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Synonym: Digitalisglykosid
Herzglykoside sind pharmakologisch aktive Wirkstoffe aus verschiedenen Pflanzenarten (z.B. Digitalis purpurea). Sie wirken am Herzen positiv inotrop und bathmotrop sowie negativ chronotrop und dromotrop.
Es handelt sich um Glykoside, deren Aglykone eine Sterin-Struktur besitzen und die herzwirksamen Effekte vermitteln. Anhand der Aglykone lassen sich die Herzglykoside zwei klassischen Gruppen zuordnen:
Die Glykoside kommen vielfach in der Natur vor. Das bekannteste Beispiel ist das Vorkommen von Herzglykosiden als Cardenolide in Pflanzen wie Fingerhut und Maiglöckchen.
Die Wirksamkeit von Herzglykosiden beruht auf einer Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase in den Myozyten des Herzmuskels. Durch diese Hemmung bleibt mehr Natrium in der Zelle und die intrazelluläre und extrazelluläre Natriumkonzentration nähert sich an. Die veränderte Natriumkonzentration führt zu einer indirekten Hemmung des Natrium-Calcium-Austauschers (Na/Ca-Antiport), sodass mehr Calcium in der Zelle verbleibt.
Das überschüssige Calcium wird ins sarkoplasmatische Retikulum (SR) der Myozyten gepumpt. In der folgenden Herzaktion kann vermehrt Calcium aus dem SR freigesetzt werden, was die Kontraktionskraft (Inotropie) der Muskelzelle steigert.
Weiterhin wirken Herzglykoside antiarrhythmisch, indem sie die Vaguskerne aktivieren. Dies führt zu einer verlängerten AV-Überleitung bzw. zur Bradykardie.
Herzglykoside werden eingesetzt bei chronischer Herzinsuffizienz und supraventrikulärer Tachykardie (z.B. Vorhofflimmern).
Sie steigern die Kontraktionskraft (positiv inotrop) und verlangsamen die Frequenz (negativ chronotrop und negativ dromotrop), indem sie die Reizleitung im Herzen verlangsamen. Zudem wirken sie positiv bathmotrop, indem sie das maximal diastolische Potential heraufsetzen. Das heißt, ein elektrochemischer Reiz, der einen Herzschlag erwirkt, wird leichter ausgelöst.
Bei der Behandlung der Herzinsuffizienz wirken die Digitalisglykoside nicht lebensverlängernd, sie sollen jedoch zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität mit Reduzierung der Krankenhausaufenthalte führen. Ihnen wird deshalb häufig ein Stellenwert als ergänzende Therapie eingeräumt.
Eine Studie aus dem Jahr 2013 mit 2.891 Patienten aus den USA zeigte hingegen, dass Patienten mit Herzinsuffizienz, die mit Digoxin therapiert wurden, eine um 72% höhere Mortalität aufwiesen (14,2 gegenüber 11,3 Todesfällen pro 100 Personenjahre). Das Risiko für eine Hospitalisation hingegen war unter Digoxin statistisch nicht signifikant erhöht.[1]
Bei der Einnahme von Herzglykosiden kann es auf der Haut zu Erythemen und dem Lupus-erythematodes-like-Syndrom kommen. Des weiteren wurden Störungen der Farbwahrnehmung (Xanthopsie), zentralnervöse Störungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit beschrieben.
Im Magen-Darm-Trakt kann es zu Übelkeit, Erbrechen, Inappetenz und Diarrhoe kommen. Als weitere Nebenwirkungen können Gynäkomastie, Herzrhythmusstörungen, Thrombozytopenie und allergische Reaktionen vorkommen.
Die therapeutische Breite von Herzglykosiden, insbesondere Digitalisglykosiden, ist recht klein. Nach initialer Aufdosierung sollte daher unbedingt eine Kontrolle des Serumspiegels erfolgen. Dadurch kann die weitere Dosierung angepasst werden. Bereits eine Verdoppelung der therapeutischen Dosis kann eine Toxizität herbeiführen.
Bei Überdosierung kommt es zu einer Ca2+-Überladung des SR, sodass späte Nachpotentiale auftreten (Extrasystolen, Bigeminie, Kammerflimmern).
Auf die Einnahme von Herzglykosiden sollte verzichtet werden bei:
Vor Einleitung einer dauerhaften Therapie mit Digitalisglykosiden sollten also die Elektrolyte überprüft werden.
Weitere Gegenanzeigen sind:
Digitalisgylkoside besitzen zahlreiche Wechselwirkungen, die im Rahmen einer Therapie beachtet werden müssen.
Eine erhöhte Digitalisempfindlichkeit bzw. Toxizität liegt vor bei:
Eine erniedrigte Digitalisempfindlichkeit bzw. Toxizität ist möglich bei:
Weiterhin sind für die Leitsubstanzen Digoxin und Digitoxin spezifische Wechselwirkungen bekannt.
Zum Beispiel wird die Elimination von Digitoxin durch Enzyminduktoren wie Rifampicin beschleunigt und die Bioverfügbarkeit von Digoxin durch die gleichzeitige Einnahme von Erythromycin oder Tetrazyklinen verstärkt. Näheres ist in den entsprechenden Artikeln zu den Substanzen zu erörtern.
Bei einer Intoxikation oder einer Überdosierung mit Herzglykosiden wirkt Lidocain als Antidot, da es die Na+-Leitfähigkeit reduziert und gleichzeitig die K+-Leitfähigkeit erhöht. Auch Atenolol und Propranolol (Beta-Blocker) hemmen die Wirkung der Herzglykoside, da sie vor allem die Kontraktilität des Myokards reduzieren und die AV-Überleitung verzögern.
Atropin wirkt als Parasympatholytikum positiv chronotrop und dromotrop, und hebt so die, durch Herzglykoside verursachten, bradykarden Arrhythmien auf.
Eine Verabreichung von Kalium kann erfolgreich sein, sollte aber nur unter ständiger Überwachung und mit ausreichender klinischer Erfahrung erfolgen.
Falls bei einer Überdosierung noch keine kardiotoxischen oder neurologischen Symptome aufgetreten sind, sollte eine Magenspülung sowie die Verabreichung von Aktivkohle ausreichen. Eine wiederholte Gabe von Aktivkohle ist sinnvoll, da die Möglichkeit besteht, dass v.a. Digitoxin über den enterohepatischen Kreislauf erneut resorbiert wird.
Bei einer lebensbedrohlichen Digitalis-Intoxikation ist der Einsatz von Digitalis-Antitoxin indiziert.
siehe Hauptartikel: Digitalisintoxikation
Fachgebiete: Pharmakologie, Physiologie, Toxikologie
Diese Seite wurde zuletzt am 18. Mai 2020 um 15:34 Uhr bearbeitet.
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