Führungsdraht
Synonym: Mandrin
Definition
Führungsdrähte sind dünne Drähte zur Einführung, Stabilisierung und Positionierung von Kathetern. Sie kommen vor allem in radiologischen, kardiologischen und gefäßchirurgischen Interventionen zum Einsatz. Es handelt sich in der Regel um Einmalartikel, da ihre Sterilisation problematisch ist.
Aufbau
Ein Führungsdraht besteht vereinfacht betrachtet aus einem Korpus und einer Spitze.
Im seinem Inneren hat der Korpus einen Drahtkern, dessen Eigenschaften durch das verwendete Material, den Durchmesser und die Verjüngung im Übergang zur Spitze bestimmt sind.
Die Spitze ermöglicht die Lenkbarkeit des Führungsdrahtes. Dabei handelt es sich meist um röntgendichte Drahtspiralen mit einer kleinen apikalen Abschlusskappe ("tip weld").
Außen ist der Führungsdraht von einer Polymerhülle umgeben ("cover"). Zusätzlich kann eine Beschichtung ("coating") vorliegen, um die Gleitfähigkeit zu verbessern.
Kernmaterialien
Für den Kern des Führungsdrahtes werden im Wesentlichen zwei Materialien verwendet:
- Edelstahl weist ein hohes Drehmoment, einen guten Vorschub, eine sehr gute Führbarkeit sowie eine gute Flexibilität und Haltbarkeit der Drahtspitze auf.
- Nitinol besitzt eine exzellente Flexibilität, eine ausgezeichnete Schubkraft, eine gute Haltbarkeit der Drahtspitze sowie eine hohe Knickresistenz.
Führungsdrähte der 1. Generation haben Edelstahl als Kernmaterial. Führungsdrähte der 2. Generation benutzen Edelstahl mit hoher Zugfestigkeit oder Nitinol als Kernmaterial. Führungsdrähte der 3. Generation sind Hybriddrähte, die im Korpus aus zugfestem Edelstahl und innerhalb ihres Übergangs bzw. ihrer Spitze aus Nitinol bestehen. Hybridführungsdrähte vereinigen vorgenannte Materialeigenschaften und weisen deshalb i.d.R. eine höhere Leistungsfähigkeit auf.
Kerndurchmesser
Kleinere Durchmesser haben eine größere Flexibilität, während größere Durchmesser mehr Support und ein höheres Drehmoment bieten. Teilweise unterscheiden sich die Kerndurchmesser in den verschiedenen Abschnitten eines Führungsdrahts.
Kernverjüngung
Am Übergang des Drahts in die Spitze verringert sich der Kerndurchmesser über eine bestimmte Länge. Die Verjüngung erfolgt stufenweise oder kontinuierlich. Führungsdrähte mit einer abrupten bzw. kurzstreckigen Verjüngung gewährleisten besseren Support auf kürzeren Distanzen, weisen jedoch eine größere Tendenz zum Prolabieren auf. Je länger die Kernverjüngung, desto flexibler ist die Drahtspitze.
Drahtspitzendesign
Man unterscheidet zwei Varianten, die Einfluss auf die Haltbarkeit und Lenkbarkeit des Führungsdrahtes nehmen:
- Core-to-Tip-Design: Der Drahtkern reicht bis zur Spitze, macht diese haltbarer und lenkbarer und verbessert die Kraftübertragung sowie das taktile Feedback (Rekanalisierungsdraht).
- Shaping-Ribbon-Design: Der Drahtkern erstreckt sich nicht bis zur Spitze, die somit filigran, flexibel und weich ist. Die Spitze weist eine leichte Verformbarkeit und eine Tendenz zum Prolabieren auf. Sie gilt als atraumatisch (reiner Führungsdraht).
Je nach Spitzensteifigkeit unterscheidet man
- Floppy-Drähte
- Intermediate-Drähte (Workhorse-Drähte): Steifigkeit zwischen 0,5 und 0,9 g. Dadurch gewisse Ausgeglichenheit hinsichtlich ihrer Flexibilität, ihres Supports und ihrer Lenkbarkeit.
