Aneurysmatische Subarachnoidalblutung
Synonyme: aneurysmale Subarachnoidalblutung, aneurysmatische SAB
Englisch: aneurysmal subarachnoid hemorrhage, aSAH
Definition
Eine aneurysmatische Subarachnoidalblutung, kurz aSAB, ist eine Blutung in den Subarachnoidalraum die durch eine Ruptur eines Hirnaneurysmas entsteht. Sie ist die mit Abstand häufigste Form der spontanen bzw. nicht-traumatischen Subarachnoidalblutung (ntSAB).
Ursachen
Die aneurysmatische SAB entsteht meist durch Ruptur eines sacciformen bzw. beerenförmigen Aneurysmas oder seltener eines Blood-Blister-like Aneurysmas. Weniger häufige Ursachen sind einen intrakranielle Dissektion und ein Aneurysma dissecans.
Epidemiologie
Die Prävalenz der aSAB beträgt ca. 10 bis 12 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Die Inzidenz nimmt mit dem Alter zu und erreicht den Höhepunkt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Kinder sind eher selten von einer aSAB betroffen. Eine SAB ist für ca. 10 % aller hämorrhagischen Schlaganfälle im Kindesalter verantwortlich.
Lokalisation
Die meisten sacciformen Aneurysmen befinden sich im Circulus arteriosus Willisi oder an der Bifurkation der Arteria cerebri media (MCA). Daher finden sich bei der aneurysmalen SAB vornehmlich Blutanteile in der Cisterna suprasellaris und in der Sylvischen Fissur.
Gelegentlich rupturiert ein Aneurysma direkt in das Hirnparenchym und nicht in den Subarachnoidalraum. Dies geschieht insbesondere, wenn der Apex eines Aneurysmas der Arteria communicans anterior (ACom) nach superior zeigt und in den Frontallappen platzt.
Klinik
Mindestens 75 % der Patienten mit einer SAB stellen sich mit plötzlich einsetzenden, in der Stärke bisher nicht erlebten Kopfschmerzen vor. Die schwerste Form wird auch als Vernichtungskopfschmerz oder Donnerschlagkopfschmerz bezeichnet. Diese extreme Kopfschmerzform setzt plötzlich ein und erreicht innerhalb von Sekunden bis Minuten ihren Höhepunkt. Eine aSAB ist für ca. 4 bis 12 % der Vernichtungskopfschmerzen verantwortlich.
Ein Drittel der Patienten mit aSAB beklagen Nackenschmerzen. Ein weiteres Drittel berichtet über Erbrechen. 10 bis 25 % der Patienten berichten Tage oder bis zu zwei Wochen vor dem Auftreten einer SAB über Kopfschmerzen. Diese Sentinel-Kopfschmerzen treten plötzlich auf, sind intensiv und anhaltend. Vermutlich entstehen sie durch eine geringe Blutung aus dem Aneurysma vor der eigentlichen Ruptur.
Klassifikation
Die häufigsten Klassifikationssysteme der aSAB sind die Klassifikation nach Hunt und Hess sowie die der World Federation of Neurosurgical Societies (WFNS-Skala). Der vermutlich beste prädiktive Wert beruht allein auf der Glasgow Coma Scale (GCS).
...nach GCS
Grad | GCS |
---|---|
0 | nicht rupturiertes Aneurysma |
1 | 15 |
2 | 12 bis 14 |
3 | 9 bis 11 |
4 | 6 bis 8 |
5 | 3 bis 5 |
...nach Hunt und Hess
Grad | Hunt und Hess |
---|---|
0 | nicht rupturiertes, asymptomatisches Aneurysma |
1 | asymptomatisch oder geringe Kopfschmerzen |
2 | moderate/schwere Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit und/oder Hirnnervenparese |
3 | Schläfrigkeit, Verwirrtheit, milde neurologische Defizite |
4 | Stupor, moderate/schwere Hemiparese, beginnende Dezerebration |
5 | Dezerebration, schweres Koma, moribund |
...nach WFNS
Die Klassifikation der WFNS liegt in einer originären und einer modifizierten Version (m-WFNS) vor.
Grad | WFNS | m-WFNS |
---|---|---|
0 | nicht rupturiertes Aneurysma | nicht rupturiertes Aneurysma |
1 | GCS: 15 | GCS: 15 |
2 | GCS: 13 bis 14, keine neurologischen Defizite | GCS: 14 |
3 | GCS: 13 bis 14, fokal-neurologische Defizite | GCS: 13 |
4 | GCS: 7 bis 12 | GCS: 7 bis 12 |
5 | GCS: 3 bis 6 | GCS: 3 bis 6 |
...nach Fisher
Die modifizierte Fisher-Skala basiert rein auf dem computertomographischen Erscheinungsbild und nicht auf klinischen Befunden. Je höher der Grad, desto höher ist das Risiko eines Vasospasmus, eines verzögerten Infarkts und eines schlechten klinischen Ergebnisses.
