Gefäßstent
Synonyme: Blutgefäßstent, vaskulärer Stent
Englisch: vascular stent, vascular endoprothesis
Definition
Ein Gefäßstent ist eine Endoprothese, die zur inneren Schienung bzw. zum Offenhalten eines Gefäßes dient.
Hintergrund
Ein Gefäßstent ist in der Regel eine mittels Katheter eingebrachte metallische intravaskuläre Prothese. Er weist ein Gerüst (Scaffold) auf, das eine Endothelialisierung ermöglicht und eine gewisste intravaskuläre Steifigkeit bietet. Dadurch können z.B. atheromatöse Plaques oder intimomediale Flaps bei Gefäßdissektionen komprimiert werden.
Aufbau
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Designs:
- Closed Cell: Jedes Segment des Stents ist miteinander verbunden. Daher ist der Stent weniger flexibel, kann verknicken und gelegentlich nicht vollständig expandieren. Jedoch weist er eine größere radiale Kraft bzw. ein stärkeres intravaskuläres Gerüst auf.
- Open Cell: Einige Stentsegmente sind nicht miteinander verbunden. Daher passt sich der Stent besser gewinkelten oder geschlängelten Gefäßverläufen an. Die radiale Kraft und das intravaskuläre Gerüst sind allerdings geringer ausgeprägt.
Delivery-Systeme
Stents können mithilfe verschiedener Systeme an den vorgesehenen Ort im Gefäßsystem transportiert und dort entfaltet werden. Man unterscheidet z.B.:
- Ballonexpandierender Stent ("balloon mounted"): Der Stent ist auf einem PTA-Ballon angebracht. Das Risiko des Verrutschens wird durch das Einführen über einen Führungskatheter bzw. eine Schleuse verhindert. Die Balloninflation führt zur Entfaltung des Stents. Insgesamt ist dieses Stentdesign eher steifer und passt sich schlechter an wechselnde Gefäßdurchmesser an. Man unterscheidet weiter zwischen:
- Over-the-wire (OTW): Zentrales Lumen für den Führungsdraht und Kontrastmittelinjektion sowie zweites paralleles Lumen für die Balloninflation bzw. -deflation.
- Rapid-Exchange (Monorail): Der Führungsdraht verläuft durch den Ballon, verlässt den Katheter proximal zum Ballon und verläuft entlang des Katheterschafts
- Selbstexpandierender Stent: Der Stent ist eingehüllt in ein einziehbares Delivery-Systems. Nach dem Zurückziehen des Systems dehnt sich der Stent spontan aus. Meist besteht er aus Nitinol, da die Legierung ihre ursprüngliche Form annimmt, sobald sie nicht mehr komprimiert bzw. fixiert wird. Die selbstexpandierenden Stents müssen meist etwas größer gewählt werden, damit sie sicher intravaskulär fixiert werden. In der Regel sind die Stents flexibler und passen sich somit besser wechselnden Gefäßdurchmessern an.
Technologien
Es existieren verschiedene Stent-Arten mit spezifischen Eigenschaften:
- Bare-Metal-Stent (BMS): Gittartiges Metallgerüst zur Erzielung und Aufrechterhaltung der Gefäßdurchgängigkeit.
- Drug-Eluting-Stent (DES): Der Stent ist mit Medikamenten (z.B. Paclitaxel, Sirolimus) beschichtet, die eine antiproliferative Wirkung auf glatte Muskelzellen haben und die neointimale Hyperplasie reduzieren.
- DES der 1. Generation: Reduzieren das Risiko von Stentthrombosen im kurzfristigen Verlauf. Späte Stentthrombosen treten weiterhin häufig auf.
- DES der 2. Generation: Biokompatible Materialien. Das Risiko von späten Stentthrombosen bleibt > 1 %.
- Gecoverter Stent (Stentgraft): Metallischer Gefäßstent kombiniert mit einem Gewebegraft aus Dacron oder expandiertem Polytetrafluorethylen (ePTFE). Während der Stent mittels radialer Kraft den Graft sichert, dient der Graft als Gefäßprothese, die den Blutfluss umlenkt.
- Flow Diverter: Werden bei komplizierten Hirnaneurysmen eingesetzt. Flow Diverter lenken den Blutfluss im Inneren des Muttergefäßes um und haben ein Gerüst, das die Endothelproliferation über das erkrankte Segment hinweg ermöglicht. Kleine Perforatorgefäße bleiben dabei durchgängig.
