Meningeosis neoplastica
Synonyme: Meningeose, Leptomeningeose
Englisch: neoplastic meningitis, leptomeningeal disease, meningeal carcinomatosis, leptomeningeal carcinomatosis
Definition
Unter der Meningeosis neoplastica versteht man eine Metastasierung maligner Zellen im Bereich der Hirnhäute (Meningen).
- ICD10-Code: C79.3
Epidemiologie
Die Prävalenz der Meningeosis neoplastica unter Patienten mit soliden malignen Tumoren beträgt bis zu 10 %. Betroffen sind insbesondere Patienten im höheren Lebensalter.
Gelegentlich tritt eine Meningeosis neoplastica als Erstmanifestation einer unbekannten Neoplasie auf. Jeder zweite Patient hat zusätzlich auch Metastasen im Gehirn und jeder dritte Patient systemische Metastasen.
Ätiopathogenese
Zu den häufigsten Primärtumoren zählen:
- Mammakarzinom
- Bronchialkarzinom
- Malignes Melanom
- Lymphome (v.a. Burkitt-Lymphom)
- Leukämien (v.a. akute lymphatische Leukämie)
- seltener auch primäre Hirntumore (z.B. Medulloblastom, Ependymom)
Die Verbreitung der Tumorzellen erfolgt hämatogen, per continuitatem (insb. bei ossären Tumoren) oder über paravertebrale Lymphknoten.
Formen
Von der Absiedlung können alle Abschnitte der Hirnhaut sowie der liquorgefüllte Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater betroffen sein. Man unterscheidet hinsichtlich des Wachstumsmusters zwischen soliden leptomeningealen Metastasen und der Ausbreitung nicht-adhärenter Tumorzellen im Liquorraum. Häufig kommen Mischformen vor.
Die Meningeosis wird nach der Art des Primärtumors benannt:
Klinik
Die Symptomatik der Meningeosis neoplastica ist abhängig von Ausmaß und Lokalisation der Metastasen. Beschwerden basieren z.B. auf einer Affektion von Hirnnerven und Spinalwurzeln oder auf einem erhöhten Hirndruck (Hydrocephalus malresorptivus). Das Spektrum reicht von asymptomatischen Verläufen bis hin zum kompletten Querschnittssyndrom.
Zu den häufigsten Symptomen zählen:
- polyradikuläre Beschwerden (radikuläre Schmerzen, fokale Paresen, Sensibilitätsstörungen, Blasenfunktionsstörungen)
- Hirnnervenparesen (z.B. periphere Fazialisparese, Hypoglossusparese, Ptosis,Doppelbilder, Hörminderung, Schluckstörungen, Visusstörungen)
- organisches Psychosyndrom mit Wesensänderung (z.B. Verlangsamung, Gedächtnisstörung, Aggressivität)
- Rückenschmerzen
- Kopf- und Nackenschmerzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Krampfanfälle
Diagnostik
Bildgebung
Bei Verdacht auf eine Meningeosis neoplastica sollte zunächst eine bildgebende Diagnostik erfolgen. Metastasen im Bereich der Wirbelkörper werden durch eine Röntgenaufnahme nachgewiesen. Methode der ersten Wahl ist jedoch die Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels und der Wirbelsäule. Dabei sollte Kontrastmittel (Gadolinium) verabreicht werden, alternativ muss eine FLAIR-Sequenz angefertigt werden. Bei Kontraindikationen gegen MRT kann auch eine Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel durchgeführt werden, wobei die Sensitivität geringer ist.
Typische MRT-Befunde bei Meningeosis neoplastica sind:
- Kontrastmittel-Enhancement in den Meningen (v.a. im Bereich der basalen Zisternen sowie des Lumbosakralsacks)
- leptomeningeale Signalanhebung in der FLAIR-Sequenz
- ggf. Hydrozephalus
- in 50 % d.F. zusätzliche solide Hirnmetastasen
Liquorpunktion
Erst nach einer Bildgebung sollte eine Liquorpunktion durchgeführt werden, da es anschließend zur Kontrastmittelanreicherung in den Meningen kommen kann, was die Abgrenzung einer Meningeosis erschwert. Weiterhin muss über die Bildgebung beurteilt werden, ob eine Lumbalpunktion überhaupt möglich ist (Stichkanalmetastasen, Herniationsgefahr).
