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Pyridostigmin

(Weitergeleitet von Mestinon)

Handelsnamen: Amindan®, Kalymin®, Mestinon®
Synonyme: Pyridostigminum, P.B.
Englisch: pyridostigmine, NAPP (nerve agent pyridostigmine pretreatment)

1. Definition

Pyridostigmin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der cholinergen, indirekt wirksamen Parasympathomimetika. Er wird vor allem zur Behandlung der Myasthenia gravis eingesetzt.

2. Chemie

Pyridostigmin ist ein Pyridin-und ein Carbaminsäure-Derivat mit quaternärer Amin-Struktur. Die Summenformel ist C9H13N2O2. Die chemischen Namen lauten

  • 1-Methyl-3-dimethylcarbamoyloxypyridiniumbromid
  • (1-Methylpyridin-1-ium-3-yl) N,N-dimethylcarbamat (IUPAC)

Die molare Masse beträgt 181,21 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) -3,1. Die CAS-Nummer ist 155-97-5. Als Arzneistoff wird Pyridostigminbromid (molare Masse 261,12 g/mol) eingesetzt, das bei Raumtemperatur als weißes, kristallines, zerfließendes Pulver vorliegt und in Wasser sehr leicht löslich ist.

3. Wirkmechanismus

Pyridostigmin bewirkt durch Bindung an das katalytische Zentrum des Enzyms für 4 bis 6 Stunden eine reversible Hemmung der Acetylcholinesterase. Die Hydrolyse des Neurotransmitters Acetylcholin im synaptischen Spalt zu Acetat und Cholin wird vorübergehend blockiert und dadurch die Signalübertragung an den postsynaptischen Acetylcholinrezeptoren und an der motorischen Endplatte verstärkt und verlängert. Pyridostigmin besitzt keine zentralnervösen Wirkungen.

4. Pharmakokinetik

Pyridostigmin wird nach oraler Aufnahme nur zu etwa 22 bis 25 % resorbiert (niedrige und stark schwankende orale Bioverfügbarkeit 3 bis 19 %). Maximale Plasmaspiegel werden dosisabhängig nach 1,5 bis 6 Stunden erreicht. Pyridostigmin wird nicht an Plasmaproteine gebunden, das Verteilungsvolumen beträgt 1 bis 1,8 l/kgKG. Aufgrund der quaternären Struktur wird die Blut-Hirn-Schranke nicht passiert. Es findet aber eine Passage der Plazenta statt. Pyridostigmin wird durch Plasmacholinesterasen hydrolysiert. Dabei entsteht der Metabolit 3-Hydroxy-N-Methylpyridin. Die Elimination erfolgt zu 75 bis 90 % mit dem Urin. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt nach intravenöser Applikation ca. 1,5 h, nach oraler Applikation (unretardiert) ca. 3 bis 3,5 h Stunden.

5. Indikationen

Pyridostigmin ist indiziert zur Behandlung bei

Diagnostisch wird es beim Pyridostigmintest eingesetzt.

Pyridostigmin kann als Antidot die Wirkung nichtdepolarisierender Muskelrelaxantien aufheben.

Die prophylaktische Einnahme von Pyridostigmin wird bei einer militärischen oder terroristischen Bedrohungslage durch Organophosphate (Sarin, Soman, Tabun, VX-Kampfstoffe, Novichok) empfohlen, um die Wirksamkeit von Atropin und Obidoxim bzw. Pralidoxim zu erhöhen, ist jedoch ohne diese Antidote nutzlos. Pyridostigmin soll unter diesen Bedingungen für 6 bis 8 Stunden wirksam sein. Für Zivilisten ist eine solche Prophylaxe nicht vorgesehen.[1]

6. Darreichungsform

Pyridostigmin steht in Form von Filmtabletten und Retardtabletten sowie als Lösung und Injektionslösung zur oralen oder parenteralen Anwendung zur Verfügung.

7. Dosierung

Bei der Anwendung von Lösungen wird eine tägliche Dosierung von 300 bis 1.200 mg Pyridostigminbromid, bei Retardtabletten von 360 bis 1.080 mg Pyridostigminbromid empfohlen.

In kritischen Situationen (z.B. myasthene Krise) wird Pyridostigminbromid bei Erwachsenen vorübergehend parenteral verabreicht (1 bis 3 mg intravenös als Bolus, dann 8 bis 12 mg/24 Stunden über Perfusor, max. 24 mg/24 Stunden).


Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

8. Nebenwirkungen

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Pyridostigmin sind:

9. Wechselwirkungen

Andere Cholinesterasehemmern oder Parasympathomimetika führen zur Wirkungsverstärkung. Die parasympathomimetischen Wirkungen von Morphin und Morphinderivaten werden verstärkt. Die Wirkdauer von depolarisierenden Muskelrelaxantien (z.B. Succinylcholin) wird verlängert.

Wirkstoffe, welche die neuromuskuläre Übertragung beeinflussen, können die Pyridostigminwirkung abschwächen und dadurch eine myasthene Symptomatik auslösen:

Auch Kortikosteroide können in hoher Dosierung die Wirkung von Pyridostigmin beeinträchtigen.

10. Kontraindikationen

11. Schwangerschaft und Stillzeit

In der Schwangerschaft und während der Stillzeit sollte die Anwendung von Pyridostigmin nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen. Die intravenöse Applikation kann in der Schwangerschaft zur Auslösung vorzeitiger Wehen führen. Die Konzentration von Pyridostigmin in der Muttermilch betrug 36 bis 113 % der des mütterlichen Plasmas.

12. Toxizität

Pyridostigmin kann bei Überdosierung und Vergiftungen ein cholinerges Syndrom mit muskarinerger und nikotinerger Symptomatik auslösen. Es kann zur vitalen Bedrohung durch Atemdepression kommen. Als Antidot kann Atropinsulfat eingesetzt werden, das aber nur die muskarinerge Wirkung von Pyridostigmin aufhebt. Nikotinerge Wirkungen an der Skelettmuskulatur können mit Atropin nicht beeinflusst werden.

13. ATC-Codes

  • N07AA02 - Parasympathomimetika - Cholinesterasehemmer

14. Quellen

  1. Nervengasvergiftungen – Möglichkeiten und Grenzen von Vorbeugung und Therapie. arznei-telegramm 1991

15. Literatur

  • Thiel H, Roewer N. Anästhesiologische Pharmakotherapie. 4. Aufl., Stuttgart : Thieme 2021

16. Weblinks

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