Hypothyreose (Hund)
Synonym: Schilddrüsenunterfunktion
Englisch: hypothyroidism
Definition
Die Hypothyreose ist eine multisystemische Stoffwechselstörung beim Hund, die durch unzureichende Produktion und Versorgung der Körperzellen mit Schilddrüsenhormonen gekennzeichnet ist. Die Erkrankung wird aufgrund einer Unterfunktion der Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ausgelöst.
Das Gegenteil der Hypothyreose ist die Hyperthyreose, die hauptsächlich bei der Katze (feline Hyperthyreose) auftritt.
Ätiologie
Eine Hypothyreose entsteht meist infolge einer primären Erkrankung der Schilddrüse. Seltener kann die Endokrinopathie durch einen Defekt auf der Ebene des Hypothalamus oder der Hypophyse bedingt sein.
Epidemiologie
Hypothyreosen treten gehäuft im Alter von 6 Monaten bis 15 Jahren auf, mit einer Häufung im mittleren Lebensalter (ca. 7 Jahre). Es liegt keine Geschlechtsdisposition vor.
Grundsätzlich können Hunde jeglicher Rasse erkranken. Mittelgroße bis große Rassen sind jedoch deutlich häufiger betroffen als Hunde kleiner Rassen. Beim Beagle und Barsoi kann eine genetische Prädisposition nachgewiesen werden. Bei vielen anderen Rassen, wie z.B. beim Golden Retriever, Dobermann, Spaniel-Rassen, Setter oder Rhodesian Ridgeback, wird aufgrund des gehäuften Auftretens von Schilddrüsen-Autoantikörpern ebenfalls eine erbliche Komponente vermutet.
Klassifizierung
Bei der Hypothyreose unterscheidet man zwischen folgenden vier Formen:
- Primäre Hypothyreose
- Sekundäre Hypothyreose
- Kongenitale Hypothyreose (Kretinismus)
- Iodmangelbedingte (endemische) Hypothyreose
Primäre Hypothyreose
Primäre Hypothyreosen machen ca. 95 % der Fälle aus. Etwa 50 % sind aufgrund einer lymphozytären Thyreoiditis bedingt. Hierbei handelt es sich um eine immunvermittelte Erkrankung, die histologisch durch eine diffuse oder multifokale Infiltration mit Lymphozyten, Plasmazellen und Makrophagen charakterisiert ist. Parallel sind Autoantikörper gegen Schilddrüsen-Antigene wie Thyreoglobulin, Thyroxin (T3) und Trijodthyronin (T3) nachweisbar.
Durch den immunbedingten Entzündungsprozess kommt es zu einer Zerstörung der Schilddrüsenfollikel und einem anschließenden Ersatz durch Bindegewebe. Der Krankheitsverlauf ist langsam und kann sich über Monate bis Jahre hinwegziehen. Erst wenn mehr als 75 % des Schilddrüsengewebes zerstört sind, kommt es zu klinisch manifesten Symptomen. Bisher (2020) sind noch keine genauen Auslöser bekannt. Da aber ein gehäuftes Auftreten der Erkrankung bei bestimmten Rassen beobachtet werden kann, ist von einer genetischen Komponente auszugehen.
Bei den anderen 50 % der Fälle handelt es sich um eine idiopathische Atrophie, die durch Degeneration der Follikelzellen gekennzeichnet ist. Das normale Schilddrüsengewebe wird dabei durch Binde- und Fettgewebe ersetzt. Bei dieser Form ist jedoch nicht bekannt, ob es sich um eine eigenständige degenerative Erkrankung der Follikelzellen oder um das Endstadium der lymphozytären Thyreoiditis handelt. Es sind auch keine Autoantikörper nachweisbar.
Seltene Auslöser einer primären Hypothyreose sind neoplastische Zerstörungen des Drüsengewebes durch Schilddrüsenkarzinome sowie Tumormetastasen, Thyreostatika, Thyreoidektomie, Radiojodtherapie oder Strahlentherapie.
Sekundäre Hypothyreose
In weniger als 5 % der Fälle liegt eine sekundäre Hypothyreose vor. Diese Form entsteht meist infolge eines TSH-Mangels aufgrund einer Neoplasie in der Adenohypophyse. Sekundäre Hypothyreosen wurden in der Literatur bislang nur vereinzelt beschrieben.
