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Graft-versus-Host-Reaktion

(Weitergeleitet von GvHD)

Synonyme: Graft-versus-Host-Erkrankung, Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion
Englisch: graft-versus-host disease, graft-versus-host reaction

1. Definition

Als Graft-versus-Host-Reaktion, kurz GvHD oder GvHR, wird eine systemische, zytotoxische Reaktion von implantierten bzw. transfundierten Immunzellen gegen den Wirtsorganismus bezeichnet.

2. Abgrenzung

Eine erwünschte Form der Graft-versus-Host-Reaktion ist die Graft-versus-Leukemia-Reaktion.

3. Ätiologie

Eine GvHR kann entstehen, wenn allogene T-Zellen auf einen immungeschwächten Transplantatempfänger übertragen werden. Dies ist zum Beispiel der Fall bei:

Sehr selten tritt eine GvHR bei Transplantation solider Organe auf, dann meist bei lymphozytenreichen Organen wie Darm, Pankreas oder Leber.

4. Pathogenese

Die Graft-versus-Host-Reaktion entsteht durch die Übertragung immunkompetenter Zellen mit dem Transplantat, die ursprünglich aus dem Knochenmark, aus der Milz oder aus den Lymphknoten des Spenders stammen. Transplantierte T-Zellen erkennen das Gewebe des Empfängers als fremd, wodurch im Empfängerorganismus zelluläre Immunreaktionen ausgelöst werden. Zur Fremderkennung der Empfänger-Antigene kommt es, weil die allogenen T-Zellen nur für die MHC-präsentierbaren Peptide des Spenders, nicht aber des Empfängers eine Immuntoleranz ausgebildet haben.

Allogene T-Zellen werden von einer immunkompetenten Person rasch durch eigene T-Zell-Reaktionen beseitigt. Bei immungeschwächten Wirten können dagegen schwere Erkrankungen, wie Hepatosplenomegalie, Atrophie der lymphatischen Organe, Diarrhoe, Hautveränderungen und Kachexie auftreten, unter Umständen mit tödlichem Ausgang.

Eine GvHR tritt auch bei einer kompletten (10/10) Übereinstimmung der HLA-Merkmale auf (Histokompatibilität), da die Erkennung über die Bindung von Minor-Histokompatibilitätsantigenen an den passenden T-Zell-Rezeptor verläuft. In der Folge werden spezifische, gegen den Wirt gerichtete, zytotoxische T-Zellen und Antikörper gebildet. Zudem werden auch Reaktionen des angeborenen Immunsystems vermutet.

Die Pathogenese der Graft-versus-Host-Reaktion läuft in der Modellvorstellung in drei Phasen ab:[1]

  • Afferente Phase: Durch Bestrahlungs- und Chemotherapie vor der Transplantation entstehen Schäden im Empfängergewebe. Dies führt zur Freisetzung bzw. zur erhöhten Konzentration von PAMPs, DAMPs und inflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6, TNF-α). Zusätzlich werden MHC-Antigene exprimiert, die den transplantierten T-Zellen von antigenpräsentierenden Zellen (APCs) angeboten werden.
  • Efferente Phase: Es kommt zur Interaktion zwischen den transplantierten T-Zellen und den APCs. Diese proliferieren und differenzieren zu aktiven T-Zellen, die ebenfalls inflammatorische Zytokine (IL-2, IFN-γ) freisetzen.
  • Effektor-Phase: Anschließend migrieren allogene zytotoxische T-Lymphozyten und NKT-Zellen in verschiedene Gewebe bzw. Organe. Dort rufen sie Entzündungsreaktionen hervor.

Bei der chronischen Graft-versus-Host-Reaktion laufen sowohl alloreaktive als auch autoreaktive immunologische Prozesse ab. Eine gestörte periphere Immuntoleranz ist mit einem Mangel an regulatorischen T-Zellen assoziiert. In der Folge entwickelt sich eine chronische Entzündungsreaktion mit konsekutiver Fibrosierung.

5. Risikofaktoren

Allgemeine Risikofaktoren einer GvHR bei allogenen Gewebeübertragungen sind:

Eine akute GvHR wird zudem durch die Konstellation weibliche Spenderin bei männlichem Empfänger begünstigt (Erkennung Y-chromosomal codierter Antigene) und findet sich häufiger bei vorangegangener Schwangerschaft einer Spenderin.