- Bioresorbable Vascular Scaffold (BVS): Das resorbierbare Gerüst stützt die Arterie während ihrer natürlichen Heilung und wird dann abgebaut. Die meisten Stents dieser Bauart befinden sich aktuell (2024) in präklinischen oder klinischen Studien.
- Biologische Stents: Stentbeschichtungen, die eine endotheliale "Heilung" fördern sollen ("Healing Stent"). Sie zielen auf endotheliale Vorläuferzellen mittels Kombinationen aus Anti-CD34-positiven Antikörpern, Heparin und Kollagen Typ IV. Sogenannte Gen-freisetzende Stents und Stammzell-Stents befinden sich in frühen präklinischen Studien.
Indikationen
Gefäßstents können in Arterien und Venen eingesetzt werden. Eine Indikation ist die Rekanalisation einer Stenose bzw. einer Okklusion. Die primäre Stentimplantation ohne Angioplastie kommt insbesondere bei der Karotisstenose sowie bei Abgangsstenosen (z.B. der Nierenarterien) zum Einsatz.
In Kombination mit einer Angioplastie finden Stents insbesondere bei Koronarstenosen und langstreckigen Stenosen ihren Einsatz. Grundsätzlich können Stents bei arteriellen atherosklerotischen Plaques (z.B. bei pAVK oder chronischer Mesenterialischämie) und bei Stenosen durch Intimahyperplasie (z.B. Ausflussstenose der Hämodialysefistel) eingesetzt werden.
Ein Sonderfall ist z.B. das May-Thurner-Syndrom, bei dem die extrinische Kompression eine Stentimplantation notwendig machen kann. Beim Thoracic-Inlet-Syndrom können Stents kontraindiziert sein, da diese durch muskuloskelettale Strukturen deformiert werden können.
Stentgrafts können die Integrität von erkrankten Gefäßsegmenten wiederherstellen. Ihr Leitungssystem führt zur Ausschaltung des erkrankten Segments. Daher werden sie zur Ausschaltung von Aneurysmen oder Pseudoaneurysmen, bei traumatischer oder iatrogener arterieller Perforation sowie bei AV-Shunts eingesetzt.
Des Weiteren sind Stents hilfreich beim Coiling von Aneurysmen oder Pseudoaneurysmen (Stent-assistierte Coil-Embolisation).
Implantation
Vorbereitung
Zunächst muss die Indikation, die Medikamenteneinnahme und die Gerinnungssituation überprüft werden. Häufig verwendete Medikamente in Zusammenhang mit einer Stentimplantation sind:
- Heparin: unterschiedliche Dosierungen je nach Intervention und Klinikstandards. Häufig initialer Bolus von 2.500 - 5.000 IE, gefolgt von 1.000 IE/h. Heparin wird meist beim Überqueren der Läsion und teilweise postprozedural fortgesetzt verabreicht.
- Antibiotika: nur bei hohem Infektionsrisiko (z.B. lange Prozedur, wiederholte Inteventionen innerhalb von 7 Tagen), z.B. 1 g Cefazolin i.v.
- Vasodilatator: z.B. 100 μg Nitroglycerin als Bolus. Verhindert und behandelt Katheter-induzierte Vasospasmen.
- Clopidogrel: wird meist nur bei arteriellen Stents eingesetzt. Präprozedural kann eine Loadingdosis von mindestens 300 mg appliziert werden. Postprozedural werden meist 75 mg/d für mindestens 4 bis 6 Wochen gegeben.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Folgende Materialien sind für die Stentimplantation notwendig:
- Gefäßzugangsschleuse: Die Größe der Schleuse ist abhängig von der Größe des Stents bzw. des Katheters.
- Führungskatheter/-schleuse (typischerweise 5 - 6 Fr): Er ermöglicht eine koaxiale Kontrastmittelinjektion um das Stent-Delivery-System und den Führungsdraht bzw. Angioplastieballon. Damit lässt sich die genaue Stentposition bestimmen.
- Selektiver Katheter und Führungsdraht: Die Konfiguration hängt von der Zielläsion ab. Ein hydrophiler Führungsdraht wird oft verwendet, um die Läsion zu überqueren. Ein steifer Führungsdraht bietet Stabilität beim Platzieren des Stents.
