Kretinismus
Englisch: cretinism, congenital iodine deficiency syndrome
Definition
Als Kretinismus bezeichnete man das Vollbild einer angeborenen Hypothyreose mit irreversiblen Hirnschäden und mentaler Retardierung.
Epidemiologie
Eine Hypothyreose findet sich bei 1/1.300 bis 1/4.000 Neugeborenen, wobei sich aufgrund von Screeningprogrammen nur selten ein Kretinismus entwickelt. Ein Jodmangel ist die weltweit häufigste verhinderbare Ursache einer Hirnschädigung.
Ursachen
Der Kretinismus entsteht meist durch eine angeborene primäre Hypothyreose, seltener durch eine sekundäre bzw. tertiäre Hypothyreose (Defekt auf Ebene des Hypothalamus oder der Hypophyse).
Man unterscheidet dabei zwischen einer permanenten und einer transienten angeborenen Hypothyreose. Der permanenten Form liegt am häufigsten eine Entwicklungsstörung des Schilddrüsengewebes zu Grunde (z.B. Ektopie, Hypoplasie, Athyreose), seltener Gendefekte in der Hormonsynthese.
In Jodmangelgebieten macht ein maternaler und kindlicher Jodmangel die häufigste Ursache eines Kretinismus aus. Man spricht hier auch von einem fetalen Jodmangelsyndrom oder einem endemischen Kretinismus. Weitere Ursachen der transienten primären Hypothyreose sind maternale Schilddrüsen-Autoantikörper, Jodkontamination oder eine Thyreostatikatherapie.
Symptome
Durch die plazentäre Aufnahme der maternalen Schilddrüsenhormone sind die meisten Kinder bei der Geburt unauffällig. Sehr schwer betroffene Kinder können jedoch bereits früh mit folgenden Symptomen auffallen:
- Hypothermie
- Apathie
- Trinkfaulheit
- Icterus prolongatus
- Muskelhypotonie
- Hyporeflexie
- Obstipation
- Nabelhernie
- große Fontanellen
- Skelettmissbildungen (z.B. verkürzte Extremitäten)
- Makroglossie, Lingua plicata
- struppiges Haar, Alopezie
- teigige, kühle Haut
- raue, heisere Stimme
Wird die Erkrankung nicht behandelt, zeigt sich ab dem 2. bis 3. Lebensmonat eine Wachstumsverzögerung (Kleinwuchs, verzögerter Fontanellenschluss, verzögerte Skelettentwicklung) und eine Progression der mentalen Retardierung. Weitere Langzeitfolgen sind Koordinationsstörungen, Ataxien, Aufmerksamkeitsstörungen sowie Innenohrschwerhörigkeit und Infertilität.
Insbesondere bei Störung der Thyroxinsynthese findet sich eine Struma.
Diagnostik
In Deutschland und den meisten Industrieländern wird eine angeborene Hypothyreose am dritten Lebenstag im Rahmen des Neugeborenenscreenings erkannt. Dabei wird Thyreotropin (TSH) im Trockenblut bestimmt.
Bei erhöhtem TSH-Wert erfolgt eine Bestätigungsdiagnostik mittels Bestimmung von Serum-TSH, -fT4 oder Gesamt-T4. Weiterhin ist eine Sonographie der Schilddrüse richtungsweisend:
- Bei Vorhandensein der Schilddrüse liegt vermutlich eine transiente Hypothyreose vor: Bestimmung von Schilddrüsen-Autoantikörpern, Anamnese bezüglich Jodkontamination. Seltener kommt ein Hormonsynthesedefekt in Frage, sodass ggf. eine genetische Analyse sinnvoll ist.
- Bei fehlender Schilddrüse handelt es sich vermutlich um eine permanente kongenitale Hypothyreose: Bestimmung von Thyreoglobulin (erhöht bei Ektopie, vermindert bei Athyreose).
Prävention
Bei der angeborenen Hypothyreose ist eine möglichst frühzeitige, ggf. lebenslange Hormonsubstitution mittels Levothyroxin die Therapie der Wahl, um irreversible neurologische Schäden bzw. einen Kretinismus zu verhindern.
Um einem Jodmangel vorzubeugen, wird in einigen Ländern Speisesalz jodiert und Schwangeren Jod verabreicht.
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