Tetanus
von altgriechisch: τέτανος ("tetanos") - Krampf
Synonym: Wundstarrkrampf
Englisch: tetanus
Definition
Der Tetanus bzw. Wundstarrkrampf ist eine potentiell tödliche Infektionskrankheit, die durch eine Wundinfektion mit dem Erreger Clostridium tetani hervorgerufen wird. Das durch die Clostridien gebildete Tetanustoxin führt zu einer spastischen Lähmung der Muskulatur.
Für Tetanus in der Physiologie siehe: tetanische Kontraktion
Erreger
Clostridium tetani ist ein grampositives, sporenbildendes, peritrich begeißeltes, anaerobes Stäbchen.
Epidemiologie
Seit Einführung der Tetanus-Schutzimpfung ist die Inzidenz der Erkrankung besonders in Industrieländern stark zurückgegangen. In Deutschland werden pro Jahr ca. 10 bis 15 Fälle registriert. Weltweit sind jedoch jährlich ca. 48.000 bis 80.000 Todesfälle auf eine Tetanusinfektion zurückzuführen.[1] Besonders in Entwicklungsländern mit niedrigen Impfraten ist die Inzidenz immer noch hoch und genaue Zahlen sind nicht verfügbar. Bei etwa einem Drittel der Todesfälle handelt es sich um Neugeborene.
Pathogenese
Clostridium tetani tritt in die Wunde ein und bildet 2 Exotoxine:
- Tetanolysin: Es besitzt eine hämolytische und kardiotoxische Wirkung
- Tetanospasmin: Dieses Toxin erreicht hämatogen oder retrograd über die peripheren Nerven die motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks. Es hemmt dort die Freisetzung von GABA und Glycin durch Spaltung von Synaptobrevin, wodurch ein inhibitorisches postsynaptisches Potenzial (IPSP) ausbleibt. So wird eine eine spastische Lähmung mit tonischen und klonischen Krämpfen verursacht. Die Symptomatik ist mit der einer Strychninvergiftung vergleichbar. Auch bei Bagatellverletzungen kann es zu einer Kontamination von Wunden kommen, da Clostridium tetani ubiquitär vorkommt.
Klinik
Formen
- Neonataler Tetanus (Tetanus neonatorum): Weltweit häufigste Form. Neugeborene mit unzureichend geimpfter Mutter. Die Ansteckung erfolgt über die Nabelschnur, z.B. bei der Durchtrennung mit unsterilen Instrumenten. Diese Form kommt fast nur in Ländern mit unzureichender medizinischer Versorgung und mangelnder Hygiene vor. Sie zeigt sich klinisch in der Regel als generalisierter Tetanus.
- Maternaler Tetanus: Tetanus, der während der Schwangerschaft oder innerhalb der letzten 6 Wochen vor Ende der Schwangerschaft auftritt.
- Generalisierter Tetanus: Häufigste Form des Wundstarrkrampfs in Mitteleuropa, bei der die gesamte Muskulatur betroffen ist.
- Lokaler Tetanus: Diese seltenere Form des Tetanus führt lediglich in der Extremität mit der Eintrittspforte zu lokalem Rigor und Spasmen. Ein Übergang in einen generalisierten Tetanus ist allerdings möglich.
- Zephaler Tetanus: Sonderform des lokalen Tetanus mit kurzer Inkubationszeit, bei der die im Kopf-Halsbereich vorliegt. Mögliche Symptome sind ipsilaterale Fazialisparese und Trismus.
- Puerperaler Tetanus: Tetanus nach Geburten und Fehlgeburten durch Infektion des Uterus
- Postoperativer Tetanus: Nach chirurgischen Eingriffen
Verlauf
Die mittlere Inkubationszeit wird mit 8 Tagen angegeben, sie kann jedoch zwischen 2 und 21 Tagen variieren. Erste Anzeichen eines sich entwickelnden Tetanus sind Kopfschmerzen, Schwindel, Schweißausbrüche und eine gesteigerte Auslösbarkeit der Muskeleigenreflexe.
Im weiteren Verlauf bilden sich spastische Lähmungen aus. Häufig beschrieben wird der für den Tetanus charakteristische Trismus, bei der ein gesteigerter Tonus der Kaumuskulatur zu einer myogenen Kieferklemme führt. Weiterhin zeigt sich durch die Spastik der mimischen Muskulatur ein charakteristisch verspannter Gesichtsausdruck, der sogenannte Risus sardonicus. Eine langstreckige tonische Kontraktion der Nacken- und Rückenmuskulatur bezeichnet man als Opisthotonus. Darüber hinaus kann eine autonome Dysfunktion eintreten, meist verbunden mit einem erhöhten Sympathikotonus. Ebenso leiden einige Patienten unter einer Dysphagie und einem Laryngospasmus.
Gefährliche Ausmaße können die tonisch-klonischen Krämpfe annehmen, ein Befall der Atemmuskulatur bedingt akute Lebensgefahr.
Schweregrade
Der klinische Verlauf wird in vier Schweregrade unterteilt:
Grad | Ausprägung | Symptomatik |
---|---|---|
I | leicht | leichter bis mäßiger Trismus, keine Spasmen, keine oder nur leichte Dysphagie |
II | mäßig | mäßiger Trismus, deutliche Rigidität, leichte bis mäßige, eher kurze Spasmen, Tachypnoe > 30, leichte Dysphagie |
III | schwer | schwerer Trismus, generalisierte Tonuserhöhung der Muskulatur, prolongierte Spasmen, Tachypnoe > 40, Tachykardie > 120/min, Apnoeanfälle |
IV | sehr schwer | Grad III mit schwerer autonomer Dysregulation, Tachyarrhythmien, Bradyarrhythmien, Asystolie |
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt in erster Linie durch das klinische Bild sowie durch die Verletzungs- und Impfanamnese. Der kulturelle Erregernachweis und die mikroskopische Untersuchung sind nur selten erfolgreich und besitzen diagnostisch praktisch keine Bedeutung.
