Haar (Veterinärmedizin)
Synonym: Pili (plur.)
Englisch: hair
Definition
Als Haare oder Pili bezeichnet man die aus Epithelzellen entstandenen und biegsamen Hornfäden, die in der Haut verankert und bei allen Haussäugetieren ausgebildet sind.
Funktion
Die Haare bilden bei den Haussäugetieren das dichte Haarkleid (Fell), das als lufthaltige Hülle bei der Thermoregulation eine große Rolle spielt. Haare bieten zusätzlich einen mechanischen Schutz vor exogenen Noxen, wie z.B. Sonnenlicht oder Schmutz.
Anatomie
Morphologie
Am Haar können grob drei Abschnitte untergliedert werden:
- Haarschaft (Scapus pili): ragt frei über die Hautoberfläche vor
- Haarwurzel (Radix pili): ist schrägt in die Dermis (Lederhaut) eingelassen
- Haarspitze (Apex pili): fein ausgezogenes Ende
Die Haarwurzel ist an ihrem terminalen Ende zur Haarzwiebel (Bulbus pili) verdickt und von bindegewebigen Haarpapillen (Papilla pili) eingedrückt. Sie wird von den zufließenden Gefäßen ernährt. Die Haarwurzeln stecken dabei in röhrenförmigen Taschen der Cutis, die bis in die Dermis vordringen und als Haarbälge (Folliculi pili) bezeichnet werden. Diese bestehen aus einem blindsackartigen Grund, einem verengten Hals und einer erweiterten Mündung, die zusammen "Haarbalgtrichter" genannt werden.
Einzelhaar
Das einzelne Haar setzt sich aus
- dem Haarmark (Medulla pili),
- der Haarrinde (Cortex pili) und
- dem Haaroberhäutchen (Cuticula pili) zusammen.
In Bezug auf Form und Dicke der Mark- bzw. Rindenschicht des Haares gibt es zahlreiche tierartliche Unterschiede. So sind z.B. die Wollhaare des Schafes und die Schweifhaare des Pferdes marklos. Im Gegensatz dazu besitzen die Haare der meisten Haussäugetiere eine dünne Mark- und eine dicke Rindenschicht.
Als Haarscheibe bezeichnet man ein um besondere Haarfollikelöffnungen gelegenes, dickes und reichlich innerviertes Epidermisgebiet, unter dem ein stark vaskularisierter Dermisbezirk liegt. Diese in den meisten Fällen etwas größer ausgeprägten Haarfollikel sind regelmäßig in der Haut verteilt und bei Hunden, Schafen und Kaninchen ausgebildet. Sie gelten als besonders empfindliche Reizempfänger.
Muskulatur
Die Musculi arrectores pilorum sind für die Bewegung der Haare verantwortlich, indem sie das Einzelhaar aufrichten können. Durch das Sträuben der Haare wird das zwischen den Haaren und der Hautoberfläche befindliche, wärmeisolierende Luftkissen vergrößert, sodass kurzzeitig ein Schutz vor Auskühlung ermöglicht wird. Zusätzlich kann das Tier durch regionales Aufstellen der Haare die Körperoberfläche größer erscheinen lassen, um z.B. Angreifer abzuschrecken.
Haardichte
Bei den Haussäugetieren ist fast die gesamte Körperoberfläche mit dicht beieinander stehenden Haaren besetzt. Die Haardichte ist tierartlich unterschiedlich:
- Katze: 25.000 Haare pro cm2
- Hund: 1 bis 9.000 Haare pro cm2
- Schaf: 6 bis 8.000 Haare pro cm2
- Ziege: 1.200 bis 1.800 Haare pro cm2
- Rind: 900 bis 1.300 Haare pro cm2
- Pferd: 800 pro cm2
- Schwein: 20 bis 30 pro cm2
Zu den wenigen unbehaarten Stellen zählen das Flotzmaul, der Nasenspiegel, der After, die Schamlippen sowie die Zehenendorgane.
Haararten
Jedes Tier besitzt mehrere Haararten, die - je nach Körpergegend - unterschiedlich gestaltet sind. Im Allgemeinen unterscheidet man folgende Haararten:
- Deck- oder Fellhaare (Capilli)
- Flaum- oder Wollhaare (Pili lanei)
- Lang- oder Roßhaare
- Borstenhaare (Setae)
- Tasthaare (Pili tactiles)
Wachstum
Haare gehen aus den der Haarpapillenspitze aufsitzenden Epithelzellen hervor. Dieser Bereich wird auch als Wachstumszentrum (Matrix pili) bezeichnet. Das einzelne Haar wächst auf diese Weise aus dem Grund der epidermalen und röhrenförmigen Tasche als verhornender Zellfaden - zusammen mit der inneren epithelialen Wurzelscheide - in Richtung Hautoberfläche. Die Wurzelscheide wiederum endet auf Höhe der Talgdrüseneinmündung. Die innere epitheliale Wurzelscheide wird auch als epitheliale Gleitschicht bezeichnet, durch deren Vermittlung sich das Haar an der äußeren Wurzelscheide entlang schiebt. Beim Haarwachstumszyklus unterscheidet man folgende Phasen:
- Anagenphase (Wachstumsphase)
- Katagenphase (Involutionsphase)
- Telogenphase (Ruhephase)
Histologie
Das Haaroberhäutchen (Cuticula pili) wird von sehr dünnen, verhornten, kernlosen, durchsichtigen und platten Zellen gebildet. Die einzelnen Zellen sind dabei dachziegelartig angeordnet, sodass ihre freien Ränder haarspitzenwärts gerichtet sind. Je mehr dieser Zellränder vom Haarschaft letztlich abstehen, desto stärker gesägt bzw. gezackt ist der Haarrand.
Die Haarrinde (Cortex pili) besteht aus einem dichten Verband vollständig verhornter und spindelförmiger Zellen, die etwa 60 µm lang und 5 bis 10 µm breit sind. Sie enthalten in gelöster oder gekörnter Form Pigment und verleihen dem Haar die Farbe.
Das Haarmark (Medulla pili) bildet einen axialen Strang aus polygonalen, kubischen oder in Längsrichtung abgeplatteten Zellen (15 bis 20 µm Durchmesser). Meist befindet sich Luft zwischen den einzelnen Zellen, die bisweilen sogar in die einzelnen Zellen eindringen kann. In den Markzellen ist nur vereinzelt Pigment eingelagert.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, Eugen Seiferle. Band III: Kreislaufsystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
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