- Stent und Stent-Delivery-System: je nach Lokalisation, Größe und Zugänglichkeit.
- Kalibrierte Pumpe: Dient der präzisen Inflation des Angioplastieballons.
- Angioplastieballonkatheter: Vordehnen der Läsion bei ballonexpandierenden Stents oder Nachdehnen bei selbstexpandierenden Stents
Zugangsweg
Bei arteriellen Stents wird kommen folgende Gefäßzugänge in Frage:
- retrograd über Arteria femoralis communis: Becken, kontralaterale untere Extremität, Niere, viszerale Gefäße, große Gefäße
- Arteria brachialis oder radialis: obere Extremität, teilweise für renale oder viszerale Läsionen (z.B. Arteria mesenterica superior)
- antegrad über Arteria femoralis communis: teilweise für distale Stenosen der ipsilateralen unteren Extremität
Bei venöse Stents eignen sich folgende Zugangswege:
- Vena femoralis communis: Becken, Vena cava inferior, untere Extremität, teilweise Vena cava superior und zentrale Venen
- Vena jugularis interna: z.B. für Vena cava superior, Lebervenen, TIPS-Stenosen
- Stenosen von Hämodialyse-Fisteln : meist über die Fistel
Durchführung
Nach Etablierung des Gefäßzugangs wird eine Gefäßzugangsschleuse über den Führungsdraht eingeführt, ein geeigneter diagnostischer Katheter eingeführt und eine DSA durchgeführt.
Für die Stentimplantation wird häufig ein koaxiales System verwendet, Katheter mit verschiedenem Durchmesser werden also ineinander geschoben und können gleichzeitig verwendet werden. Der Führungskatheter (meist 5 - 6 Fr) wird vorgeführt und koaxial ein selektiver Katheter (meist 4 - 5 Fr) eingebracht. Ballonexpandierende oder selbstexpandiere Rapid-exchange-Stents benötigen meist kleinkalibrige Systeme, während bei selbstexpandierenden Stents für große Läsionen oder gecoverte Stentgrafts meist großkalibrige Systeme notwendig sind. Vor Überqueren der Läsion wird ein Heparin-Bolus verabreicht.
Der Führungsdraht muss dann vorsichtig und unter fluoroskopischer Kontrolle über die Stenose hinweg bewegt werden. Bei Widerstand muss der Draht zurückgezogen und neu ausgerichtet oder ein anderer Draht gewählt werden. In dieser Phase können leicht Gefäßdissektionen oder -perforationen entstehen.
Ist der Führungsdraht durch die Stenose bewegt, wird der selektive Katheter über den Draht distal zur Läsion positioniert, der Draht aus dem Katheter entfernt und Kontrastmittel injiziert, um die Position der Katheterspitze zu bestätigen.
Sobald die Katheterspitze jenseits der Läsion ist, wird der Führungsdraht gegen einen steifen Draht ausgetauscht. In einigen Fällen ist vor Stentplatzierung eine Angioplastie sinnvoll. Dann wird der Stent in die geforderte Position bewegt. Dabei orientiert man sich an den röntgendichten Markern am Stent-Delivery-System. Hilfreich ist eine Roadmap-DSA. Anschließend wird der Stent vorsichtig entfaltet und das Stent-Delivery-System entfernt. Der Drahtzugang zur Läsion muss während der gesamten Zeit aufrechterhalten werden, bis die DSA nach der Stententfaltung ein regelrechtes Ergebnis zeigt.
Über den Führungskatheter/Schleuse oder der Gefäßzugangsschleuse wird Kontrastmittel injiziert. Wenn zusätzliche Stents erforderlich sind, sollten sich diese um meist 1 cm überlappen. Wenn die Position und der Durchmesser des Stents zufriedenstellend sind, kann eine DSA zur Dokumentation des distalen Abflusses erfolgen.
Anschließend wird zunächst der Draht, dann die Schleusen entfernt und der Gefäßzugang verschlossen.
