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Geschmackssinn

(Weitergeleitet von Geschmackswahrnehmung)

Synonyme: Geschmackswahrnehmung, gustatorische Wahrnehmung
Englisch: taste, gustation, taste perception

1. Definition

Der Geschmackssinn oder die gustatorische Wahrnehmung ist der Wahrnehmungskanal des Menschen, der den Geschmack vermittelt.

2. Geschmacksknospen

2.1. Vorkommen

Der Geschmackssinn hat einen Sitz im Geschmacksorgan, das aus der Gesamtheit der Geschmacksknospen besteht. Hauptsächlich liegen sie in der spezialisierten Mundschleimhaut der Zunge, wo sie in den Geschmackspapillen (Papillae gustatoriae) lokalisiert sind. Zu ihnen zählen:

  • Papillae fungiformes (Pilzpapillen). Sie liegen vor allem im vorderen und seitlichen Zungengebiet, seltener auf dem vorderen Zungenrücken und enthalten ungefähr eine bis vier Geschmacksknospen pro Papille
  • Papillae vallatae (Wallpapillen): Befinden sich vor allem im hinteren Bereich des Zungenrückens, auf Höhe des Sulcus terminalis. Enthalten bis zu 270 Knospen pro Papille.
  • Papillae foliatae (Blattpapillen): Überwiegend am basolateralen Zungenrand lokalisiert. Enthalten nur wenige Geschmacksknospen.

Weitere Geschmacksknospen befinden sich am weichen Gaumen, an der dorsalen Wand des Oropharynx, an der Dorsalseite der Epiglottis, am Epithel über den Aryknorpeln und gelegentlich im Epithel des proximalen Ösophagus.

Die Zahl der Knospen unterliegt altersabhängigen und individuellen Schwankungen. Während Kinder ungefähr 8.000 Knospen besitzen, haben Erwachsene meist nur um die 2.000. Am Boden der Gruben der Papillae vallatae und foliatae münden die serösen von-Ebner-Spüldrüsen. Sie spülen die Geschmacksstoffe weg, um die Wahrnehmung von neuen Stoffen zu ermöglichen.

2.2. Aufbau

Die Geschmacksknospen sind zwiebelförmig aufgebaut und ungefähr 80 µm hoch. In einer Vertiefung im Stratum superficiale (Geschmacksgruben) besitzen sie eine ringförmige Öffnung (Geschmacksporus), mit der mit der Mundhöhle in Verbindung stehen. Unter der Basallamina liegt meist eine Blutkapillare sowie myelinisierte Nervenfasern, die nach Durchdringen der Basalmembran ihre Myelinscheide verlieren und einen basalen Axonplexus bilden. Es können fünf Zelltypen unterschieden werden:

2.2.1. Zelltyp I bis III

Bei Zelltyp I bis III handelt es sich um sekundäre Sinneszellen, die auf ihrer Oberfläche Mikrovilli besitzen. Sie bilden afferente Synapsen aus.

2.2.2. Zelltyp IV

Zelltyp IV sind Basalzellen, die zwischen der Basallamina und der Basis der Sinneszellen liegen. Sie dienen dem Ersatz der Sinneszellen, die ungefähr acht bis zehn Tage überleben.

2.2.3. Zelltyp V

Zelltyp V sind Marginalzellen. Sie bilden die Grenze zwischen der Geschmacksknospe und dem Plattenepithel.

3. Geschmacksqualitäten

Fünf Geschmacksqualitäten werden unterschieden:

Weitere Geschmacksqualitäten werden diskutiert. Unter anderem gibt es Hinweise darauf, dass die Zunge auch in der Lage ist, Fettsäuren zu registrieren. Diese Geschmacksqualität wird auch als Oleogustus bezeichnet.[1]

Durch Kombinationen der Qualitäten ergeben sich Mischempfindungen. Dabei variieren die Schwellenwerte der Wahrnehmung sowohl individuell als auch altersabhängig. Die Geschmacksqualität umami kann nicht durch Kombination der anderen Geschmacksqualitäten erreicht werden. Nukleotide (z.B. IMP) verstärken den Geschmackseindruck umami.

Vom Geschmackssinn abgegrenzt werden Wahrnehmungen von Schärfe (z.B. Capsaicin), alkoholbedingtes Wärmegefühl oder mentholverursachte Kühleempfindung. Diese werden durch freie Nozizeptoren des Nervus trigeminus detektiert.

Generell werden Geschmacksstoffe am Rand der Zunge besonders intensiv wahrgenommen, während im zentralen Teil des Zungenrückens eher der Temperatur- und Tastsinn der Zunge lokalisiert ist. Entgegen der lange vertretenen Lehrmeinung haben die verschiedenen Geschmacksqualitäten keine feste Topologie auf der Zungenschleimhaut, sondern bilden lediglich Schwerpunktzonen. Die Geschmacksqualität "süß" wird z.B. gehäuft im vorderen 1/3 der Zunge wahrgenommen, "bitter" eher im letzten 1/3.

