VEXAS-Syndrom
Englisch: VEXAS syndrome
Definition
Das VEXAS-Syndrom ist ein autoinflammatorisches Krankheitsbild, das erstmals 2020 beschrieben wurde. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung mit Beteiligung diverser Organsysteme, die durch eine somatische Mutation des UBA1-Gens entsteht.
Bedeutung
VEXAS ist ein Akronym und steht für:
- V - Vakuolen
- E - E1-Enzym
- X - X-chromosomal
- A - autoinflammatorisch
- S - somatisch
Epidemiologie
Es handelt sich um ein sehr seltenes Krankheitsbild, das insbesondere durch Fortschritte in der DNA-Sequenzierung diagnostiziert werden konnte. Seither gibt es vereinzelte Fallberichte über die typische Symptomkonstellation mit einem Nachweis der entsprechenden Mutation. Das VEXAS-Syndrom manifestiert sich erst im Erwachsenenalter.
Die Prävalenz für das VEXAS-Vollbild liegt bei etwa einem Fall auf 10.000 bis 14.000 Männer.
Genetik
Der Erkrankung liegt eine somatische Mutation im UBA1-Gen auf dem X-Chromosom zugrunde. Sie betrifft das Startcodon der zytoplasmatischen Form von UBA1. Dieses Gen kodiert das Ubiquitin-aktivierende Enzym E1, das den ersten Schritt der Ubiquitinierung initiiert. Bei etwa 50% der nachgewiesenen Mutationen handelt es sich um eine Missense-Mutation des Methionins an Position 41 mit Austausch gegen Threonin ("p.M41T" ). Sie führt zum Verlust des funktionellen Proteins und der Synthese eines abnormalen Proteinfragments. Weitere häufige Varianten sind der Austausch gegen Valin ("p.M41V") oder Leucin ("p.M41L").
Aufgrund der Genlokalisation sind hauptsächlich Männer betroffen, da sie nur ein X-Chromosom aufweisen. Jedoch existieren auch einzelne Fallberichte von erkrankten Frauen mit Monosomie X (Turner-Syndrom).
Da es sich um somatische Varianten handelt, die sich nicht in Keimzellen finden, werden UBA1-Varianten nicht an die Nachkommen weitergegeben.
Pathophysiologie
Die UBA1-Mutation lässt sich bei mehr als der Hälfte der Patienten in den hämatopoetischen Stammzellen nachweisen und betrifft vor allem die myeloische Zellreihe. Bei den betroffenen Patienten weisen die entsprechenden Zellreihen im peripheren Blut eine verringerte Ubiquitinierung auf, was zur Aktivierung diverser Signalwege des angeborenen Immunsystems führt.[1] Dadurch kommt es zu einer vermehrten Synthese von Interleukin-1, Interleukin-6, Interleukin-8, Interferon-gamma und TNF-α mit entsprechender Hyperinflammation.
Klinik
Dominiert wird das Bild durch multiple Entzündungen, die rheumatologische Krankheitsbilder imitieren und spezifische syndromale Manifestationen umfassen können.
Entzündungssymptomatik
Unspezifische Symptome umfassen:
- Fieber
- Gewichtsverlust
- Polyarthritis, Polyarthralgie
- Alveolitis
- Serositis
- Uveitis, Episkleritis, periorbitale Ödeme
- pulmonale Symptomatik mit respiratorischer Insuffizienz
- Hepatosplenomegalie
- Orchitis, Epididymitis (beim Mann, ca. 6% der Fälle)
Spezifische syndromale Manifestationen sind:
- Polyarteriitis nodosa
- Riesenzellarteriitis
- Sweet-Syndrom
- Perimyokarditis
- Pleuraerguss
- Polychondritis (Ohr, Nase)
- ANCA-assoziierte Vaskulitis (selten)
- Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP)
Hämatologische Befunde
Zu den hämatologischen Befunden zählen:
- Zytopenie: Thrombozytopenie, Anämie (charakteristischerweise makrozytär und hyperchrom)
- venöse Thrombembolien
- Lymphadenopathie
- MDS
- MGUS, multiples Myelom
- hämophagozytische Lymphohistiozytose (selten)
Weiterhin zeichnet sich das VEXAS-Syndrom dadurch aus, dass ausschließlich eine Behandlung mit Glukokortikoiden anschlägt. Sobald jedoch die Dosis reduziert wird, kommt es zum Relaps.
