Herpes-simplex-Virus
von altgriechisch: ἕρπειν ("herpein") - kriechen und lateinisch: simplex - einfach
Synonyme: HHV-1, HHV-2
Abkürzung: HSV
Englisch: herpes simplex virus
Definition
Das Herpes-simplex-Virus, kurz HSV, ist ein DNA-Virus aus der Familie der Herpesviren. Das Virus verursacht beim Menschen eine Infektion, die als Herpes simplex bezeichnet wird und in der Mehrzahl der Fälle mit bläschenartigen Haut- und Schleimhautausschlägen einhergeht.
Taxonomie
siehe Hauptartikel: Virustaxonomie
Arten
Man unterscheidet zwei eng verwandte Arten des Herpes-simplex-Virus:
- Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) und
- Herpes-simplex-Virus 2 (HSV-2)
HSV-1 und HSV-2 führen beide u.a. zu genitalen und orolabialen Symptomen und sind klinisch nicht zu unterscheiden. Jedoch kommt es bei genitalen HSV-2-Infektionen bzw. bei orolabialen HSV-1-Infektionen zu einer jeweils im Vergleich zum anderen Virussubtyp deutlich höheren Rezidivrate.
Außerdem erfolgt die Primärinfektion mit HSV-1 v.a. über den Mundbereich, bei HSV-2 eher über die Genitalorgane. Daher wird HSV-1 häufig auch als oraler Typ, HSV-2 als genitaler Typ bezeichnet. Diese Zuordnung ist jedoch irreführend, da der Anteil an genitalen Infektionen durch HSV-1 im Rahmen orogenitaler Kontakte deutlich zugenommen hat.
Epidemiologie
Das Virus ist weltweit verbreitet und zeigt kein saisonales Verbreitungsmuster.
Morphologie
Das Genom der Herpes-simplex-Viren besteht aus einer linearen, doppelsträngigen DNA (dsDNA) mit 152 kB. Es befindet sich in einem ikosaedrischen Kapsid, das aus 162 Kapsomeren aufgebaut ist. Weiterhin besitzt das Virus eine Hülle aus einer lipidhaltigen Membran. Zwischen der Virushülle und dem Kapsid befindet sich das Tegument.
Genetik
Das Genom der Herpes-simplex-Viren besteht aus einer ca. 152 kb großen, linear angeordneten, doppelsträngigen DNA (dsDNA). Es codiert mit entsprechenden offenen Leserahmen (ORFs) für mindestens 74 verschiedene Virusgene. Die genetische Ähnlichkeit von HSV-1 und HSV-2 beträgt auf das gesamte Genom bezogen etwa 85 %. In vielen Genabschnitten besteht sogar eine Übereinstimmung von mehr als 99 %. Die Unterschiede zwischen beiden Virusarten betreffen überwiegend einige Hüllproteine sowie Gene, welche für die Steuerung der Genexpression verantwortlich sind. Während der Virusreplikation wird die lineare DNA durch DNA-Ligasen zu einem Ring geschlossen, der so genannten cccDNA. In dieser Form kann sie im Zellkern persistieren.
Übertragung
Die Übertragung erfolgt primär durch Kontakt mit Ulzera oder durch Personen mit subklinischen Rezidiven, seltener auch durch Tröpfcheninfektion. Dabei kann sich das Virus an den Schleimhautoberflächen unbemerkt replizieren und nach Abschilferung ausgeschieden werden (Shedding). Kleine oberflächliche Defekte an der Haut, der Mundschleimhaut, den Konjunktiven oder an der Rektumschleimhaut dienen als Eintrittspforten.
Ausbreitung
Das Herpes-simplex-Virus ist neurotrop und epidermotrop. Die Exposition des Herpes-simplex-Virus auf Schleimhäuten oder Hautläsionen ermöglicht die Invasion und anschließende Replikation in Zellen der Epidermis und Dermis. Diese Erstinfektion verläuft meist inapparent und erfolgt i.d.R. im Kindes- bzw. jungen Erwachsenenalter. Die Primärinfektion führt zu einer Besiedlung von sensorischen und/oder autonomen Nervenendigungen, wobei das Nukleokapsid intraaxonal zu den Perikarya in den Ganglien transportiert wird. Die Zeitspanne zwischen Eindringen in peripheres Gewebe und Ausbreitung in die Ganglien ist unbekannt.
Die weitere Ausbreitung des Virus erfolgt zentrifugal über die peripheren Nervenbahnen zu anderen Bereichen der betroffenen Schleimhäute, durch Mikrofusion benachbarter Epithelzellen sowie über eine Virämie, die bei 30-40 % der HSV-2-Erstinfizierten nachweisbar ist. Bei der Infektion mit HSV-1 ist v.a. das Ganglion trigeminale infiziert, wobei auch das Ganglion cervicale superius und das Ganglion cervicale inferius häufig betroffen sind. Bei anogenitalen Infektionen sind die sakralen Spinalganglien, autonome Ganglien sowie Nerven des Beckens infiziert.
