Humanes T-lymphotropes Virus 1
Definition
Humanes T-lymphotropes Virus 1, kurz HTLV-1, ist ein Retrovirus, das den Onkoviren zugeordnet wird. Es infiziert primär CD4-positive T-Lymphozyten. Bei einem Teil der Infizierten löst es eine T-Zell-Leukämie aus. Die Infektion kann sich durch einen Befall des Nervensystems manifestieren.
Einteilung
Es gibt 4 verschiedene HTLV-Typen, die man als HTLV-1 bis HTLV-4 labelt. Sie gehören zu den Deltaretroviren. HTLV-1 verfügt über 7 Subtypen, die von A bis G eingeteilt werden. Der Subtyp A kommt auf der ganzen Welt vor, wohingegen die Subtypen B, D, E, F und G nur in Zentralafrika, der Subtyp nur C in Südostasien anzutreffen sind. Bei der Sequenzierung konnte festgestellt werden, dass das Genom von HTLV-1 und HTLV-2 sich zu 60% gleicht.
Aufbau
Das ikosaedrische Virus ist von einer Lipidhülle umgeben, die von der Wirtszelle stammt und das virale Oberflächenglykoprotein gp21 sowie das Transmembranprotein gp46 enthält. Es hat einen Durchmesser von etwa 100 nm. Die Hülle beinhaltet die Matrix (Matrixantigen p19), das Kapsid (Kapsidantigen p24) und einen zentralen Core mit der Einzelstrang-RNA ((+)ssRNA). Sie umfasst etwa 8.500 Basen und lässt sich in die Abschnitte gag, pol und env unterteilen.
Epidemiologie
Die Daten zur Verbreitung von HTLV-1 sind lückenhaft. Schätzungen zufolge könnten mehr als 20 Millionen Menschen weltweit mit dem HTLV-1 infiziert sein. Endemiegebiete sind u.a. Japan (> 10%), die Karibik und Zentralafrika. In Europa ist die Prävalenz hingegen sehr gering. In Risikogruppen (i.v.-Drogenkonsum, wechselnde Sexualpartner) ist die Prävalenz erhöht.
Übertragung
Die zwei Hauptübertragungswege sind Sexualverkehr und Blut. Die Übertragung von Mann zu Frau ist häufiger. Mütter übertragen pränatal nur selten das Virus auf ihr Kind. Die Transmission über das Stillen nach der Geburt ist wahrscheinlicher.
Blutspender werden in Deutschland wegen der Seltenheit der Infektion routinemäßig nicht auf HTLV-1 getestet, bei Infektion in der Anamnese sind sie jedoch von der Blutspende ausgeschlossen.
Ätiopathogenese
HTLV-1 zeigt einen ausgeprägten Tropismus zu CD4-positiven T-Lymphozyten, bindet aber auch an andere Zellen, z.B. CD8-Lymphozyten, dendritische Zellen und B-Lymphozyten. Die Endozytose des Virus wird durch Interaktion von Glykoproteinen der Virushülle mit dem GLUT1-Rezeptor der Wirtszelle vermittelt.
Wie bei anderen Retroviren wird die RNA in DNA umgeschrieben und anschließend in die Wirts-DNA integriert. Eine Freisetzung des Virus aus der Zelle findet - wenn überhaupt - nur in geringem Umfang statt, sodass Blutplasma meist nicht infektiös ist. Die Infektion breitet sich primär durch virale Synapsen von Zelle zu Zelle aus. Es werden jedoch nicht nur Zellen des Immunsystems, sondern auch Muskel- und Nervengewebe befallen. Die Ausbreitung des Virus verläuft deshalb im Gegensatz zu HIV nur allmählich. Symptome tauchen meist erst nach vielen Jahren auf und sind nur bei etwa 5% der Infizierten vorhanden.
Klinik
Die HTLV-1-Infektion kann zwei verschiedene Krankheiten hervorrufen:
- Adulte T-Zell-Leukämie (ATL)
- Tropisch spastische Paraparese (TSP) bzw. HTLV-1-assoziierte Myelopathie (HAM)
Adulte T-Zell-Leukämie
Die adulte T-Zell-Leukämie ist ein seltenes, hoch aggressives Non-Hodgkin-Lymphom, das mit hoher Wahrscheinlichkeit durch HTLV-1 und noch nicht sicher identifizierte Kofaktoren ausgelöst wird. Der Verlauf kann akut bis chronisch sein. Die akute ATL-Form führt in der Regel innerhalb weniger Monate zum Tod. Charakteristisch sind ausgedehnte, häufig juckende, livide Hautläsionen und eine Infiltration der inneren Organe sowie der Knochen mit ausgeprägten Osteolysen und Hyperkalzämie.
Tropisch spastische Paraparese
Bei der ebenfalls durch HTLV-1 ausgelösten, tropisch spastischen Paraparese stehen neurologische Veränderungen im Vordergrund. Dazu zählen u.a. Paraparese, Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Rückenschmerzen. Als weitere Symptome können eine Psoriasis, Uveitis, Keratokonjunktivitis sicca, Arthritis und Polymyositis auftreten.
Differenzialdiagnosen
Diagnostik
Zur Diagnostik können Serum, EDTA-Blut, Liquor, Knochenmark, Hautbiopsat sowie Lymphknotengewebe verwendet werden. Der Virusnachweis erfolgt primär durch eine PCR, als Alternative dient der p19gag-Antigen-Test. Die HTLV-PCR ist kein Antikörperbestätigungstest, kann jedoch bei einer Abklärung fraglicher Antikörperbefunde von Nutzen sein.
Antikörper können mithilfe von ELISA und PAA bestimmt werden und schließlich im Western-Blot oder LIA bestätigt werden. Falsch positive Ergebnisse sind relativ häufig, eine Kreuzreaktion mit HIV wurde nur selten beobachtet.
Eine bestätigte HTLV-Infektion führt zu einigen Einschränkungen des Betroffenen, wie das Verbot von Blut- oder Organspenden. Es muss eine Aufklärung über die Transmission durch ungeschützten Sexualverkehr erfolgen. Säuglinge von infizierten Müttern sollten durch Flaschennahrung ernährt werden.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem klinischen Bild. Erste Wahl ist eine Kombinationstherapie der Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Zidovudin oder Lamivudin mit Interferon alpha über 6 bis 12 Monate. Ggf. kann zusätzlich Valproinsäure gegeben werden, die den Virusload weiter reduzieren soll. Bei einer akuten ATL wird meist eine aggressive Chemotherapie nach dem CHOP-Schema versucht (R-CHOP).
Proteaseinhibitoren, die in der HIV-Therapie eingesetzt werden, haben bei HTLV-1 keinen Erfolg gezeigt.
Prophylaxe
Da die Übertragung hauptsächlich durch ungeschützten Sexualverkehr und durch Blut erfolgt, ist - wie bei anderen STD - die Verwendung von Kondomen eine wirksame Prophylaxemaßnahme. Säuglinge von HTLV-1 infizierten Müttern sollten Flaschennahrung erhalten.
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