Arteria carotis interna
Synonym: ACI
Englisch: internal carotid artery, ICA
Definition
Die Arteria carotis interna, kurz ACI, ist ein Ast der Arteria carotis communis. Sie versorgt nach ihrem Durchtritt durch den Canalis caroticus den vorderen Teil des Gehirns sowie das Auge und seine Anhänge und sendet kleinere Äste zur Stirn und zur Nase aus.
Einteilung
...nach anatomischem Verlauf
Nach ihrem Verlauf und den umgebenden anatomischen Strukturen lässt sich die Arteria carotis interna von kaudal nach kranial in 4 Abschnitte aufteilen:
- Pars cervicalis: Verlauf von der Karotisbifurkation bis zum Eintritt in die Schädelbasis
- Pars petrosa: Eintritt in Canalis caroticus, Verlauf durch das Os petrosum, zunächst vertikal, dann horizontal über das Foramen lacerum hinweg bis zur Pyramidenspitze.
- Pars cavernosa: Verlauf innerhalb des Sinus cavernosus, macht eine S-förmige Krümmung (Karotissiphon) und weist dabei eine räumliche Nähe zum Chiasma opticum auf.
- Pars cerebralis: Intraduraler Verlauf nach dem Durchstoßen der Dura mater auf Höhe des Processus clinoideus anterior bzw. am Abgang der Arteria ophthalmica. Unterhalb des Nervus opticus nach posterior und superior bis zum "Karotis-T" mit Abgang der Arteria communicans posterior und Arteria choroidea anterior.
...nach Bouthillier
Neben dieser in der Anatomie üblichen Einteilung wird in der Neurochirurgie auch die Einteilung nach Bouthillier verwendet, welche die Arteria carotis interna in 7 Segmente einteilt:[1]
- C1: Zervikales Segment: Beginn an Karotisbifurkation, Ende mit Eintritt in Canalis caroticus
- C2: Petröses bzw. horizontales Segment: Bereich innerhalb des Canalis caroticus. Ende am posterioren Rand des Foramen lacerum.
- C3: Lacerum-Segment: Beginn mit Austritt aus Canalis caroticus bis zum petrolingualen Ligament (periostaler Ausläufer vom Canalis caroticus).
- C4: Kavernöses Segment: Verlauf im Sinus cavernosus mit vertikalem Anteil, posterior konvexer Biegung, horizontalem Anteil und anterior konvexer Biegung.
- C5: Clinoidales Segment: wird durch den inkompletten proximalen und den kompletten distalen Duraring gebildet.
- C6: Ophthalmisches Segment: zwischen distalem Duraring (also intradural) bis proximal des Abgangs der Arteria communicans posterior.
- C7: Terminales bzw. Communicans-Segment: Beginn vor Abgang der Arteria communicans posterior. Ende am Karotis-T.
...nach NYU-Klassifikation
Die NYU-Klassifikation 2014 wird insbesondere in der Neuroradiologie zur angiografischen Beurteilung von Aneurysmen verwendet. Hierbei werden ebenfalls 7 Segmente unterschieden:
- Zervikales Segment: analog zu C1
- Petröses Segment: umfasst C2 und C3. Das petrolinguale Ligament ist angiografisch nicht sichtbar, daher wird der vordere Anteil der Felsenbeinkante als Landmarke verwendet.
- Kavernöses Segment: Von vermuteter Lokalisation des petrolingualen Ligaments bis zum proximalen Duraring.
- Paraophthalmisches Segment: vom proximalen Duraring bis vor dem Abgang der Arteria communicans posterior
- Communicans-posterior-Segment: Vor Abgang der Arteria communicans posterior bis zum Abgang der Arteria choroidea anterior.
- Choroidea-anterior-Segment: Abgang der Arteria choroidea anterior
- Terminales-Segment: Distal des Abgangs der Arterioa chorodiea anterior bis zum Karotis-T
Neben diesen Einteilungen der ACI existieren noch weitere, ältere Klassifikationen wie die Fischer-Klassifikation.
Verlauf
Pars cervicalis
Die Arteria carotis interna entspringt etwa auf Höhe des 4. Halswirbelkörpers (HWK 4) aus der Arteria carotis communis. Die Teilungsstelle wird auch als Karotisgabel bezeichnet. Hier liegt das Glomus caroticum mit seinen Chemorezeptoren. Der Ursprung der Arteria carotis interna ist leicht zum Sinus caroticus erweitert, der in seiner Wand Barorezeptoren enthält. Der meist astlose zervikale Abschnitt steigt im Spatium lateropharyngeum zusammen mit der Vena jugularis interna und dem Nervus vagus fast geradlinig zur Schädelbasis auf. Die ACI wird dabei durch den Musculus styloglossus und den Musculus stylopharyngeus von der Arteria carotis externa getrennt. Kurz vor Eintritt in das Felsenbein bildet die Arterie einen leichten Bogen.
Pars petrosa
Dieser etwa 3 cm lange Abschnitt steigt im Canalis caroticus des Felsenbeins auf, wobei der Kanal die Vorderwand der Paukenhöhle bildet. Dann biegt die Arterie nach vorne medial um (Karotisknie). Im Kanal ist die Arteria carotis interna vom Plexus venosus caroticus interus umgeben. Die kleinen Rami caroticotympanicae verlaufen durch Knochenkanälchen in die Paukenhöhle. Eine dünne Knochenlamelle und die Dura trennen die Arteria carotis interna vom Ganglion trigeminale im Bereich der Pyramidenspitze. Oberhalb der Fibrocartilago basilaris tritt die ACI in den Sinus cavernosus ein.
