Morbus Basedow
nach Karl Adolf von Basedow (1799 bis 1854), deutscher Arzt (Merseburg)
Synonyme: Basedow-Thyreoiditis, Basedow'sche Krankheit, Basedow-(Graves)-Krankheit, immunogene Hyperthyreose vom Typ Basedow, Immunhyperthyreose
Englisch: Grave's disease
Definition
Als Morbus Basedow wird eine Autoimmunthyreopathie bezeichnet, die zu einer Hyperthyreose führt und mit der klassischen Trias (Merseburger Trias) aus Struma, Exophthalmus und Tachykardie vergesellschaftet ist.
Epidemiologie
Frauen sind fünf- bis achtmal häufiger betroffen als Männer. Zwei Drittel der Betroffenen erkranken nach dem 35. Lebensjahr.
Ätiologie
Die Erkrankung ist mit HLA-DR3 assoziiert. Da zudem oft eine familiäre Häufung besteht, vermutet man eine genetische Prädisposition. Außerdem ist eine Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen, bspw. mit Diabetes mellitus Typ 1, Morbus Addison und chronischer Polyarthritis bekannt. Ob zudem auch exogene Faktoren, wie z.B. Virusinfektionen, Auslöser sein können, ist bislang (2024) nicht abschließend geklärt.
Pathophysiologie
Im Rahmen des M. Basedow werden Autoantikörper vom IgG-Typ (TRAK) gebildet, die sich gegen die TSH-Rezeptoren auf den Follikelzellen der Schilddrüse richten. TRAK imitieren die natürliche TSH-Wirkung und führen über eine Dauerstimulation der Rezeptoren zu folgenden Konsequenzen:
- Es entsteht ein chronischer Wachstumsreiz, der zur Entwicklung einer Struma führt.
- Die Schilddrüsenzellen produzieren und sezernieren vermehrt T3 und T4, sodass eine Thyreotoxikose entsteht.
Die Autoantikörper aktivieren zudem auch das Komplementsystem mit der resultierenden opsonierenden und leukotaktischen Wirkung. So ergibt sich in einigen Fällen eine Zerstörung des Schilddrüsengewebes mit nachfolgender Hypothyreose.
Extrathyreoidale Manifestationen wie die endokrine Orbitopathie und das prätibiale Myxödem treten aufgrund einer Bindung der Antikörper außerhalb der Schilddrüse auf.
Im Gegensatz zu anderen Ursachen einer Hyperthyreose wird die Sekretion von TSH aber gleichzeitig supprimiert, da die Antikörper auch TSH-Rezeptoren in der Hypophyse besetzen (immunogene TSH-Anregung, s. auch Brokken-Wiersinga-Prummel-Regelkreis). Der TSH-Spiegel korreliert daher nicht genau mit dem Schweregrad der Hyperthyreose und reicht als alleiniger Parameter zur Verlaufskontrolle nicht aus.
Merseburger Trias
Das klinische Vollbild aus Struma, Tachykardie und Exophthalmus liegt in ca. 50 % der Fälle vor. Die Exophthalmus-Symptomatik entspringt wahrscheinlich einer eigenständigen Autoimmunerkrankung, die häufig zusammen mit dem Morbus Basedow auftritt. Dabei werden zytotoxische Autoantikörper gegen die retroorbitale Strukturen, insbesondere gegen Fibroblasten, gebildet. Das Hervortreten der Augäpfel (ggf. nur einseitig) wird durch die entzündliche Schwellung und daraus folgende Fibrose erklärt.
Symptome
Die Symptome des Morbus Basedow entsprechen (neben den drei genannten Leitsymptomen) denen der Hyperthyreose:
- Gewichtsabnahme trotz gesteigerten Appetits
- Durchfall
- Hyperhidrosis
- Wärmeintoleranz, ggf. subfebrile Temperaturen
- Polydipsie
- RR-Amplitude > 60 mmHg
- Herzrhythmusstörungen (Extrasystolen, Vorhofflimmern)
- psychomotorische Unruhe:
- feinschlägiger Tremor
- Nervosität
- Schlafstörungen
- Verminderte Leistungsfähigkeit
- Gestörte Glukosetoleranz
- Osteoporose
- Myopathie
- ggf. Zyklusstörungen
Diagnostik
Die Diagnose wird in der Zusammenschau von klinischen, sonographischen, laborchemischen und nuklearmedizinischen Befunden gestellt.
- Körperliche Untersuchung: Schwirren bzw. surrendes oder brummendes Geräusch bei Auskultation der vorderen Halsregion, da die Schilddrüse überaktiv ist und eine verstärkte Vaskularisation (mit turbulenten Blutfluss) aufweist.
