Zerebrales Aneurysma
Synonyme: cerebrales Aneurysma, Hirnarterienaneurysma, Gehirnaneursyma
Englisch: cerebral aneurysm
Definition
Zerebrale Aneurysmata sind pathologische Aussackungen der Gefäßwand (Aneurysmen), die meistens an den Teilungsstellen der großen Hirnarterien liegen. Sie gehören wie die Angiome und Cavernome des Gehirns zu den zerebralen Angiodysplasien.
Ätiologie
Der mechanische Druck, der an Bifurkationen von Gefäßen entsteht, spielt eine wichtige Rolle bei der Aneurysmaentstehung, denn viele Aneurysmata entstehen an Stellen, an denen sich Gefäße aufzweigen. Histologisch findet man hier meistens eine Ausdünnung der Tunica media, der Muskelschicht der Arterien. Aneurysmata sind in fast allen Fällen erworben, nur selten sind kongenitale Aneurysmata vorzufinden.
Als prädisponierende Faktoren gelten
sowie vermeidbare Risikofaktoren wie Hypertonie und Rauchen.
Einteilung
Anhand der Morphologie, Größe und Lage unterscheidet man:
Sakkuläres Aneurysma
Ein sakkuläres Aneurysma (SA) ist die häufigste Form und wird auch als beerenförmiges Aneurysma ("berry aneurysm") bezeichnet. Es handelt sich um eine erworbene Läsion, die an Verzweigungsstellen der großen Hirnarterien entstehen, an denen die hämodynamischen Belastungen hoch sind. In der Regel fehlen Membrana elastica interna und Tunica media. Mehr als 90 % der SAs treten im vorderen Teil des Hirnkreislaufs bzw. im Karotis-Kreislauf auf.
Blood-Blister-like Aneurysma
Beim sogenannten Blood-Blister-like Aneurysma (BBAs) handelt es sich um exzentrische halbkugelförmige arterielle Ausstülpungen, die nur von einer dünnen Adventitia bedeckt sind. Sie rupturieren im Vergleich zu SAs bereits bei einer viel geringeren Größe und in einem relativ jungen Alter. BBAs können überall vorkommen, treten aber bevorzugt entlang der supraklinoidalen Arteria carotis interna (ACI) auf.
Fusiformes Aneurysma
Ein fusiformes Aneurysma (FA) ist eine relativ kurzstreckige fokale Dilatation, die den gesamten Gefäßumfang betrifft. Sie kommen häufiger im hinteren bzw. vertebrobasilären Kreislauf vor. Man unterscheidet weiterhin zwischen:
- atherosklerotischen FAs: häufiger
- nicht-atherosklerotischen FAs: assoziiert mit Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV
Pseudoaneurysma
Pseudoaneurysmen sind fokale, oft unregelmäßig geformt arterielle Dilatationen, die keine Schichten der normalen Arterienwand aufweisen. Sie bestehen typischerweise aus einem paravaskulären Blutgerinnsel, das kavitiert und mit dem ursprünglichen Gefäßlumen kommuniziert. Ein Pseudoaneurysma kommt häufiger extrakraniell vor. Intrakraniell entsteht es oft aus mittelgroßen Arterien distal des Circulus arteriosus. Häufige Ursachen sind Trauma, Drogenabusus, Infektionen und Tumore.
Sonderformen
- Riesenaneurysma ("giant aneurysm")
- Serpentin-Aneurysma
Klinik
Zerebrale Aneurysmen können - so lange sie intakt sind - klinisch stumm sein und werden oft als Zufallsbefund im Rahmen einer CT- oder MRT-Untersuchung entdeckt. Gelegentlich rufen sie uncharakteristische Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Nausea hervor.
Weitere Symptome sind abhängig von der Größe und Lokalisation des Aneurysmas. Größere Aneurysmen können durch die mit ihnen einhergehende Raumforderung zu fokalen oder generalisierten epileptischen Anfällen, zu neurologischen Ausfällen (z.B. zu Hirnnervenausfällen) oder im Extremfall zur Hirnstammkompression führen.
Wenn ein Aneurysma rupturiert, kommt es zu einer Rhexisblutung, die sich als lebensbedrohliche Subarachnoidalblutung (SAB) manifestiert. Sie geht mit der Symptomatik eines Schlaganfalls einher.
Diagnostik
Aneurysmata können mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden. Die höchste Sensitivität besitzt die Angiografie, gefolgt von der MRT und der CT.
Aneurysma an der Arteria cerebri media, 3D-Rekonstruktion
Therapie
Das therapeutische Vorgehen hängt von der Anamnese des Patienten (SAB in der Vorgeschichte?, Symptome vorhanden?), sowie von der Größe, Lokalisation und der anatomischen Konfiguration des Aneurysmas ab. Für asymptomatische intrakranielle Aneurysmen im Bereich der vorderen Zirkulation mit einem Maximaldurchmesser < 7 mm ohne SAB in der Vorgeschichte werden in den Therapieleitlinien keine generellen Behandlungsempfehlungen gegeben.
Aneurysmen gleicher Lokalisation mit einem Maximaldurchmesser von > 7 mm rechtfertigen eine Behandlung, wenn das Alter, der neurologische Zustand und der Allgemeinzustand des Patienten es erlauben. Das gleiche für asymptomatische intrakranielle Aneurysmen der hinteren Zirkulation.
Die Behandlung asymptomatischer Aneurysmen ist umstritten. Das Risiko eine Aneurysmablutung zu erleiden, beträgt durchschnittlich 0,5-1% pro Jahr. Demgegenüber steht das Risiko einer neurochirurgischen oder endovaskulären Behandlung. Bei jedem Patient muss daher individuell abgewogen werden.
- Bei der chirurgischen Behandlung durch Clipping schaltet man das Aneurysma mittels eines Clips aus der Zirkulation aus.
- Ein Wrapping ummantelt das Aneurysma und verstärkt somit seine Wand.
- Beim Coiling werden haarfeine Platinspiralen (Coils) endovaskulär in das Aneurysma geschoben, um eine Embolisation zu provozieren.
- Flow Diverter sind spezielle Stent-Systeme. Sie lenken den Blutstrom am Aneurysma vorbei, und führen so zu seinem allmählichen Verschluss.
Bei einem sogenannten Giant-Aneurysma (zerebrales Aneurysma mit einem Durchmesser über 2,5 cm) kann ein extrakraniell-intrakranieller Bypass (EC-IC Bypass) durchgeführt werden.[1][2]
Die perioperative Morbidität beträgt selbst in spezialisierten Kliniken rund 5%.
Prognose
Die Prognose für Patienten mit nichtruptierten Aneurysmata ist nach erfolgreicher Behandlung gut.
Leitlinie
- S1-Leitlinie für die Behandlung nichtrupturierter intrakranieller Aneurysmen (abgelaufen), DGN, Stand 2012. Abgerufen am 24.09.2024.
- S2e-Leitlinie Unruptierte intrakranielle Aneurysmen (angemeldet) im AWMF-Register, DGN, Fertigstellung geplant für November 2024.
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