4. Periphere Geschmacksbahn

Protonen (sauer) und Natrium (salzig) binden an Ionenkanäle und lösen eine Depolarisation der sekundären Sinneszelle aus. Andere Geschmacksqualitäten binden an metabotrope Rezeptoren (z.B. mGluR4 oder α-Gustducin), die über eine intrazelluläre Signalkaskade zur Depolarisation führen. Schließlich führt eine Öffnung von spannungsabhängigen Kalziumkanälen zur Ausschüttung von präsynaptischen Vesikeln, die am ehesten Glutamat enthalten. Dies hat die Aktivierung der sensorischen Nervenendigung (Geschmacksfaser) des ersten Neurons der Geschmacksbahn zur Folge. Diese pseudounipolaren Nerone haben ihre Perikarya im Ganglien des Nervus facialis, glossopharyngeus und vagus, die alle auf die Nuclei tractus solitarii projizieren.

Afferenzen aus den vorderen zwei Dritteln der Zunge verlaufen im Nervus lingualis des Nervus trigeminus, verlassen diesen in Höhe des Kiefergelenks, um dann als Chorda tympani durch die Fissura petrosquamosa und Fissura petrotympanica in das Mittelohr zu gelangen. Dort tritt es zwischen Hammer und Amboss in den Canalis facialis ein. Afferenzen aus dem weichen Gaumen verlaufen im Nervus petrosus major zum Nervus facialis. Die Perikarya beider Afferenzen liegen im Ganglion geniculi des Nervus facialis. Von dort verlaufen die Fasern im Nervus intermedius zu den Nucleii tractus solitarii.

Afferenzen aus dem hinteren Zungendrittel verlaufen im Nervus glossopharyngeus. Die Perikarya liegen im Ganglion inferius nervi glossopharyngei (Ganglion petrosum).

Fasern aus der Zungenbasis, Epiglottis, Pharynx, Larynx und Ösophagus verlaufen im Nervus laryngeus superior und Nervus vagus. Deren Perikarya liegen im Ganglion inferius nervi vagi (Ganglion nodosum).

5. Zentrale Geschmacksbahn

Ausgehend von den erwähnten Perikarya verlaufen die Geschmacksfasern der Nervi facialis, glossopharyngeus und vagus im Tractus solitarius durch das Tegmentum bis zu den Nucleii tractus solitarii. In der sogenannten Pars gustatoria werden sie somatotopisch auf das zweite Neuron verschaltet.

Die Axone der zweiten Neurone steigen überwiegend ipsilateral im Tractus tegmentalis centralis bzw. im Lemniscus medialis zum kaudalen Bereich des Nucleus ventralis posteromedialis des Thalamus auf. Hier erfolgt die Verschaltung mit dem dritten Neuron.

Die Axone der dritten Neurone projizieren auf den primären gustatorischen Cortex:

Im orbitofrontalen Cortex ist der sekundäre gustatorische Cortex lokalisiert, der sich zum Teil mit dem sekundären olfaktorischen Cortex überschneidet, was die enge Verbindung von Geruch- und Geschmackssinn erklärt.

Bei Nagetieren verlaufen die Projektionen des Solitariuskomplexes erst zum Nucleus parabrachialis medialis und anschließend zum Thalamus. Von diesem Kerngebiet aus erreichen Fasern auch die Amygdala und den Hypothalamus. Bei Primaten scheint der Nucleus parabrachialis nicht die gleiche Rolle zu spielen. Verschaltungen innerhalb der Nuclei tractus solitarii als auch Verschaltungen zwischen diesen und dem Hypothalamus sowie dem limbischem System erklären viszerale und emotionale Reaktionen. So kommt es zum Beispiel zur reflektorischen Aktivierung der Verdauungsdrüsen sowie zur Übelkeit bei aversiven Geschmackswahrnehmungen.

6. Klinik

Den teilweisen Ausfall des Geschmackssinns bezeichnet man als Hypogeusie, den vollständigen als Ageusie. Dysgeusie ist eine nicht geschmacksstoffgerechte Wahrnehmung.

7. Podcast

FlexTalk - Ein geschmackvoller Muskel: Die Zunge
FlexTalk - Ein geschmackvoller Muskel: Die Zunge

8. Bildquelle

  • Bildquelle Podcast: © Michael Constantin P. / Unsplash

9. Literatur

  • Benninghoff, Drenckhahn: Anatomie Band 2, 16. Auflage 2004, Elsevier: Urban & Fischer

10. Quelle

  1. Chem. Senses (2018) doi: 10.1093/chemse/bjv036 First published online: July 3, 2015

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