Kongenitale Hypothyreose
Die kongenitale Form der Hypothyreose führt meist zum Tod der Welpen und wird deshalb nur selten diagnostiziert. Die Erkrankung entsteht aufgrund einer Entwicklungsstörung der Schilddrüse, einer gestörten Schilddrüsenhormonsynthese oder auch aufgrund einer Läsion der Adenohypophyse.
Iodmangelbedingte Hypothyreose
Eine iodmangelbedingte Hypothyreose kommt praktisch nicht mehr vor, da mittlerweile alle kommerziell erhältlichen Futtermittel in ausreichender Menge Iod enthalten.
Klinik
Ein absoluter Mangel an Schilddrüsenhormonen hat Auswirkung auf praktisch alle Organe, wobei die meisten klinischen Symptome Ausdruck eines reduzierten Zellmetabolismus sind.
Die Erkrankung entwickelt sich schleichend, meist über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg, sodass sich ein gewisser Gewöhnungseffekt beim Tier und Besitzer einstellt. Die Symptome sind vielfältig und aufgrund der langsamen Entwicklung anfänglich nur gering ausgeprägt. Daher bleibt die Erkrankung oftmals lange Zeit unbemerkt.
Organsystem | Symptome |
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Metabolische Symptome |
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Dermatologische Symptome |
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Neuromuskuläre Symptome |
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Kardiovaskuläre Symptome |
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Symptome des Geschlechtsapparats |
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Unspezifische Symptome |
Bei einer Hypothyreose können folgende Laborbefunde (Hämatologie, Serologie, Urinanalyse) festgestellt werden:
- normochrome normozytäre nicht-regenerative Anämie (ca. 70 %)
- Hypercholesterinämie (ca. 80 %)
- erhöhtes Fruktosamin (ca. 70 %)
- erhöhte CK- und Leberenzymwerte
Diagnose
Sowohl die Anamnese als auch die klinische Untersuchung sind hinweisend für eine Erkrankung der Schilddrüse. Die Diagnosesicherung erfolgt mithilfe verschiedener spezieller Schilddrüsenuntersuchungen:
- Bestimmung des totalen T4 (TT4)
- Bestimmung des freien T4 (fT4)
- Bestimmung des caninen TSH
- TSH-Stimulationstest (Goldstandard)
- Ultraschalluntersuchung (schwierig)
- Szintigraphie (kostenintensiv)
Die Schilddrüsenuntersuchungen können sich schwierig gestalten, da die Schilddrüsenhormone unterschiedlichen Einflussfaktoren unterliegen und sowohl durch bestimmte Erkrankungen (z.B. Hyperadrenokortizismus) als auch Medikamente (z.B. Glukokortikoide, Sulfonamide, NSAIDs, Barbiturate u.ä.) verfälscht werden können. Aus diesem Grund sollten Hunde vor der Durchführung endokrinologischer Untersuchungen mindestens 4 bis 6 Wochen keine Medikamente erhalten.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch müssen andere mit Haut- und Haarkleidveränderungen einhergehende Endokrinopathien (Hyperadrenokortizismus, geschlechtshormonabhängige Dermatose) oder andere Hauterkrankungen (Alopezie X, Alopezie nach Schur, saisonale Flankenalopezie, Follikeldysplasie) abgeklärt werden.
Bei Bewegungsunlust oder Leistungsinsuffizienz sind auch Erkrankungen zahlreicher anderer Organsysteme zu berücksichtigen, wie z.B. kardiovaskuläre, pulmonale, orthopädische oder neuromuskuläre Erkrankungen.
Therapie
Die Therapie gestaltet sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle unproblematisch. Die Erkrankung kann durch die lebenslange, perorale Gabe von synthetischem T4 behandelt werden. Zur adäquaten initialen Dosierung existieren verschiedene Angaben in der Literatur; einige Autoren geben eine Startdosis von 0,01 mg/kgKG BID an, andere Autoren empfehlen 0,02 mg/kgKG BID.[1]
Eine Therapiekontrolle wird etwa 4 Wochen nach Beginn durchgeführt. Hierbei sollte die Blutentnahme rund 6 Stunden nach der Medikamentenapplikation erfolgen, um aussagekräftige Werte zu erhalten. Je nach Klinik und Therapieeinstellung sind weitere Kontrollen im Abstand von 3, 6 und 12 Monaten zu empfehlen.
Literatur
- Hans G. Niemand (Begründer), Peter F. Suter, Barbara Kohn, Günter Schwarz (Herausgeber). Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2012.
Quelle
- ↑ CliniPharm CliniTox. Levothyroxin CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 06.01.2019)
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