Zunge
Synonyme: Lingua, Glossa
Englisch: tongue
Definition
Die Zunge ist ein längliches, von spezialisierter Schleimhaut überzogenes Muskelorgan, das zum oberen Verdauungstrakt zählt. Sie liegt auf dem Boden der Mundhöhle und füllt diese bei geschlossenen Kiefern fast ganz aus.
Anatomie
Aufbau
Die Zunge wird makroskopisch in folgende Abschnitte eingeteilt:
- Zungenwurzel (Radix linguae)
- Zungenkörper (Corpus linguae)
- Zungenspitze (Apex linguae)
Weiterhin lassen sich folgende Außenflächen unterscheiden:
- Zungenrücken (Dorsum linguae)
- Zungenunterseite (Facies inferior linguae)
- Zungenrand (Margo linguae)
Radix linguae
Der hinterste, dickste Teil der Zunge wird als Zungenwurzel (Radix linguae) oder Zungengrund bezeichnet. Hier befindet sich die Zungenmandel (Tonsilla lingualis). Die Zungenwurzel ist am Zungenbein (Os hyoideum) befestigt, das im oberen Teil des Halses lokalisiert und durch Muskeln und Bänder mit dem Kehlkopf verbunden ist.
Corpus linguae
Der Zungenkörper wird optisch durch den Sulcus terminalis von der Zungenwurzel getrennt. Er besteht aus der Zungenmuskulatur, die sich in eine innere und äußere Muskelgruppe unterteilen lässt. Die Muskelfasern sind in allen möglichen Richtungen angeordnet und ermöglichen dadurch die überaus große Beweglichkeit der Zunge sowie ihre Fähigkeit, ihre Gestalt auf vielfache Weise zu verändern. Zwischen den Muskelfaserbündeln verlaufen Nerven und Gefäße. In der Medianebene der Zunge ist eine Art senkrechte, bindegewebige Scheidewand aus Sehnenfasern vorhanden, das Septum linguae.
Apex linguae
Die Zungenspitze (Apex linguae) markiert die Stelle, an welcher der rechte und der linke Zungenrand (Margo linguae) zusammen laufen. Die Zungenspitze ist wie der Zungenrücken mit spezialisierter Mundschleimhaut bedeckt.
Dorsum linguae
Die Oberseite der Zunge wird als Zungenrücken (Dorsum linguae) bezeichnet. Sie ist in sagittaler und transversaler Richtung leicht gewölbt, liegt fast ganz frei und zeigt hinten - an der Spitze des Sulcus terminalis - eine dreieckige Vertiefung, das Foramen caecum. Dabei handelt es sich um ein Relikt des Ductus thyreoglossus, in das sich mehrere Schleimdrüsen entleeren. In der Medianebene verläuft der Sulcus medianus, der die Zunge in eine rechte und linke Hälfte unterteilt.
Facies inferior linguae
Die untere Fläche der Zunge (Facies inferior linguae) ist mit ihrem mittleren Teil an den Boden der Mundhöhle angewachsen und vorn durch eine Falte der Mundschleimhaut, das Zungenbändchen (Frenulum linguae), so angeheftet, dass nur die Spitze und die Seitenränder frei sind. Erstreckt sich das Zungenbändchen zu weit nach vorn, wird dadurch unter Umständen die freie Beweglichkeit der Zunge beeinträchtigt. Zu beiden Seiten des Zungenbändchens sieht man gezackte Schleimhautfalten, die Plicae fimbriatae.
Margo linguae
Der Zungenrand (Margo linguae) trennt den Zungenrücken von der Zungenunterseite. Der rechte und der linke Zungenrand laufen anterior in der Zungenspitze (Apex linguae) zusammen.
Muskulatur
Die Muskulatur der Zunge wird topografisch in eine innere und eine äußere Zungenmuskulatur unterteilt. Die innere Zungenmuskulatur formt die Zunge selbst, die äußere Zungenmuskulatur verbindet die Zunge mit den umgebenden Gewebestrukturen und kann die Zunge als Ganzes im Raum verschieben.
siehe Hauptartikel: Zungenmuskulatur
Innervation
Die sensible und motorische Innervation der Zunge ist komplex und erfolgt über mehrere Nerven.
