Ullrich-Turner-Syndrom
nach dem deutschen Kinderarzt Otto Ullrich (1894-1957) und dem amerikanischen Arzt Henry Turner (1892-1970)
Synonyme: UTS, Turner-Syndrom, Monosomie X
Englisch: Turner syndrome
Definition
Das Ullrich-Turner-Syndrom ist eine numerische Chromosomenaberration mit einem fehlenden oder strukturell fehlerhaften X-Chromosom bei weiblichem Karyotyp.
Genetik
Bei etwa der Hälfte der Betroffenen fehlt ein X-Chromosom gänzlich, in den verbleibenden Fällen finden sich strukturelle Fehler oder Mosaikformen.
Karyotypen
- 45,X
- 46,X, i(Xq)
- 46,XXq-
- 46,XXp-
- 46,X, r(X)
- 45,X / 46,XX (Mosaik)
- 45,X / 46,XY (Mosaik)
- 45,X / 46,XX / 47,XXX (Mosaik)
- 45,X / 47XXX (Mosaik)
Eine volle Ausprägung des Syndroms findet sich bei einem komplett fehlenden X-Chromosom. Hingegen können insbesondere Mosaikformen, abgesehen von einer primären Amenorrhö, sehr diskret ausgeprägt sein. Zu beachten ist, dass über 90 % der Schwangerschaften mit Karyotyp 45,X in einer Fehlgeburt oder einem Hydrops fetalis enden.
Epidemiologie
Das Ullrich-Turner-Syndrom tritt bei etwa 1:2500 weiblichen Lebendgeburten auf.[1]
Klinik
Das Ullrich-Turner-Syndrom manifestiert sich als Fehlbildungssyndrom mit einer Vielzahl von Symptomen, deren Ausprägung jedoch einer starken Variabilität unterliegt.
Äußere Erscheinung
- verminderte Körpergröße, bei der Geburt verminderte Geburtsmaße in 99 % der Fälle.
- Ödeme an Hand- und Fußrücken bei der Geburt
- Hyperkonvexe Fingernägel als Überbleibsel von Lymphödemen der Hände
- Pterygium colli (flügelförmige Hautfalte am Hals)
- tiefer Haaransatz am Nacken
- Hypertelorismus, Epikanthus
- schildförmig deformierter Thorax
- kleine, weit auseinanderstehende Mamillen
- Cubitus valgus
- multiple pigmentierte Naevi
- gelegentlich mediale tibiale Exostosen
Organe
- Streak-Gonaden (nonfunktionelle, degenerierte Ovarien) mit resultierender Infertilität (POF-Syndrom)
- kindliche äußere Genitalien im (jungen) Erwachsenenalter
- schmaler, "schlauchartiger" Uterus
- Hufeisenniere und renovaskuläre Malformationen in ca. 60 % der Fälle
- Herzfehler (z.B. Aortenisthmusstenose) in etwa 30 % der Fälle
- Hypothyreose in 25 % der Fälle
- herabgesetzte Glucosetoleranz in 25 bis 60 % der Fälle
- hoher Gaumen
Labor
Im Blutbild zeigen sich niedrige Estrogenspiegel, sowie hohes FSH und LH. Letztere stimulieren normalerweise die Ovarien zu vermehrter Freisetzung von Estrogen, das dann ein negatives Feedback auf die FSH- und LH-Freisetzung auslöst. Dieser Schritt bleibt bei den non-funktionellen Ovarien aus, sodass FSH und LH permanent hoch bleiben.
Sonstiges
Eine geistige Behinderung besteht nicht, eine leichte Einschränkung in der Verarbeitung nonverbaler Inhalte kann bei genauerer Untersuchung festgestellt werden.
Bei äußerlich diskret verlaufenden Formen ist bei jungen Frauen eine primäre Amenorrhö in Kombination mit Kleinwuchs verdächtig auf das Ullrich-Turner-Syndrom. Bei früherer Diagnostik ist differentialdiagnostisch ein Noonan-Syndrom auszuschließen.
Die Fertilität der Erkrankten ist oft eingeschränkt, teilweise ist jedoch eine Schwangerschaft möglich. Sie ist allerdings mit einem erhöhtem Risiko für Mutter und Kind verbunden.
Therapie
Zur Förderung des Wachstums ist präpubertär die Gabe von Wachstumshormon möglich. Ab dem 14. Lebensjahr können Östrogene zur Stimulation der Ausbildung weiblicher Geschlechtsmerkmale verabreicht werden. Dadurch entwickeln sich weibliche Brüste und eine Regelblutung.
Streak-Gonaden bei Mosaik 45,X/46, XY
Bei dieser Form der Mosaikbildung ist das Entartungsrisiko der rudimentären Gonaden besonders hoch. Eine prophylaktische operative Entfernung der Ovarien ist daher sinnvoll.
um diese Funktion zu nutzen.