6. Klinik

6.1. Akute Graft-versus-Host-Reaktion

Die akute Graft-versus-Host-Reaktion tritt innerhalb der ersten 100 Tage nach Transplantation auf. Sie betrifft vor allem folgende Gewebe bzw. Organe:

6.1.1. Sonderformen

  • Late-onset akute Graft-versus-Host-Reaktion (LA GvHR): Tritt eine akute GvHR mit ihren typischen klinischen Charakteristika erstmalig nach 100 Tagen auf, spricht man von einer late onset akuten Graft-versus-Host-Reaktion.
  • Persistierende und rekurrierende akute Graft-versus-Host-Reaktion

6.2. Chronische Graft-versus-Host-Reaktion

Die chronische Graft-versus-Host-Reaktion tritt frühestens nach 100 Tagen auf. Sie wird begleitet von entzündlichen Veränderungen. Das klinische Erscheinungsbild ist vielfältig und kann ggf. wie eine Kollagenose imponieren. Häufig sind folgende Organe betroffen:

7. Diagnostik

7.1. Akute Graft-versus-Host-Reaktion

Zunächst erfolgt die klinische und laborchemische Diagnostik. Für die Sicherung eines Darm-Befalls ist eine Biopsie des jeweiligen Gewebes notwendig. Auf eine Gewebeprobe der Haut und Leber kann verzichtet werden, wenn keine relevanten Differentialdiagnosen (z.B. Zytomegalie) vorliegen.

Die Ausprägung des Krankheitsbildes wird je nach betroffenem Organ nach folgenden Kriterien beurteilt:

In Gewebeproben sind lymphozytäre Infiltrationen, Zellschäden und Zelluntergänge zu finden.

7.2. Chronische Graft-versus-Host-Reaktion

Die Diagnose wird üblicherweise anhand der Klinik gestellt. Ist die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen schwierig, sollte eine histologische Sicherung erfolgen. Die radiologische Diagnostik ist z.B. bei pulmonaler Manifestation wegweisend. Bei okulärer GvHR sollte eine ophtalmologische Mitbeurteilung erfolgen.

8. Therapie

8.1. Akute Graft-versus-Host-Reaktion

Therapeutisch kommen je nach Schweregrad neben einer Intensivierung (oder erneutem Beginn) der Immunsuppression insbesondere hochdosierte Kortikosteroide zum Einsatz. Bei fehlender Besserung kann eine Behandlung mit TNF-α-Antikörpern erwogen werden. Eine weitere Therapiemöglichkeit liefert zudem die extrakorporale Photophorese (ECP).

Darüber hinaus befinden sich Chemoimmunkonjugate in klinischer Forschung, die gegen NK-Zellen und T-Zellen gerichtet sind.

In vielen Fällen ist eine supportive Therapie notwendig. Dazu gehören Analgesie, Flüssigkeitssubstitution, parenterale Ernährung und antibiotische, antivirale oder antimykotische Therapie.

8.1.1. Chronische Graft-versus-Host-Reaktion

Zur Therapie werden topische und systemische Kortikosteroide verabreicht. Schwere Verlaufsformen werden ähnlich wie die akute GvHR mit Immunsuppressiva oder ggf. extrakorporaler Photopherese behandelt. Bei Versagen der Erstlinientherapie kommt der ROCK2-Inhibitor Belumosudil in Betracht. Eine supportive Therapie mit z.B. Antiinfektiva, Physiotherapie oder psychologischer Betreuung ist ebenfalls sinnvoll.

9. Prophylaxe

Aufgrund des oftmals komplikativen Verlaufs der akuten Graft-versus-Host-Reaktion kommt der Prophylaxe mittels medikamentöser Immunsuppression eine große Bedeutung zu. Üblicherweise wird eine Kombination aus einem Calcineurininhibitor (z.B. Cyclosporin A, Tacrolimus) mit Methotrexat oder Mycophenolat eingenommen. Bei Patienten mit nichtverwandten Stammzellspendern wird zudem häufig Antithymozytenglobulin (ATG) eingesetzt.

Grundsätzlich ist eine solche Prophylaxe für alle Patienten nach der Transplantation indiziert, die Dauer und Intensität hängt jedoch von dem individuellen Risiko und dem weiteren Erkrankungs- bzw- Therapieverlauf ab. Die immunsuppressive Behandlung erfolgt im Gegensatz zu Organtransplantationen in der Regel nicht dauerhaft, sondern wird sukzessive in der Dosis reduziert und im Verlauf ausgeschlichen.

Granulozyten- und Thrombozytenkonzentrate werden vor der Transfusion bestrahlt, um eine GvHR zu verhindern.

10. Literatur

11. Quelle

  1. National Library of Medicine. Graft-Versus-Host-Disease. StatPearls. Abgerufen am 07.07.2023

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