Grad | Modifizierte Fisher-Skala |
---|---|
0 | keine SAB oder intraventrikuläre Blutung (IVB) |
1 | ≤ 1 mm SAB, keine IVB |
2 | ≤ 1 mm SAB, IVB |
3 | > 1 mm SAB, keine IVB |
4 | > 1 mm SAB und IVB oder intrazerebrale Blutung |
Diagnostik
Bei Vernichtungskopfschmerzen und dem Verdacht auf eine aSAB wird i.d.R. eine native Schädel-CT durchgeführt. Die Sensitivität beträgt in den ersten 6 Stunden nach Beginn der Symptomatik nahezu 100 %. Wenn die CT keine SAB zeigt und die neurologische Untersuchung unauffällig ist, ist eine Lumbalpunktion i.d.R. unnötig.
Computertomographie
In der CT fällt eine aSAB i.d.R. durch hyperdense Zisternen und Sulci auf. Teilweise grenzt das hyperdense subarachnoidale Blut den relativ hypodens imponieren Aneurysmasack ab. Die Lokalisation der betroffenen Zisternen lässt in gewissenem Maße Rückschlüsse auf das aneurysmatische Gefäß zu:
- Aneurysma der Arteria communicans anterior (Acom): Fissura longitudinalis cerebri
- Aneurysma an der Bifurkation der Arteria cerebri media (MCA): Sulcus lateralis
- Aneurysma der Arteria carotis interna (ICA) und der Arteria communicans posterior (Pcom): Cisterna suprasellaris
- Aneurysma der Arteria vertebralis oder Arteria basilaris: Vierter Ventrikel, Foramen magnum
Eine intraventrikuläre Blutung liegt bei fast 50 % der Fälle vor. Sie ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von Komplikationen im Krankenhaus und einer schlechteren Prognose 3 Monate nach der SAB assoziiert. Fokale intrazerebrale Blutungen sind selten und zeigen im Allgemeinen die Rupturstelle des Aneurysmas an.
Neben der erwähnten Fischer-Skala stellt die computergestützte quantitative Bestimmung des SAB-Volumens ebenfalls einen guten Prädiktor für die verzögerte zerebrale Ischämie und das funktionelle Ergebnis bei einer SAB dar.
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird insbesondere durchgeführt, wenn in der CT und CT-Angiographie (CTA) keine Ursache für eine ntSAB festgestellt wurde. Die akute aSAB ist in T1w isointens im Vergleich zum Gehirn. Die Liquorzisternen erscheinen "schmutzig". In T2w und FLAIR ist die akute aSAB hyperintens im Vergleich zum Gehirn.
Angiographie
Bei einer aSAB mit einem über 2 mm großen Aneurysma ist die CTA in 95 % d.F. positiv. Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) gilt als diagnostischer Goldstandard für den Nachweis und die Darstellung des Aneurysmas. Ist die CTA negativ kann die DSA bei 13 % eine Gefäßpathologie nachweisen. In 15 % d.F. findet sich kein ursächliches Aneurysma in der Standard-DSA. Die Rate der Angio-negativen SAB kann mittels 3D-Rotationsangiographie und 3D-Shaded-Surface-Displays auf 4 bis 5 % reduziert werden. Eine erneute DSA identifiziert bei weiteren 4 % der Patienten ein Aneurysma oder ein Pseudoaneurysma. Daher wird eine Wiederholung der DSA oder CTA bei Patienten mit diffuser SAB und negativer DSA empfohlen.
Differenzialdiagnosen
- Traumatische SAB (tSAB): v.a. in den oberflächlichen Sulci neben kortikalen Kontusionen und Lazerationen
- Perimesencephale nicht-aneurysmatische SAB (pnSAB): geringeres Ausmaß und beschränkt auf Cisterna interpeduncularis, ambiens und pontis. Teilweise ist auch die Cisterna suprasellaris und selten die Sylvische Fissur betroffen.
- konvexale SAB (cSAB): in den oberflächlichen Sulci der Großhirnkonvexität lokalisiert, meist nur ein einzelner Sulcus. Ursächlich sind u.a. Verschluss einer kortikalen Vene, Amyloidangiopathihe, Vaskulitis und RCVS.
- Pseudo-SAB: Ein schweres Hirnödem erscheint hypodens, sodass das Blut in den zerebralen Arterien und Venen hyperdens erscheint.
- Subarachnoidale FLAIR-Hyperintensitäten:
- Meningitis
- Meningeosis carcinomatosa
- Hyperintense Gefäße mit langsamem Fluss (akuter arterieller Schlaganfall, piale Kollateralen nach Ischämie/Infarkt, Sturge-Weber-Syndrom, Moyamoya-Erkrankung, RCVS)
- Artefakte (unvollständige Liquorsuppression, Liquorflussartefakte)
- Hyperoxygenierung
- Kontrastmittelaustritt in den Subarachnoidalraum (z.B. bei chronischer Nierenerkrankung oder Störung der Blut-Hirn-Schranke)
Komplikationen
Ischämie
Eine zerebrale Ischämie ist die Hauptkomplikation einer SAB. Man unterscheidet zwischen einer frühen und einer verzögerten Ischämie:
Frühe zerebrale Ischämie
Die frühe bzw. akute Ischämie tritt unmittelbar nach der Aneurysmaruptur auf und wird durch eine akute Vasokonstriktion ausgelöst, die sich innerhalb von Minuten entwickeln kann. Ischämische Veränderungen lassen sich bei vielen Patienten innerhalb der ersten 3 Tage nach SAB feststellen. Akute zerebrale Ischämien sind mit einer höheren Sterblichkeitsrate und einer schlechteren Prognose assoziiert. Pathophysiologisch spielen Mikrothromben, Entzündungsreaktionen mit Zytokinproduktion und oxidativem Stress (incl. Lipidperoxidation), mikrovaskuläre Vasokonstriktionen und die sogenannte kortikale Streuischämie ("cortical spreading ischemia") eine Rolle.