Besonderheiten bei ballonexpandierenden Stents
Da der Stent extern auf den Ballon angebracht ist, besteht ein Risiko der Stentdislokation bei hochgradigen Stenosen. Dies kann durch eine vorherige PTA verhindert werden. Außerdem kann die Stenose zunächst mittels Führungskatheter überquert, dann der Stent positioniert und schließlich der Stent durch Zurückziehen des Katheter bzw. der Schleuse freigesetzt werden. Durch Balloninflation wird der Stent expandiert. Nach Deflation wird der Ballon entfernt, der Führungsdraht bleibt an Position und mittels Führungskatheter oder Gefäßzugangsschleuse wird die korrekte Position und Expansion dokumentiert.
Besonderheiten bei selbstexpandierenden Stents
Bei selbstexpandierenden Stents wird die Stent-Delivery-Schleuse zurückgezogen, um den Stent zu entfalten. Die Expansion sollte fluoroskopisch überwacht werden, u.a. da einige Stents sich während der Entfaltung erheblich verkürzen. Dann wird das Delivery-System entfernt. Oft ist anschließend eine Angioplastie notwendig.
Nachsorge
Nach Implantation eines arteriellen Stents sollte eine Thrombozytenaggregationshemmung (z.B. mittels Clopidogrel 75 mg/d für 4 - 6 Wochen und eine lebenslängliche Gabe von Aspirin 100 mg/d erfolgen.
Bei venösen Stents sollte eine systemische Antikoagulation erwogen werden, wenn der Stent nach Thrombolyse platziert wurde.
Je nach behandelter Läsion kommen postprozedural nicht-invasive Untersuchungen wie Impedanzplethysmographie, Knöchel-Arm-Index, Duplex-Sonographie oder eine CT-Angiographie zum Einsatz.
Komplikationen
Die gefürchtetsten Komplikationen sind Ruptur, Perforation und Dissektion: z.B. durch Überdimensionierung des Stents oder aggressive PTA. Daher muss der Drahtzugang zur Läsion immer aufrechterhalten werden, bis die Abschluss-DSA durchgeführt. Im Falle einer Ruptur wird der Ballon zur Tamponade aufgeblasen und anschließend ein gecoverter Stent implantiert oder eine chirurgische Reparatur durchgeführt.
Weitere unmittelbare bzw. periprozedurale Komplikationen sind:
- lokale Komplikationen am Zugangsort
- Stentmigration, z.B. bei zu kleinem Stent. Wenn der Draht immer noch über der Läsion liegt, kann der Stent mit einem größeren Stent fixiert werden
- Kontrastmittelkomplikationen
- Distale Embolie durch eine Plaque (Inzidenz 2 - 8 %) oder einen Thrombus. Meist entstehen nur mikroskopische Emboli, die nicht zu Symptomen führen.
Zu den verzögerten Komplikationen zählen:
- In-Stent-Restenose
- Stentfraktur, z.B. an Stellen wiederholter extrinsischer Kompression (z.B. Vena subclavia) oder wiederholter Torsion, Kompression und Flexion (z.B. Arteria femoralis superficialis)
- frühe und späte arterielle Stentthrombose (2 - 10 %)
Outcome
Die technische Erfolgsrate bei Stentimplantation ist anfänglich hoch und hängt von der anatomischen Lage, der Länge der Stenose und der Morphologie der Läsion (z.B. exzentrische Plaques, Verkalkungen) ab. Die Ergebnise sind bei stark bewegten Arealen (z.B. Arteria poplitea) weniger optimal, da hier gehäuft Stentfrakturen auftreten.
Die technischen und klinischen Langzeitergebnisse sind von vielen zusätzlichen Faktoren abhängig, zum Beispiel dem nachgeschalteten Blutfluss, den kardiovaskulären Risikofaktoren und dem Ausmaß der neointimalen Hyperplasie.
Die Raten von In-Stent-Restenosen im Kurz- und Langzeitbereich sind variabel. Im Falle einer Restenose bringt eine erneute PTA zwar eine hohe sofortige Erfolgsrate, jedoch nur mittelmäßige mittel- und langfristige Ergebnise. Eine PTA mit DES weist häufig eine > 90 %ige Durchgängigkeitsrate nach einem Jahr auf.
Therapiealternativen
Alternativ zur Stentimplantation kommen eine interventionell-radiologische Angioplastie oder Atherektomie sowie chirurgische Verfahren wie Bypass-Operation oder Endarteriektomie in Frage.
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