- Für die motorische Innervation der Binnenmuskulatur der Zunge ist der Nervus hypoglossus (Nervus XII) verantwortlich.
- Die sensible (Tastwahrnehmung) und sensorische Innervation (Geschmackswahrnehmung) werden im hinteren 1/3 der Zunge durch den Nervus glossopharyngeus (Nervus IX) und - zu kleineren Anteilen - den Nervus vagus (Nervus X) besorgt.
- In den vorderen 2/3 übernimmt die sensible Versorgung der Nervus lingualis, ein Ast des Nervus trigeminus (Nervus V). Die speziell-viszerosensiblen Fasern, welche die sensorischen Reize transportieren, sind diesem Nerven nur angelagert und stammen - via Chorda tympani - vom Nervus facialis (Nervus VII).
Gefäßversorgung
Die arterielle Versorgung der Zunge wird durch die Arteria lingualis, einen Ast der Arteria carotis externa, gesichert. Sie verzweigt sich im bzw. am Zungenkörper in zahlreiche kleinere Äste. Zu den Ästen zählen die Arteria profunda linguae, die Rami dorsales linguae und die Arteria sublingualis. Ein weiterer Ast zieht als Ramus suprahyoideus zum Bereich über dem Os hyoideum.
Der venöse Abfluss erfolgt im Wesentlichen über die Vena lingualis und ihre Äste: Vena sublingualis, Vena profunda linguae und Venae linguales dorsales.
Embryologie
Die Zunge bildet sich aus Material der ersten 4 Kiemenbögen. Die vorderen 2/3 der Zunge rekrutieren sich vor allem aus Anteilen des 1. Kiemenbogens, im speziellen den beiden seitlichen, von Entoderm überzogenen Zungenwülsten. Kleinere Anteile steuert das Tuberculum impar bei, das auch Material aus dem 2. Kiemenbogen enthält. Die vorderen 2/3 der Zunge bestehen aus ektodermalen und endodermalen Anteilen.
Das hintere 1/3 bildet sich aus einer unpaaren Fusionsstelle des 2. und 3. Kiemenbogens, der Copula, und kleinen Anteilen des 4. Kiemenbogens. Es ist nur endodermalen Ursprungs.
Histologie
Zungenschleimhaut
Die Zunge ist rundum von spezialisierter Mundschleimhaut bedeckt. Auf der Oberseite der Zunge befindet sich ein mehrschichtiges Plattenepithel, das – abhängig von der jeweiligen mechanischen Belastung – verhornt oder unverhornt ist. Die Unterseite der Zunge ist von unverhorntem Plattenepithel bedeckt.
Die Schleimhaut des Zungenrückens weist beim Menschen 4 verschiedene Arten von Papillen auf:
- Papillae mechanicae (Mechanische Papillen)
- Papillae filiformes (Fadenpapillen)
- Papillae gustatoriae (Geschmackspapillen)
- Papillae fungiformes (Pilzpapillen)
- Papillae foliatae (Blattpapillen)
- Papillae vallatae (Wallpapillen)
Von diesen sind die Papillae vallatae oder circumvallatae, die Papillae foliatae und die Papillae fungiformes mit den eigentlichen Wahrnehmungsorganen, den Geschmacksknospen ausgestattet. Sie werden deshalb auch als Papillae gustatoriae bezeichnet und dienen der Geschmackswahrnehmung. Die Geschmacksknospen sind becherförmige Organe voll stabförmiger Nervenendzellen, die mit sensorischen Nervenfasern des Nervus glossopharyngeus und des Nervus facialis verbunden sind.
Die Zunge enthält auch zahlreiche kleine Speicheldrüsen, besonders in der Gegend der Zungenwurzel. Ferner münden in die Gräben, welche die Papillae vallatae und die Papillae foliatae umgeben, kleine seröse Düsen, die Ebner-Spüldrüsen.