Nach der Erstinfektion persistieren die Herpes-simplex-Viren in den Neuronen. Insbesondere spezifische T-Zellen aber auch Antikörper verhindern eine Reaktivierung durch Freisetzung von IFN-γ und durch Granzym-B-vermittelte Degradation des sog. Immediate-early-Proteins ICP4. Bei Reaktivierung erreicht das Virus die dermoepidermale Junktionszone, wobei anschließend drei Möglichkeiten existieren:
- rasche Eindämmung der Infektion durch das Immunsystem (v.a. CD8-positive T-Zellen) in der Nähe der Reaktivierungszone
- Ausbreitung kleiner Virusmengen in die Epidermis mit Mikroulzerationen und subklinischer Virusfreisetzung
- ausgedehnte Replikation und Ausbreitung der Viren mit Nekrose der Epithelzellen und klinischem Rezidiv (Hautbläschen, Ulzerationen).
Replikation
Bei der initialen Anhaftung an die Wirtszelle spielt die Interaktion zwischen den viralen Glykoproteinen C und B sowie zellulären heparansulfatartigen Oberflächenrezeptoren eine wichtige Rolle. Anschließend bindet das virale Glykoprotein D an zelluläre Corezeptoren aus der Proteinfamilie der Tumornekrosefaktoren oder der Superfamilie der Immunglobuline (Nektine). Das ubiquitäre Vorkommen dieser Rezeptoren trägt zum großen Wirtsspektrum der Herpesviren bei. Nach der Fusion und Einschleusung des Nukleokapsids in das Zytoplasma der Zelle (Penetration) werden die viralen Proteine freigesetzt. Sie führen zu einem Anstieg der zellulären RNA-Degradierung sowie zur Hochregulation der Transkription der sogenannten frühen α-Gene (early genes). Deren Genprodukte werden für die Synthese der nachfolgenden β-Polypeptide benötigt. Dabei handelt es sich um regulatorische Proteine und Enzyme, die für die virale DNA-Replikation notwendig sind (z.B. DNA-Polymerase). Die γ-Gene kodieren für die Mehrzahl der viralen Strukturproteine.
Nach der Replikation des Genoms und der Synthese der Strukturproteine werden die Nukleokapside im Zellkern zusammengesetzt. Während der Knospung des Nukleokapsids durch die innere Kernmembran entsteht die Virushülle. In einigen Wirtszellen geht die Virusreplikation im Kern mit der Bildung von Einschlusskörperchen einher. Dabei unterscheidet man zwei Typen:
- Typ A: basophile, Feulgen-positive Einschlusskörperchen, die virale DNA enthalten.
- Typ B: eosinophile Einschlusskörperchen, die weder virale DNA noch Proteine enthalten.
Nachdem die eingehüllten Virionen den Zellkern verlassen, werden sie über das endoplasmatische Retikulum und den Golgi-Apparat zur Zelloberfläche transportiert.
Latenz
In einigen Neuronen bleibt das Virusgenom in einem unterdrückten Zustand erhalten. Diese Latenz geht mit einer geringen Transkription von viraler RNA einher, wobei kein Virus isoliert werden kann. Das Virusgenom kann reaktiviert weden, woraufhin es zur normalen Expression viraler Gene sowie zur Replikation und Freisetzung von HSV kommt. Anschließend können die Viren sich per anterogradem axonalen Transport ausbreiten. Vermutete Triggerfaktoren einer Reaktivierung sind UV-Strahlung, systemische oder lokale Immunsuppression, Fieber, Stress sowie Traumata der Haut und der Ganglien.
Während der Latenzphase sind in den Zellkernen infizierter Neurone drei nicht kodierende RNA-Transkripte, sogenannte Latency Associated Transcripts (LATs) nachweisbar. Sie scheinen die Latenz aufrechtzuerhalten und die Apoptose der Neurone zu hemmen. Weiterhin scheint virale MikroRNA die Expression des Virulenzfaktors ICP34.5 zu hemmen. Insgesamt sind die molekularen Mechanismen der Latenz bei HSV nicht vollständig aufgeklärt.
Klinik
Die Herpes-simplex-Virusinfektion, kurz als Herpes simplex bezeichnet, manifestiert sich in erster Linie an der Haut und auf den Schleimhäuten. Charakteristisches Merkmal der Erkrankung sind gruppierte Bläschen oder polyzyklisch begrenzte Erosionen. Der Verlauf ist in der Regel benigne, kann aber bei Immundefizienz schwer und unter Umständen sogar lebensbedrohlich sein.
Pharmakologie
Gegen Herpes-simplex-Viren können verschiedene Virostatika eingesetzt werden, u.a. Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir, Ganciclovir und Brivudin.
Quiz
Bildquelle
- Bildquelle für Flexikon-Quiz: ©Fusion Medical Animation / Unsplash
Literatur
- Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin. 2020 ABW Wissenschaftsverlag
- AWMF Leitlinie Virale Meningoenzephalitis, Stand 2012, abgerufen am 04.09.2020
- Gross G. Herpes-simplex-Virusinfektionen, Der Hautarzt. 55, 818-830, 2004, abgerufen am 04.09.2020
- Malisiewicz B, Schöfer H. Diagnostik und Behandlung genitoanaler Ulzera infektiöser Genese, Hautarzt 66, 19–29 (2015), abgerufen am 04.09.2020
- Bhatta AK et al. Vertikale Übertragung des Herpes‐simplex‐Virus: eine Aktualisierung, JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 16: 685-693, abgerufen am 04.09.2020