Nierenzellkarzinom: Unterschied zwischen den Versionen
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Ein Einzelfällen kommen interventionell-radiologische Verfahren wie die [[Kryotherapie]] und die [[Radiofrequenzablation]] zum Einsatz. Dabei lassen sich Tumorkontrollraten von bis zu 85 % nach einem Jahr erzielen. Jedoch fehlen Langzeitstudien. Voraussetzung ist die vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Relative Kontraindikationen sind Lebenserwartung < 1 Jahr, multiple Metastasen, geringe Aussicht auf Erfolg, hilusnahe Tumore, Tumore > 5 cm, Tumore in unmittelbarer Nähe des Hohlsystems oder des proximalen Ureters. | |||
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Eine adjuvante Therapie mit [[Pembrolizumab]] kommt bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko in Frage. | |||
=== Lokal-fortgeschrittene Stadien === | |||
Bei Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Karzinomen kommt in Rahmen von Studien eine primäre ([[Neoadjuvante Chemotherapie|neoadjuvante]]) Systemtherapie mit anschließender Operation in Frage. | |||
=== Metastasierte Stadien === | |||
Im palliativen Setting steht die medikamentöse Tumortherapie im Vordergrund. Ergänzende Maßnahmen sind die [[zytoreduktive Nephrektomie]] sowie symptomorientiert weitere lokale Therapieverfahren wie [[Bestrahlung]] ossärer Metastasen oder stereotaktische Bestrahlung. | |||
Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte bei Patienten mit niedrigem oder mit intermediärem Risiko gemäß [[IMDC-Risikoscore]] und ohne klinische Symptomatik die Möglichkeit eines abwartenden Vorgehens ([[Active Surveillance]]) geprüft werden, insbesondere bei fehlender Progression in den dreimonatigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen. Die medikamentöse [[Erstlinientherapie]] des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten 2 Jahren grundlegend geändert. Dabei muss beachtet werden, dass in den meisten Studien nur klarzellige Nierenzellkarzinome bzw. Nierenzellkarzinome mit klarzelliger Komponente einschlossen wurden. Für die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen (nccRCC) ist die Evidenz deutlich geringer ist. Häufig eingesetzt werden [[Checkpoint-Inhibitor|Checkpointinhibitoren]] (CPI) und/oder [[Tyrosinkinaseinhibitor|Tyrosinkinaseinhibitoren]]. Standardkombinationen sind: | |||
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* Pembrolizumab + [[Axitinib]] | |||
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* Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4 | * Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4 | ||
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Version vom 17. September 2024, 14:06 Uhr
Synonyme: Nierenkarzinom, Adenokarzinom der Niere, Grawitztumor, Hypernephrom (veraltet)
Englisch: renal cell carcinoma, RCC
Definition
Das Nierenzellkarzinom, kurz RCC, ist ein von den Tubuluszellen der Niere ausgehender, maligner Tumor. Etwa 90 % der Nierentumore sind Nierenzellkarzinome.
Epidemiologie
Nierenkarzinome stellen ca. 3 % aller bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter dar. Die Inzidenz beträgt etwa 9 auf 100.000 Einwohner. Männer sind etwa zweimal häufiger betroffen als Frauen. Patienten, die am Hippel-Lindau-Syndrom leiden, erkranken gehäuft an hereditären Nierenkarzinomen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 45. und 75. Lebensjahr.
Pathohistologie
Die Nierenkarzinome sind meist im oberen Nierenpol lokalisiert, daher der alte Name "Hypernephrom". Sie sind in 85 % der Fälle histologisch den epithelialen Tumoren (Adenokarzinomen) zuzuordnen. Die Tumorzellen weisen ein glykogen- und lipidreiches Zytoplasma auf und imponieren deshalb mikroskopisch als Klarzelltumor.