Die gesamte Oberfläche der Zunge ist von einem Epithel überzogen. Durch Verhornung des Epithels im Bereich der Papillenspitzen bildet sich der weißliche Zungenbelag, der durch Speichel und Speisereste noch vergrößert wird, die sich in den zahlreichen Vertiefungen zwischen den Papillen einlagern und die Ansiedelung von Pilzen (z.B. Candida albicans) begünstigen.
Zungenmuskulatur
Unterhalb der Zungenschleimhaut befindet sich eine derbe Bindegewebsschicht, die Zungenaponeurose (Aponeurosis linguae), die der darunter liegenden Zungenmuskulatur als Insertionsfläche dient. Im histologischen Schnitt erkennt man eine dicke Schicht quergestreifter Muskulatur, deren verflochtene Faserzüge in verschiedene Raumrichtungen laufen. Diese Zungenbinnenmuskulatur gliedert sich entsprechend des Faserverlaufs in zwei Musculi longitudinales (Musculus longitudinalis superior und Musculus longitudinalis inferior), einen Musculus verticalis linguae und einen Musculus transversus linguae.
Funktion
Die Zunge hat mehrere Funktionen:
- Nahrungstransport: Die Zunge verteilt die Nahrung zwischen den Zahnreihen und leitet den Nahrungsbrei in den Rachen weiter. Damit hat sie eine zentrale Bedeutung bei der Nahrungsaufnahme.
- Mechanische Zerkleinerung bzw. Durchmischung: Die kräftigen Walkbewegungen zerdrücken die Nahrung und vermischen sie mit dem Speichel, der zahlreiche Enzyme enthält.
- Geschmackswahrnehmung: Die Geschmacksknospen liefern dem Gehirn Informationen über die Qualität der Nahrung.
- Sprechfunktion: Artikulation von Zungenlauten beim Sprechen.
- Mimische Funktion: Die Zunge wird in vielen Kulturen z.B. zum Ausdruck von Ärger oder Ekel, aber auch zur Begrüßung oder Ehrerbietung herausgestreckt.
- Stimulationsfunktion: Auslösung von Erregung bei Zungenküssen und orogenitalen Sexualpraktiken
Klinik
Untersuchung der Zunge
Die Überprüfung der Zunge ist ein wichtiger Teil der körperlichen Untersuchung, die erste Hinweise auf den Gesundheitszustand des Patienten geben kann. Sie erfolgt durch Inspektion bei geöffnetem Mund, am besten unter Zuhilfenahme eines Mundspatels.
Es wird vor allem auf die Farbe und das Schleimhautrelief der Zungenoberfläche geachtet, sowie auf das Vorhandensein von Belägen. Einige Zungenveränderungen sind typisch für bestimmte Erkrankungen:
- Lackzunge -> Leberzirrhose, Vitamin-B12-Mangel (Hunter-Glossitis)
- Himbeerzunge -> fieberhafte Infekte (z.B. Scharlach)
- Bläuliche Zunge -> zentrale Zyanose
Veränderungen der Zunge
Die Zunge kann im Rahmen von Allgemeinerkrankungen oder genetischen Störungen zahlreiche Veränderungen aufweisen. Man unterscheidet:
Größenveränderungen
- Makroglossie: Überentwickelte, vergrößerte Zunge
- Mikroglossie bzw. Hypoglossie: Unterentwicklung der Zunge
- Zungenschwellung: Reversibles Ödem der Zunge
Das komplette Fehlen der Zunge nennt man Aglossie.
Veränderungen des Oberflächenreliefs
- Lingua plicata: Faltenzunge
- Lingua geographica: Landkartenzunge
Andere Fehlbildungen
- Lingua bifida: Spaltzunge
- Glossoptosis: Rückzug der Zunge in den Pharynx
Erkrankungen der Zunge
Die Zunge kann wie der Rest der Mundhöhle von zahlreichen Erkrankungen betroffen sein. Dazu gehören u.a.:
Zungenpflege
Die bakterielle Besiedelung der Zunge kann gelegentlich zur Halitosis (Mundgeruch) führen. Um dies zu verhindern, kann die Zunge im Rahmen der Mundpflege mit speziellen Reinigungsinstrumenten (Zungenschaber, Zungenbürste) behandelt werden.
Podcast
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Michael Constantin P. / Unsplash
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