [[Avelumab]] + Axtitinib
 
In der Zweitlinien- und Mehrlinientherapie bei fehlendem Ansprechen, Rezidiv, Progress oder Nebenwirkungen kommen individuell auch weitere Medikamente wie [[Everolimus]] zum Einsatz.  


==Prognose==
==Prognose==
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==Quellen==
==Quellen==
* Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4
* Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4
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[[Fachgebiet:Pathologie]]
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Version vom 17. September 2024, 14:06 Uhr

Synonyme: Nierenkarzinom, Adenokarzinom der Niere, Grawitztumor, Hypernephrom (veraltet)
Englisch: renal cell carcinoma, RCC

Definition

Das Nierenzellkarzinom, kurz RCC, ist ein von den Tubuluszellen der Niere ausgehender, maligner Tumor. Etwa 90 % der Nierentumore sind Nierenzellkarzinome.

Epidemiologie

Nierenkarzinome stellen ca. 3 % aller bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter dar. Die Inzidenz beträgt etwa 9 auf 100.000 Einwohner. Männer sind etwa zweimal häufiger betroffen als Frauen. Patienten, die am Hippel-Lindau-Syndrom leiden, erkranken gehäuft an hereditären Nierenkarzinomen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 45. und 75. Lebensjahr.

Pathohistologie

Die Nierenkarzinome sind meist im oberen Nierenpol lokalisiert, daher der alte Name "Hypernephrom". Sie sind in 85 % der Fälle histologisch den epithelialen Tumoren (Adenokarzinomen) zuzuordnen. Die Tumorzellen weisen ein glykogen- und lipidreiches Zytoplasma auf und imponieren deshalb mikroskopisch als Klarzelltumor.

Häufige Formen

Seltenere Formen

Symptomatik

Das Nierenzellkarzinom verursacht in der Regel keine Frühsymptome, da die Tumorzellen, bei zentralem Wachstum im Parenchym, zunächst keinen Anschluss an das Hohlraumsystem der Niere haben. Im Frühstadium wird die Erkrankung oftmals nur zufällig bei der Sonographie der Abdominalorgane erkannt.

Eine plötzliche, ohne erkennbare Ursache einsetzende, schmerzlose Hämaturie ist ein bedrohliches Spätsymptom und mahnt zur sofortigen Abklärung. Weitere, unspezifische Krankheitszeichen sind:

Eine neuaufgetretene Varikozele, die auch bei Lageänderung in die Horizontale bestehen bleibt, weist auf eine venöse Tumorverlegung hin ("symptomatische Varikozele").

Paraneoplastische Syndrome

Bei 5 % der Erkrankten sind paraneoplastische Syndrome nachweisbar:

Besonderheiten

Der Tumor kann in die Vena renalis einbrechen und Tumorthromben bilden.

Diagnostik

Bildgebende Verfahren

Labor

Stadieneinteilung

Die Stadieneinteilung des Nierenzellkarzinoms erfolgt anhand der TNM-Klassifikation und der UICC-Einteilung.

TNM-Stadium Beschreibung
T1 auf die Niere begrenzt, Tumorgröße ≤ 7 cm
T2a > 7 cm, ≤ 10 cm
T2b > 10 cm
T3a Infiltration der Vena renalis oder ins perirenale Gewebe
T3b Invasion der Vena cava unterhalb des Zwerchfells
T3c Invasion der Vena cava oberhalb des Zwerchfells
T4 Infiltration der Gerota-Faszie
N1 1 regionärer Lymphknoten befallen
N2 ≥ 1 regionärer Lymphknoten befallen
M1 Fernmetastasen
UICC-Stadium T N M
I T1 N0 M0
II T2 (T2a, T2b) N0 M0
III T3a bis T3c N0 M0
T1 bis T3 N1 M0
IV T4 N0, N1 M0
alle T alle N M1

Differentialdiagnosen

Therapie

Je nach Stadium kommen verschiedene Behandlungen in Frage. Die Operation ist die einzige kurative Option.