Häufige Formen
- Klarzelliges Nierenzellkarzinom: Häufigster Typ, der 70 bis 80 % aller Nierenzellkarzinome darstellt, Ursprung ist der proximale Nierentubulus
- Papilläres Nierenzellkarzinom: ca. 10 bis 15 %, Ursprung ist ebenfalls der proximale Nierentubulus
Seltenere Formen
- Chromophobes Nierenzellkarzinom: Ursprung sind Zellen des Sammelrohrs
- Ductus-Bellini-Karzinom: Ursprung ist ebenfalls das Sammelrohr
- Medulläres Nierenzellkarzinom
- Tubulozystisches Nierenzellkarzinom
- Klarzellig-papilläres Nierenzellkarzinom
Symptomatik
Das Nierenzellkarzinom verursacht in der Regel keine Frühsymptome, da die Tumorzellen, bei zentralem Wachstum im Parenchym, zunächst keinen Anschluss an das Hohlraumsystem der Niere haben. Im Frühstadium wird die Erkrankung oftmals nur zufällig bei der Sonographie der Abdominalorgane erkannt.
Eine plötzliche, ohne erkennbare Ursache einsetzende, schmerzlose Hämaturie ist ein bedrohliches Spätsymptom und mahnt zur sofortigen Abklärung. Weitere, unspezifische Krankheitszeichen sind:
Eine neuaufgetretene Varikozele, die auch bei Lageänderung in die Horizontale bestehen bleibt, weist auf eine venöse Tumorverlegung hin ("symptomatische Varikozele").
Paraneoplastische Syndrome
Bei 5 % der Erkrankten sind paraneoplastische Syndrome nachweisbar:
- Stauffer-Syndrom: erhöhte alkalische Phosphatase, Verlängerung der Prothrombinzeit, Dysproteinämie
- Hämatologische Paraneoplasie: Polyglobulie (ca. 1 bis 5 % der Patienen)
- Endokrine Paraneoplasie: Hypertonie durch erhöhte Ausschüttung von Renin, Hypokaliämie durch erhöhte Spiegel an ACTH, Hyperkalzämie durch erhöhte Sekretion von Parathormon
- Neuromuskuläre Paraneoplasie
Besonderheiten
Der Tumor kann in die Vena renalis einbrechen und Tumorthromben bilden.
Diagnostik
Bildgebende Verfahren
- Sonographie
- evtl. Urogramm
- Computertomographie
- Kernspintomographie
- Metastasensuche:
Labor
- Urinstatus
- BSG-Erhöhung
- Blutbildveränderungen (Anämie, Polyzythämie)
- Serumanalyse:
- Immunhistochemie
Stadieneinteilung
Die Stadieneinteilung des Nierenzellkarzinoms erfolgt anhand der TNM-Klassifikation und der UICC-Einteilung.
TNM-Stadium | Beschreibung |
---|---|
T1 | auf die Niere begrenzt, Tumorgröße ≤ 7 cm |
T2a | > 7 cm, ≤ 10 cm |
T2b | > 10 cm |
T3a | Infiltration der Vena renalis oder ins perirenale Gewebe |
T3b | Invasion der Vena cava unterhalb des Zwerchfells |
T3c | Invasion der Vena cava oberhalb des Zwerchfells |
T4 | Infiltration der Gerota-Faszie |
N1 | 1 regionärer Lymphknoten befallen |
N2 | ≥ 1 regionärer Lymphknoten befallen |
M1 | Fernmetastasen |
UICC-Stadium | T | N | M |
---|---|---|---|
I | T1 | N0 | M0 |
II | T2 (T2a, T2b) | N0 | M0 |
III | T3a bis T3c | N0 | M0 |
T1 bis T3 | N1 | M0 | |
IV | T4 | N0, N1 | M0 |
alle T | alle N | M1 |
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch kommen in Betracht:
Therapie
Je nach Stadium kommen verschiedene Behandlungen in Frage. Die Operation ist die einzige kurative Option.
Lokal begrenzte Stadien
Operation
Therapie der Wahl beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom ist die Nephrektomie. Die offene, radikale Nephrektomie mit Resektion der Gerota-Faszie, der ipsilateralen Nebenniere und der regionalen Lymphknoten war der frühere Goldstandard. Die partielle Nephrektomie mit dem Ziel der Erhaltung funktionsfähigen Nierengewebes ist indiziert bei anatomischer oder funktioneller Einzelniere, erhöhtem Risiko für eine Niereninsuffizienz aus anderer Ursache, hereditären Nierenzellkarzinom-Syndromen und einem T1-Stadium. Sowohl die radikale als auch die partielle Nephrektomie können offen oder minimal-invasiv (retroperitoneoskopisch, laparoskopisch, Roboter-assistiert) durchgeführt werden.