- Schilddrüsensonographie: Es zeigt sich typischerweise ein echoarmes, stark perfundiertes und vergrößertes Schilddrüsengewebe.
- Labor
- Typische Befunde:
- Blutbild und Differentialblutbild unauffällig
- Thyreotoxikose: Erhöhte T3- und T4-Spiegel
- positive TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK)
- supprimierte TSH-Spiegel (sowohl durch Thyreotoxikose als auch durch TRAK)
- Gelegentlich zu beobachten:
- isoliertes High-T3-Syndrom (latente Hyperdejodierung)
- positive Thyreoglobulin-Antikörper (Anti-Tg) und/oder Thyreoperoxidase-Antikörper (Anti-TPO, im Falle eines Morbus Basedow mit Hashimoto-Komponente)
- Typische Befunde:
- Schilddrüsenszintigraphie: Struma mit gesteigertem Technetium-Uptake, im Sinne einer Hyperthyreose. Paradox reduzierter regionaler Uptake beim Marine-Lenhart-Syndrom.
Die endokrine Orbitopathie wird anhand der Kriterien Lidschwellung, Exopthalmus, muskuläre Dysfunktion und Optikusschädigung bemessen.
Therapie
Medikamentös
Eine manifeste Hyperthyreose stellt eine klare Indikation für eine thyreostatische Therapie dar. Nach Normalisierung des T3- und T4-Spiegels sollte die Dosis so reduziert werden, dass eine euthyreote Stoffwechsellage aufrechterhalten wird. Mittel der ersten Wahl sind Thiamazol und Carbimazol.
Nach einem bestimmten Zeitraum (meist nach weniger als einem Jahr) wird eine Therapiepause unter regelmäßiger Kontrolle der Schilddrüsenwerte eingelegt. In vielen Fällen kann eine Remission erreicht werden, bei Persistenz oder einem Rezidiv sollte jedoch eine definitive Therapie erwogen werden. Wenn unter der thyreostatischen Therapie die TRAK im Serum erhöht bleiben, kann auch schon nach sechs Monaten eine definitive Therapie empfohlen werden.
Definitiv
Die Indikationen für eine definitive Therapie sind persistierende, therapierefraktäre, rezidivierende und schwere Verläufe. Auch eine hochgradige endokrine Orbitopathie bedarf oft einer Operation oder einer Radiojodtherapie.
Zur Vorbereitung ist unbedingt eine euthyreote Situation anzustreben, da es im Rahmen des Zellzerfalls bzw. durch die iatrogene Verletzung der Schilddrüse zur Freisetzung von Schilddrüsenhormonen kommt. Wenn bereits eine hyperthyreote Stoffwechsellage vorliegt, besteht dann die Gefahr einer thyreotoxischen Krise.
Radiojodtherapie
Bei einer Zieldosis von 200 Gy kann in der Mehrzahl der Fälle eine dauerhafte Remission erreicht werden.
Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist diese Therapieform streng kontraindiziert.
Operation
Eine Operation ist der Radiojodtherapie vorzuziehen, wenn eine mittelgroße bis große Struma vorliegt und wenn bei Frauen ein aktueller Kinderwunsch besteht.
In der Regel wird eine totale Thyreoidektomie durchgeführt, weshalb nach der Operation ein Substitutionsbedarf mit Levothyroxin besteht.
Prognose
Die Prognose ist individuell sehr unterschiedlich. In 50 % der Fälle kommt es im Laufe von einem oder zwei Jahren zu einer spontanen Remission. Gelegentlich kann es in diesen Fällen auch nach mehreren Jahren zu einem Rezidiv kommen. Die andere Hälfte der Fälle mündet in einen chronischen Verlauf, teils mit der Entwicklung einer endokrinen Orbitopathie.
Prognose bei Schwangerschaft
Patientinnen mit einer aktiven Basedow-Krankheit sollte von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Zum einen ist die Rate der Frühaborte unter thyreostatischer Therapie erhöht. Zum anderen werden TRAK transplazentar übertragen, so dass Feten von Basedow-Patientinnen ein höheres Risiko für eine neonatale Thyreotoxikose aufweisen. Diese manifestiert sich durch ein verzögertes intrauterines Wachstum und eine persistierende fetale Tachykardie. Aufgrund des erhöhten fetalen Risikos ist bei bestehender Hyperthyreose eine sofortige Therapie (medikamentös oder ggf. operativ) angeraten.
Weblinks
- www.morbusbasedow.de (ausführliche Informationswebsite)