Verzögerte zerebrale Ischämie
Die verzögerte bzw. subakute zerebrale Ischämie (DCI) entsteht meist 4 bis 10 Tage nach einer aSAB. Sie wird häufig, aber nicht zwangsläufig durch einen zerebralen Vasospasmus (CVS) ausgelöst. CVS und subakute Ischämie finden sich bei ca. 2/3 der Patienten mit aSAB, wobei ungefähr 30 % symptomatisch werden. Über 50 % entwickeln auch verzögerte Infarkte. Ein hohes Risiko weisen Patienten mit großer SAB auf.
Diagnostik
Zu den nichtinvasiven Methoden zur Erkennung von Komplikationen im Frühstadium nach einer SAB gehören:
- Farbduplexsonographie
- transkranielle Dopplersonographie
- CT-Angiographie
- MRT mit MR-Perfusion: sensitivste Untersuchung für die Erkennung früher ischämischer Veränderungen.
- CT mit CT-Perfusion: Insbesondere die MTT und CBF sind nützlich für die Vorhersage einer verzögerten Ischämie. Eine Reduktion der CBF um 7,6 ml/min/100 g oder ein Anstieg der MTT um 0,91 Sekunden am 4. Tag im Vergleich zum Tag 0 sagt eine DCI mit 100 % bzw. 84 % Sensitivität voraus. Weiterhin ist eine MTT der Großhirnhemisphären von über 4 Sekunden hinweisend auf einen zerebralen Vasospasmus.
Eine DSA gilt weiterhin als Goldstandard für die Diagnose eines zerebralen Vasospasmus. Bei 11 % der Patienten lässt sich innerhalb von 72 Stunden nach einer SAB ein Vasospasmus nachweisen. Typisch sind mehrere segmentale Vasokonstriktionen und unnregelmäßig verengte Gefäße. Frühe angiographisch-nachweisbare Vasospasmen korrelieren mit einem verzögerten symptomatischen Vasospasmus, der einen endovaskulären Eingriff (intraarterielle Spasmolyse oder Angioplastie) erfordert.
Obstruktiver Hydrozephalus
Ein obstruktiver Hydrozephalus entwickelt sich häufig bei Patienten mit aSAB, manchmal bereits innerhalb von Stunden. Er kann durch eine IVB noch verschlimmert werden. In der Bildgebung erscheinen die Ränder der Seitenventrikel unscharf abgrenzbar. Ursächlich ist die vermehrte periventrikuläre Extrazellularflüssigkeit.
Terson-Syndrom
Bei 12 bis 13 % der Patienten mit aSAB kommt es zu einer intraokulären Blutung, vermutlich durch den raschen Anstieg des Hirndrucks. Dies wird als Terson-Syndrom bezeichnet. Die Blutung ist meist subhyaloid lokalisiert, seltener in der Retina oder im Glaskörper.
Neurodegeneration
Biomarker für neurodegenerative Veränderungen wie proteolytische Fragmente von Calpain, hypophosphoryliertes Neurofilament H, Ubiquitinligase und neuronenspezifische Enolase steigen nach einer schweren aSAB an. Sie können hinweisend auf dauerhafte Hirnfunktionsstörungen sein.
Therapie
Nach Identifikation des Aneurysmas wird dieses durch Clipping oder Coiling okkludiert. Weiterhin müssen Vasospasmen verhindert bzw. behandelt werden.
Prognose
Die aSAB verläuft bei mehr als zwei Drittel der Patienten tödlich oder führt zu Behinderungen. Etwa ein Drittel der Patienten mit aSAB stirbt innerhalb von 72 Stunden. Ohne Behandlung haben rupturierte sackförmige Aneurysmen innerhalb der ersten zwei Wochen nach der ersten Blutung eine Wiederblutungsrate von 20 %. Weiterhin haben Patienten, die eine SAB überleben, ein erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung neuer intrakranieller Aneurysmen und neuer SAB-Episoden (ca. 2 % pro Jahr).
Prognostisch ungünstige Faktoren sind:
- zunehmendes Alter
- Verschlechterung des neurologischen Zustands
- großes Aneurysma
- große Mengen an SAB auf dem ersten CT-Scan
- intrazerebrales Hämatom
- intraventrikuläre Blutung
- kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Myokardinfarkt