Lokal begrenzte Stadien

Operation

Therapie der Wahl beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom ist die Nephrektomie. Die offene, radikale Nephrektomie mit Resektion der Gerota-Faszie, der ipsilateralen Nebenniere und der regionalen Lymphknoten war der frühere Goldstandard. Die partielle Nephrektomie mit dem Ziel der Erhaltung funktionsfähigen Nierengewebes ist indiziert bei anatomischer oder funktioneller Einzelniere, erhöhtem Risiko für eine Niereninsuffizienz aus anderer Ursache, hereditären Nierenzellkarzinom-Syndromen und einem T1-Stadium. Sowohl die radikale als auch die partielle Nephrektomie können offen oder minimal-invasiv (retroperitoneoskopisch, laparoskopisch, Roboter-assistiert) durchgeführt werden.

Die Adrenalektomie ist nur notwendig bei bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Tumorinfiltration oder Metastasen. Die Lymphknotenresektion wird nur empfohlen bei Patienten mit bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Infiltration.

Embolisation

Eine Tumorembolisation wird in folgenden Situationen eingesetzt:

  • als alleinige palliative Maßnahme bei persistierender Makrohämaturie, wenn weder Operation noch Systemtherapie aufgrund des schlechten Allgemeinzustands möglich ist
  • in Einzelfällen vor chirurgischer Resektion lokal fortgeschrittener Tumore
  • bei der Resektion von Knochenmetastasen.

Minimal invasive, ablative Maßnahmen

Ein Einzelfällen kommen interventionell-radiologische Verfahren wie die Kryotherapie und die Radiofrequenzablation zum Einsatz. Dabei lassen sich Tumorkontrollraten von bis zu 85 % nach einem Jahr erzielen. Jedoch fehlen Langzeitstudien. Voraussetzung ist die vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Relative Kontraindikationen sind Lebenserwartung < 1 Jahr, multiple Metastasen, geringe Aussicht auf Erfolg, hilusnahe Tumore, Tumore > 5 cm, Tumore in unmittelbarer Nähe des Hohlsystems oder des proximalen Ureters.

Adjuvante Therapien

Eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab kommt bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko in Frage.

Lokal-fortgeschrittene Stadien

Bei Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Karzinomen kommt in Rahmen von Studien eine primäre (neoadjuvante) Systemtherapie mit anschließender Operation in Frage.

Metastasierte Stadien

Im palliativen Setting steht die medikamentöse Tumortherapie im Vordergrund. Ergänzende Maßnahmen sind die zytoreduktive Nephrektomie sowie symptomorientiert weitere lokale Therapieverfahren wie Bestrahlung ossärer Metastasen oder stereotaktische Bestrahlung.

Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte bei Patienten mit niedrigem oder mit intermediärem Risiko gemäß IMDC-Risikoscore und ohne klinische Symptomatik die Möglichkeit eines abwartenden Vorgehens (Active Surveillance) geprüft werden, insbesondere bei fehlender Progression in den dreimonatigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen. Die medikamentöse Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten 2 Jahren grundlegend geändert. Dabei muss beachtet werden, dass in den meisten Studien nur klarzellige Nierenzellkarzinome bzw. Nierenzellkarzinome mit klarzelliger Komponente einschlossen wurden. Für die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen (nccRCC) ist die Evidenz deutlich geringer ist. Häufig eingesetzt werden Checkpointinhibitoren (CPI) und/oder Tyrosinkinaseinhibitoren. Standardkombinationen sind:

In der Zweitlinien- und Mehrlinientherapie bei fehlendem Ansprechen, Rezidiv, Progress oder Nebenwirkungen kommen individuell auch weitere Medikamente wie Everolimus zum Einsatz.

Prognose

Die Prognose ist insbesondere abhängig vom Tumorstadium und von den Begleiterkrankungen. Lokal begrenzte Karzinome gehen mit vergleichsweise hohen Überlebensraten einher, bei Vorliegen von Fernmetastasen verringern sich diese jedoch drastisch:

UICC-Stadium 5-Jahres-Überlebensrate
I 98 %
II 89 %
III 73 %
IV 18 %

Podcast

FlexTalk - Interessiert mich, die Bohne: Die Niere
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Bildquelle

  • Bildquelle Podcast: © blackieshoot / Unsplash

Leitlinien

Quellen

  • Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4

Bijan Fink
Peer reviewed am 17.09.2024 von Bijan Fink