- Extra-Support-Drähte: höhere Steifigkeit, höherer Support, Risiko für Dissektionen und Perforationen erhöht
Umgebende Hüllen und Spiralen
Spiralen an der Führungsdrahtspitze beeinflussen Support, Führbarkeit, Konfigurierbarkeit und Röntgendichtigkeit und durch Verbindung mit dem Drahtkern auch die Drehmomentübertragung, das taktile Feedback sowie die Haltbarkeit. Platinspiralen gelten als nachgiebiger und röntgendichter im Vergleich zu solchen aus Edelstahl, die eher starrer sind. Spiralen können auch für gewisse Friktionen verantwortlich sein.
Führungsdrahthüllen aus Polymeren umgeben Drahtkern und -spirale und steigern die Gleitfähigkeit des Drahtes und somit die Führbarkeit und Läsionspassage.
Beschichtung
Führungsdrähte können mit einer zusätzlichen Beschichtung versehen sein. Man unterscheidet:
- Hydrophile Beschichtung: Sie steigert die Lubrizität. Dadurch ist der Führungsdraht abnutzungsbeständiger und weniger thrombogen. Er weist außerdem eine geringere Friktionstendenz und eine bessere Führbarkeit vor allem in gewundenen und engen Gefäßsegmenten auf. Mit zunehmender Gleitfähigkeit geht das taktile Feedback verloren.
- Hydrophobe Beschichtung: Sie hat eine wachsartige, wasserabweisende Oberfläche. Dadurch werden das taktile Feedback und die Trackability verbessert, die Friktionstendenz reduziert und eine gewisse Verankerungstendenz hergestellt.
Eigenschaften
Wichtige Eigenschaften von Führungsdrähten sind:
- Drehmomentübertragung (Torquetransmission): Potenzial eines Führungsdrahts, eine Drehbewegungskraft am proximalen Drahtende exakt auf das distale Ende zu übertragen.
- Pushability (Push Transmission, Steerability): Vorschub, Schubkraftübertragung bzw. Lenkbarkeit sind synonym verwendete Begriffe und beschreiben die Fähigkeit einer Führungsdrahtspitze, eine avisierte Position im Gefäß zu erreichen.
- Trackability: Führbarkeit eines Führungsdrahts
- Crossability: Fähigkeit eines Führungsdrahts, eine bestimmte Läsion zu durchqueren bzw. zu passieren.
- Support: Führbarkeit, d.h. die Stärke der Drahtunterstützung (Drahtsteifigkeit), die sich auf ein Kathetersystem überträgt und dieses so stabilisiert, dass es nicht zu Verformungen kommt.
- Taktiles Feedback: Rückkopplung, die der Behandler am proximalen Ende des Führungsdrahts spürt und die widerspiegelt, wie sich das distale Drahtende verhält.
- Flexibilität: Anpassung des Drahtes an gewundene Gefäßverläufe
- Haltbarkeit und Elastizität der Führungsdrahtspitze ("tip durability" bzw. "tip elasticity"): Sie zielt auf die Fähigkeit der Spitze ab, eine vorgegebene Form bzw. Konfiguration beizubehalten (Shape Memory Retention).
- Haltbarkeit des Führungsdrahts ("wire durability"): Sie bezieht sich auf die Knickresistenz des Drahtes.
- Prolabierungstendenz: Wenn der eigentliche Drahtschaft seiner Spitze in gewundenen bzw. gewinkelten Gefäßen nicht folgt und als Folge davon umschlägt.
- Penetrationskraft der Führungsdrahtspitze: Sie errechnet sich aus dem Verhältnis der Spitzensteifigkeit ("tip load") zur Spitzenfläche und wird in kg/in2 ausgedrückt. Die Spitzensteifigkeit ist definiert als die Kraft, die benötigt wird, um die Spitze 2 mm zu biegen, wenn der Draht 10 mm von der Spitze verspannt wird.
- Röntgenopazität: Sichtbarkeit eines Führungsdrahts unter Röntgendurchleuchtung.
Literatur
- Kickuth R et al. Grundlagen der interventionellen Therapie. In: Mahnken A, Thomas C, Wilhelm K, Hrsg. Interventionelle Radiologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019.
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