Die Adrenalektomie ist nur notwendig bei bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Tumorinfiltration oder Metastasen. Die Lymphknotenresektion wird nur empfohlen bei Patienten mit bildgebendem oder intraoperativem Verdacht auf Infiltration.
Embolisation
Eine Tumorembolisation wird in folgenden Situationen eingesetzt:
- als alleinige palliative Maßnahme bei persistierender Makrohämaturie, wenn weder Operation noch Systemtherapie aufgrund des schlechten Allgemeinzustands möglich ist
- in Einzelfällen vor chirurgischer Resektion lokal fortgeschrittener Tumore
- bei der Resektion von Knochenmetastasen.
Minimal invasive, ablative Maßnahmen
Ein Einzelfällen kommen interventionell-radiologische Verfahren wie die Kryotherapie und die Radiofrequenzablation zum Einsatz. Dabei lassen sich Tumorkontrollraten von bis zu 85 % nach einem Jahr erzielen. Jedoch fehlen Langzeitstudien. Voraussetzung ist die vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Relative Kontraindikationen sind Lebenserwartung < 1 Jahr, multiple Metastasen, geringe Aussicht auf Erfolg, hilusnahe Tumore, Tumore > 5 cm, Tumore in unmittelbarer Nähe des Hohlsystems oder des proximalen Ureters.
Adjuvante Therapien
Eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab kommt bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko in Frage.
Lokal-fortgeschrittene Stadien
Bei Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Karzinomen kommt in Rahmen von Studien eine primäre (neoadjuvante) Systemtherapie mit anschließender Operation in Frage.
Metastasierte Stadien
Im palliativen Setting steht die medikamentöse Tumortherapie im Vordergrund. Ergänzende Maßnahmen sind die zytoreduktive Nephrektomie sowie symptomorientiert weitere lokale Therapieverfahren wie Bestrahlung ossärer Metastasen oder stereotaktische Bestrahlung.
Vor Einleitung einer medikamentösen Therapie sollte bei Patienten mit niedrigem oder mit intermediärem Risiko gemäß IMDC-Risikoscore und ohne klinische Symptomatik die Möglichkeit eines abwartenden Vorgehens (Active Surveillance) geprüft werden, insbesondere bei fehlender Progression in den dreimonatigen klinischen und radiologischen Verlaufskontrollen. Die medikamentöse Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten 2 Jahren grundlegend geändert. Dabei muss beachtet werden, dass in den meisten Studien nur klarzellige Nierenzellkarzinome bzw. Nierenzellkarzinome mit klarzelliger Komponente einschlossen wurden. Für die nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen (nccRCC) ist die Evidenz deutlich geringer ist. Häufig eingesetzt werden Checkpointinhibitoren (CPI) und/oder Tyrosinkinaseinhibitoren. Standardkombinationen sind:
- Nivolumab + Cabozantinib
- Pembrolizumab + Axitinib
- Pembrolizumab + Lenvatinib
- ggf. Avelumab + Axtitinib
In der Zweitlinien- und Mehrlinientherapie bei fehlendem Ansprechen, Rezidiv, Progress oder Nebenwirkungen kommen individuell auch weitere Medikamente wie Everolimus zum Einsatz.
Prognose
Die Prognose ist insbesondere abhängig vom Tumorstadium und von den Begleiterkrankungen. Lokal begrenzte Karzinome gehen mit vergleichsweise hohen Überlebensraten einher, bei Vorliegen von Fernmetastasen verringern sich diese jedoch drastisch:
UICC-Stadium | 5-Jahres-Überlebensrate |
---|---|
I | 98 % |
II | 89 % |
III | 73 % |
IV | 18 % |
Podcast

Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © blackieshoot / Unsplash
Leitlinien
- AWMF: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms Stand 2021
- DGHO: Onkopedia-Leitlinie Nierenzellkarzinom (Hypernephrom) Stand 2022
Quellen
- Hudes et al.: Journal of Clinical Oncology, 2006 ASCO Annual Meeting Proceedings Part I. Vol 24, No. 18S, 2006, LBA4