Akute lymphatische Leukämie
Synonyme: Lymphoblastenleukämie, akute lymphoblastische Leukämie
Englisch: acute lymphoblastic leukemia
Definition
Die akute lymphatische Leukämie, kurz ALL, ist eine akut auftretende Form der Leukämie. Hierbei entarten Zellen, die normalerweise zu Lymphozyten heranwachsen (Vorläuferzellen) zu bösartigen Leukämiezellen. Typisch für die ALL ist, dass sie meist im Kindesalter auftritt.
Epidemiologie
Die ALL ist insgesamt eine eher seltene Krankheit mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 1:100.000, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen.
Jedoch stellt die ALL mit ca. 30 % die häufigste maligne Erkrankung des Kindesalters dar. Die ALL macht 80 % der pädiatrischen Leukämien und 20 % der adulten Leukämien aus. Die meisten Erkrankungen treten um das 3. bis 7. Lebensjahr auf. Ein zweiter Altersgipfel liegt um das 40. Lebensjahr.
Formen
Die verschiedenen Formen der ALL lassen sich durch immunologische, zytogenetische und molekularbiologische Untersuchungen unterscheiden. Man unterscheidet:
- B-Vorläufer-ALL
- Pro-B-ALL
- Common-ALL (cALL)
- Prä-B-ALL
- B-ALL
- T-ALL
- FAB-L1: kleinzellige Lymphoblastenleukämie
- FAB-L2: polymorphzellige Lymphoblastenleukämie
- FAB-L3: Burkitt-Typ: leukämische Form des Burkitt-Lymphoms
Ursachen
Durch eine genetische Veränderung (Mutation) in einer lymphatischen Zelle kann es zu einer bösartigen Veränderung dieser Zelle kommen. Diese Zelle und ihre Nachkommen teilen und vermehren sich unkontrolliert. Die vielen mutierten Leukämiezellen sammeln sich in den Organen (vor allem in den lymphatischen Organen) und verdrängen die Zellen der normalen Blutbildung (Hämatopoese) im Knochenmark - dies führt zu den weiter unten genannten Symptomen.
Die genetischen Veränderungen treten in den meisten Fällen nach der Geburt auf und sind daher nicht vererbt oder vererbbar. Es ist zu beachten, dass es hierbei verschiedene genetische Veränderungen gibt, viele davon sind charakteristisch für ein bestimmtes Lebensalter beim Auftreten von ALL.
Die genauen Ursachen für eine Erkrankung mit ALL sind nicht vollständig geklärt, es werden jedoch verschiedene Risikofaktoren diskutiert:
- radioaktive Strahlung
- bestimmte chemische Substanzen
- Virusinfektionen. Ein Sonderfall ist hier die adulte T-Zell-Leukämie, die durch eine Infektion mit dem Retrovirus HTLV-1 ausgelöst wird, jedoch fast ausschließlich in Japan auftritt.
- Therapie mit bestimmten Zytostatika
- Schwächung des Immunsystems, z.B. im Rahmen von AIDS
Symptome
- Störung der Blutbildung (Knochenmarkinsuffizienz)
- Allgemeine Schwäche und Blutarmut (Anämie)
- Blutgerinnungsstörungen und Blutungsneigung durch zu wenige Blutplättchen (Thrombozytopenie)
- Immunschwäche durch Mangel an funktionsfähigen weißen Blutkörperchen (Leukozyten), also Leukozytopenie: Daraus resultieren Infekte mit Fieber und Lymphknotenschwellung, zum Teil auch mit Knochenschmerzen
- neurologische Symptome durch Befall des ZNS mit Leukämiezellen (Meningeosis leucaemica)
- Thymusschwellung
- Hepatosplenomegalie (Vergrößerung von Leber und Milz)
Histopathologie
Diagnostik
- Blutbild: Die Leukozytenzahl ist kein zuverlässiger Marker einer akuten Leukämie. Je nachdem, ob ein leukämischer oder aleukämischer Verlauf vorliegt, können erhöhte, normale und auch erniedrigte Leukozytenzahlen im peripheren Blut vorkommen.
- Differentialblutbild
- Knochenmarkspunktion
- Nachweis charakteristischer genetischer Veränderungen
- Immunphänotypisierung (oft mittels FACS), FAB-Klassifikation; zur genauen Differenzierung und Einteilung
- Radiologie: z.B. bandförmige metaphysäre Aufhellung oder subperiostale Knochenneubildung und Osteolysen in Markhöhle und Kortikalis.
Die Diagnose erfolgt hauptsächlich durch mikroskopische Untersuchung des Knochenmarks (Knochenmarkausstrich):
Therapie
Während vor 30 Jahren die meisten Patienten nach wenigen Wochen an ALL verstarben, liegt die Heilungsrate nach intensiver Therapie heutzutage bei 40-50% bei Erwachsenen und bei ca. 80% bei Kindern. Unbehandelt jedoch verläuft die Erkrankung auch heute noch schnell tödlich.
Mittel der Wahl ist eine Chemotherapie mit Zytostatika, jedoch sprechen nicht alle Patienten gleich gut darauf an. Neben den klassischen Zytostatika gibt es neue, spezifischere Therapieansätze. Beispielsweise wird Imatinib, ein Tyrosinkinaseinhibitor, bei ALL eingesetzt, wenn eine Mutation des BCR-ABL-Gens vorliegt. Weiterhin sind monoklonale Antikörper (Rituximab, Alemtuzumab) verfügbar. Hierbei erhofft man sich eine Therapie mit weniger Nebenwirkungen.
Neben einer Chemotherapie werden auch eine Therapie mit hochdosierten allogenen Stammzellen und Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantationen zur Behandlung der ALL eingesetzt.
Oft sind auch nach der Therapie noch einige Tumorzellen im Körper des Patienten vorhanden, was als Minimale Resterkrankung (MRD = minimal residual disease) bezeichnet wird. Die MRD ist ein Indikator für das Therapieansprechen und für die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs (Wiederauftreten der Krankheit).