Pars cavernosa
Im Sinus cavernosus legt sich die ACI der Seitenfläche des Keilbeinkörpers (Corpus ossis sphenoidalis) an und verläuft S-förmig gekrümmt (Karotissiphon) von posteroinferior nach anterosuperior. Das Siphonknie bildet den Übergang zur Pars cerebralis.
Pars cerebralis
Die ACI durchbohrt die Dura mater zwischen Chiasma opticum und Processus clinoideus anterior und gelangt in die Cisterna carotica des Subarachnoidalraums. Die Arterie verläuft hier von anteroinferior nach posterosuperior und teilt sich schließlich in ihre vier zerebralen Endäste auf.
Äste
Der zervikale Abschnitt der Arteria carotis interna weist meist keine Äste auf. Selten gibt die Pars cervicalis die Arteria thyroidea inferior und andere Kopfarterien ab. In den anderen Abschnitten gehen folgende Äste ab:
Pars petrosa
- Ramus caroticotympanicus: zur Paukenhöhle
Gelegentlich entspringt auch die Arteria canalis pterygoidei aus diesem Abschnitt.
Pars cavernosa
- Rami tentorii basalis et marginalis: zum Tentorium cerebelli
- Ramus sinus cavernosi
- Arteria hypophysialis inferior: zur Hypophyse
- Ramus ganglionis trigeminalis: zum Ganglion trigeminale
Pars cerebralis
- Arteria ophthalmica: Sie tritt meist medial und inferior vom Nervus opticus in den Canalis opticus ein.
- Arteria hypophysialis superior: Sie tritt über die Cisterna chiasmatica neben dem Hypophysenstiel von oben in die Hypophyse und kann auch mehrfach angelegt sein.
- Rami clivales, Ramus meningeus, Arteria uncalis: Diese unregelmäßige Äste versorgen die Dura im Bereich des Sinus cavernosus und seiner Umgebung sowie Teile des Uncus parahippocampalis.
- Arteriae encephali:
Kollateralkreisläufe
Insbesondere zur Arteria carotis externa existieren mehrere arterioarterielle Anastomosen. Im Zuge einer langsam fortschreitenden Stenose der Arteria carotis interna kommt es zur stetigen Erweiterung dieser Kollateralkreisläufe, die sogar zu einer Flussumkehr in den hirnnahen Arterien führen kann. Reichen diese Kollateralen aus, treten die Gefäßverengungen klinisch nicht in Erscheinung.
Beispiele für solche Kollateralen sind:
- Arteria carotis externa → Arteria facialis → Arteria angularis → Arteria dorsalis nasi → Arteria ophthalmica → Arteria carotis interna (Ophtalmikakollaterale)
- Arteria carotis externa → Arteria occipitalis → meningeale Arterien → Arteria vertebralis (Okzipitalisanastomose)
- Arteria carotis externa → Arteria temporalis superficialis → Ramus frontalis → Arteria palpebralis lateralis / Arteria supraorbitalis / Arteria supratrochlearis
Im Falle von Blutungen sind außerdem u.a. folgende Anastomosen zu beachten:
- Arteria carotis externa → Arteria sphenopalatina → Locus Kiesselbachi ← Arteria ethmoidalis anterior ← Arteria ophthalmica ← Arteria carotis interna
- Arteria carotis externa → Blutversorgung des Felsenbeins (Arteria stylomastoidea / Arteria tympanica inferior / Arteria auricularis profunda / Arteria tympanica posterior / Arteria tympanica superior / Arteria tympanica anterior) ← Arteriae caroticotympanicae ← Arteria carotis interna
Zwischen den drei großen Zerebralarterien (Aa. cerebri anterior, media und posterior) bestehen durch die Arteria communicans anterior und die Arteriae communicantes posteriores Anastomosen. Diese Verbindung zwischen dem Versorgungsgebiet der rechten und linken ACI und mit dem Versorgungsgebiet der Arteriae vertebrales wird als Circulus arteriosus cerebri (Willisi) bezeichnet.
Klinik
Die wichtigste Pathologie der Arteria carotis interna ist ihre Verengung (Stenose) im Rahmen einer systemischen Arteriosklerose. Eine Komplikation der ACI-Stenose ist der Schlaganfall. Eine passagere Minderdurchblutung kann zu Bewusstseinsstörungen, Sehstörungen und Schwindelanfällen führen.
Literatur
- Shapiro et al. Toward an Endovascular Internal Carotid Artery Classification System, American Journal of Neuroradiology, 2014
- Schild. Angiographie. Georg-Thieme-Verlag, 1994
- Schünke, Schulte, Schumacher: Prometheus. Lernatlas der Anatomie - Kopf, Hals und Neuroanatomie, Thieme Verlag, Stuttgart 2018
- Pschyrembel - Arteria carotis interna, abgerufen am 23.01.2023
Quelle
- ↑ Bouthillier A et al. Segments of the Internal Carotid Artery: A New Classification, Neurosurgery. 1996;38(3):425–433, abgerufen am 16.04.2020