Tetanus-Antikörper
Zur Kontrolle des Impfstatus können IgG-Antikörper gegen das Tetanustoxin mittels ELISA bestimmt werden.
Material
Für die Untersuchung wird 1 ml Blutserum benötigt.
Interpretation
Titerhöhe [IU/ml] | Bewertung |
---|---|
< 0,01 |
|
0,01 bis 0,1 |
|
0,11 bis 0,5 |
|
0,51 bis 1,0 |
|
1,01 bis 5,0 |
|
5,01 bis 10,0 |
|
Hinweis: Auffrischimpfungen bei Antikörperkonzentrationen über 0,5 IU/ml können zu unerwünschten Impfreaktionen führen.
Neutralisationstest
Zur Diagnosesicherung kann nach strenger Indikationsstellung ein Toxinnachweis mittels eines Neutralisationstests im Tierversuch durchgeführt werden. Dabei werden Mäuse mit Patientenserum oder Wundmaterial infiziert. Die Wirkung des Toxins führt bei den Tieren innerhalb weniger Tage zu einem charakteristischen Starrkrampf der Hinterbeine und anschließend zum Tod. Immunisierte Vergleichstiere zeigen bei identischer Behandlung keine Symptome.
Therapie
Eine Tetanusinfektion muss im intensivmedizinischen Rahmen und unter besonderer Überwachung der Atemfunktion therapiert werden.
Wundversorgung
Durch ein chirurgisches Wunddébridement soll die weitere Freisetzung des Tetanustoxins reduziert werden. Dabei ist darauf zu achten, angrenzendes nekrotisches Gewebe vollständig zu entfernen.
Antibiotikatherapie
- 500 mg Metronidazol 3 bis 4 mal am Tag intravenös verabreicht über einen Zeitraum von 7 bis 10 Tage sind empfohlen.
- Alternativ kann Penicillin G mit 2 bis 4 Millionen IE 4 bis 6 mal am Tag intravenös verabreicht werden.
Toxinneutralisation
Zur Neutralisation des Tetanustoxins erfolgt die Gabe von humanem Tetanus-Immunoglobulin (hTIG) (Tetagam®). Die Injektion sollte schnellstmöglich nach Diagnosestellung erfolgen.
- Einzeldosis 500 bis 3.000 IE intramuskulär, teilweise wird in der Literatur noch eine Dosis zwischen 3.000 und 6.000 IE empfohlen
- Laut AWMF-Leitlinien ist bei schweren Verläufen eine zusätzliche intrathekale Applikation möglich.
Zusätzlich erfolgt eine Infiltration der Wundränder.
Aktive Immunisierung
Zur zusatzlichen aktiven Immunisierung wird Tetanus-Totimpfstoff (Tetanol®) gegeben. Der Impfstoff darf nicht in die selbe Extremität injiziert werden wie das hTIG.
Supportive Therapie
- Sedierung mit Propofol und Benzodiazepinen
- zusätzliche Behandlung der Muskelspasmen mit Muskelrelaxantien, z.B. mit Baclofen oder lokal mit Botulinumtoxin A
- Für die Behandlung einer autonomen Dysfunktion werden u.a. Magnesiumsulfat und Betablocker verwendet.
- Ggf. sind eine Intubation und eine maschinelle Beatmung notwendig.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prävention
Die STIKO empfiehlt zur Prophylaxe des Tetanus jeder Person eine aktive Immunisierung als Standardimpfung. Bei Säuglingen sollte nach Vollendung des 2. Lebensmonats die Immunisierung begonnen und gemäß Impfkalender vervollständigt werden. Darüber hinaus ist eine Impfung bei allen Personen mit fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung indiziert sowie bei Personen, bei denen die letzte Impfung über 10 Jahre zurückliegt. Die begonnene Grundimmunisierung wird in einem 10-jährigem Intervall vervollständigt.[2]
Auch Bagatellverletzungen können eine Eintrittspforte für den Tetanuserreger bilden, daher sollte auch bei kleinen Wunden immer der Immunstatus überprüft werden. Besonders wichtig ist der aktueller Impfschutz bei älteren Patienten, die an Durchblutungsstörungen, Diabetes oder Erkrankungen der Hautoberfläche (Ulkus) leiden. Bei nicht oder nicht ausreichend Geimpften sowie bei Patienten mit unklarem Immunstatus wird eine aktive Immunisierung und ggf. eine Tetanus-Immunprophylaxe mittels Immunglobulinen empfohlen. Die genauen Maßnahmen sind den aktuellen STIKO-Empfehlungen zu entnehmen.[3]
Meldepflicht
Die Meldepflicht ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt, sondern unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Auskunft erteilen die jeweiligen Gesundheitsbehörden. In der Schweiz ist die klinische Diagnose "Tetanus" meldepflichtig.
Quellen
- ↑ Kyu, Hmwe H et al. “Mortality from tetanus between 1990 and 2015: findings from the global burden of disease study 2015.” BMC public health vol. 17,1 179. 8 Feb. 2017, doi:10.1186/s12889-017-4111-4
- ↑ Robert Koch Institut
- ↑ Epidemiologisches Bulletin
Literatur
- Laborlexikon.de, abgerufen am 19.05.2021