Differentialdiagnosen
Neben den oben genannten Syndromen anderer Genese muss auch an weitere Differenzialdiagnosen gedacht werden, z.B.:
Diagnose
Das VEXAS-Syndrom sollte bei männlichen Patienten als Diagnose in Betracht gezogen werden, deren Krankheitsbild multiple Organe betrifft und durch inflammatorische sowie hämatologische Merkmale charakterisiert ist.
- Blutbild: Erhöhung von CRP, BSG, makrozytäre hyperchrome Anämie, Thrombozytopenie
- Knochenmarksbiopsie: hyperzelluläres Knochenmark mit Nachweis von Vakuolen in erythroiden und myeloischen Vorläuferzellen
- Hautbiopsie: leukozytoklastische Vaskulitis mit Nachweis reifer, perivaskulärer neutrophiler Granulozyten, Nachweis CD163-positiver Zellen
- DNA-Sequenzierung: vollständige Exomsequenzierung mit Nachweis einer UBA1-Mutation in myeloischen Zellen aus dem Knochenmark, peripheren Blut oder aus einer Hautbiopsie
- Männer mit einer Polychondritis im Ohr oder in der Nase, sowie MCV >100 fl oder eine Thrombozytenzahl unter 200.000 /µl
Therapie
Die zwei wesentlichen Therapieziele beim VEXAS-Syndrom sind die Kontrolle der Hyperinflammation durch Immunsuppressiva und die Kontrolle der pathologischen klonalen Knochenmarkszellen. Das Krankheitsbild spricht eher schlecht auf eine Therapie an. Eine etablierte Standardtherapie und Leitlinienempfehlungen fehlen derzeit (2024).
Die Behandlung basiert im Wesentlichen auf dem Einsatz von DMARDs wie Methotrexat, Interleukin-Rezeptorantagonisten und JAK-Inhibitoren. Hochdosierte Glukokortikoide sind ebenfalls effektiv, allerdings wegen ihrer Nebenwirkungen im Einsatz eingeschränkt.
Darüber hinaus ist die symptomatische Therapie relevant, z.B. eine Infektionsprophylaxe sowie die Reduktion des Thromboembolierisikos.
Die allogene Stammzelltransplantation (aHSCT) bietet einen kurativen Ansatz für einzelne Patienten, allerdings müssen auch hier noch genaue Entscheidungskriterien bestimmt und optimale Konditionierungsregime entwickelt werden.
Prognose
Es handelt sich um ein chronisch verlaufendes Krankheitsbild. Häufig vergehen viele Jahre, bis die Diagnose gestellt wird, wobei über die Zeit immer neue Symptome hinzutreten. Die Mortalität wird auf 50 % geschätzt.
Quellen
- ↑ Zeeck M, Kötter I, Krusche M. VEXAS-Syndrom. Z Rheumatol. 2022 Nov;81(9):782-786. German. doi: 10.1007/s00393-022-01169-6. Epub 2022 Feb 18. PMID: 35179640; PMCID: PMC9646605.
Literatur
- Beck, David B., et al. Somatic mutations in UBA1 and severe adult-onset autoinflammatory disease. New England Journal of Medicine (2020)
- Ferrada, Marcela A., et al. Somatic mutations in UBA1 define a distinct subset of relapsing polychondritis patients with VEXAS syndrome. Arthritis & Rheumatology (2021)
- OMIM - VEXAS SYNDROME, abgerufen am 27.01.2022
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