In der zytologischen Untersuchung zeigt sich häufig eine mäßige Pleozytose (v.a. bei hämatologischen Malignomen). Primäres Ziel der Liquorpunktion ist der Nachweis neoplastischer Zellen im Sediment (Goldstandard). Bei negativen Befunden sind bis zu zwei weitere Liquorentnahmen sinnvoll.
Zur Charakterisierung atypischer Zellen bzw. zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen kann eine Immunzytologie (z.B. mittels Durchflusszytometrie) durchgeführt werden. Weiterhin zeigen sich bei der Liquoruntersuchung eine mäßig erhöhte Proteinkonzentration, erniedrigte Glukose- und erhöhte Laktatwerte. Außerdem können Tumormarker im Liquor bestimmt werden, z.B. AFP und β-HCG bei Keimzelltumoren.
Leptomeningeale Biopsie
Eine leptomeningeale Biopsie ist sehr selten indiziert, z.B. bei wiederholt negativer Liquorpunktion und Zytopathologie.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an andere Ursachen eines Querschnittssyndroms oder eines radikulären Syndroms gedacht werden (wie z.B. an einen Bandscheibenvorfall, Ischämien, eine Myelitis, eine Spinalkanalstenose oder auch spinale Abszesse).
Therapie
Häufig ist nur eine palliative Therapie möglich. Grundlage ist dabei zunächst eine suffiziente Schmerztherapie. Behandlungskonzepte umfassen z.B. eine Bestrahlung, eine Chemotherapie sowie chirurgische Maßnahmen. Ein Monitoring kann mittels Symptomkontrollen und Liquorpunktionen erfolgen.
In einigen Fällen (v.a. bei Germinomen, Medullablastomen sowie Leukämien und Lymphomen) kann auch eine kurative Therapie möglich sein.
Systemische Chemotherapie
Eine systemische Chemotherapie kommt bevorzugt bei soliden Meningeosis-Manifestationen zur Anwendung. Weitere Indikationen sind eine Meningeosis bei fortgeschrittener systemischer Tumorerkrankung sowie bei Leukämien und disseminierten Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Auswahl der verabreichten Wirkstoffe unterscheidet sich je nach zugrundeliegendem Primärtumor.
Intrathekale Chemotherapie
Eine intrathekale Chemotherapie wird primär bei nicht-adhärenter Meningeosis durchgeführt. Zugelassene Wirkstoffe sind:
- Methotrexat: Mittel der Wahl bei hämatologischen und lymphoiden Neoplasien sowie bei Meningeosis solider Tumore
- Cytosinarabinosid: v.a. bei hämatologischen und lymphoiden Neoplasien
- Thiotepa: gleiche Indikationen wie MTX
Strahlentherapie
Bei nodulären Metastasen, die über eine intrathekale Chemotherapie nicht ausreichend erreicht werden, kommt eine Strahlentherapie in Frage. Man unterscheidet zwischen:
- Ganzhirnbestrahlung
- fokaler spinaler Bestrahlung
- Liquorraumbestrahlung
Chirurgische Therapie
Verschiedene chirurgische Maßnahmen kommen bei der Meningeosis neoplastica zur Anwendung, z.B.
- externe Shunt-Anlage bei Liquorabflussstörung
- Anlage eines intraventrikulären Portsystems (z.B. Ommaya-, Rickham-Reservoir) zur Applikation von Chemotherapeutika
- Resektion von Metastasen
Weitere Therapieoptionen
Wenn solide spinale Metastasen vorliegen und ein Querschnittssyndrom neu aufgetreten ist oder droht, können supportiv Glukokortikoide verabreicht werden.
Prognose
Eine Meningeosis neoplastica ist mit einer schlechten Prognose assoziiert, die sich aber je nach zugrundeliegendem Primärtumor deutlich unterscheidet.
Wenn die Meningeosis neoplastica nicht therapiert wird, liegt die mittlere Überlebenszeit bei ein bis zwei Monaten. Eine Therapie führt zu einer 1-Jahres-Überlebensrate von 5-25 %.
Literatur
- DGN, S2k-Leitlinie Hirnmetastasen und Meningeosis neoplastica, Stand 2015, abgerufen am 06.04.2020
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