Streptokokken-Meningitis (Schwein)
Synonyme: S. suis-Meningitis, Strep-suis-Meningitis
Englisch: streptococcal meningitis
Definition
Die Streptokokken-Meningitis ist eine bakterielle Infektionskrankheit beim Schwein, die zum Krankheitskomplex der Streptococcus suis-induzierten Erkrankungen gezählt wird.
Erreger
Streptococcus suis ist ein grampositiver, fakultativ anaerober, unbeweglicher, katalasenegativer und ca. 1 µm großer Kokkus. Aufgrund der Oberflächenantigene können 35 Serotypen unterschieden werden, wobei der Serotyp 2 weltweit am häufigsten auftritt.
Die Polysaccharidkapsel schützt das Bakterium vor Phagozytose. Weitere Virulenzfaktoren sind verschiedene Oberflächenproteine, z.B. Peptidoglykan-Polysaccharid Deacetylase, Serum-Opazitätsfaktor oder das Zytolysin Suilysin.
Epidemiologie
Streptococcus suis-Infektionen treten bei allen Altersgruppen auf, betreffen aber häufig Saug- und Absetzferkel.
Streptokokken besiedeln physiologischerweise den oberen Respirationstrakt (Nase und Tonsillen), den Verdauungs- und auch den Genitaltrakt. Die Einschleppung der Erreger in einen Bestand erfolgt meist über klinisch unauffällige Zukaufstiere. Zusätzlich können neben belebten Vektoren (z.B. Mäuse, Fliegen und Vögel) auch mangelnde Personalhygiene oder Gerätschaften die Bakterien verbreiten.
Eine Infektion führt nur unter begünstigenden Faktoren (Faktorenkrankheit) zu klinisch manifesten Symptomen.[1] So sind eine dichte Stallbelegung, hohe Temperaturen und schlechte hygienische Bedingungen für eine Erhöhung des Infektionsdruckes verantwortlich. Prädisponierend für eine Erkrankung sind diverse Stressoren und Immunsuppression.
Die Erregerübertragung erfolgt aerogen über Aerosole, oronasal, im Zuge der Geburt oder über Wunden (z.B. Verletzungen der Haut während Rangkämpfen oder iatrogen durch falsch ausgeführte zootechnische Maßnahmen). Zusätzlich können die Erreger über den Nabel in den Organismus aufsteigen (Omphalitis).
Pathogenese
Die genauen Pathomechanismen sind bislang (2019) ungeklärt.
Man geht davon aus, dass die Erreger meist über die oronasale Eintrittspforte in den Körper gelangen und zu einer primären Besiedlung des Magen-Darm-Traktes oder der Tonsillen führen. Über Monozyten oder im Zuge einer Bakteriämie können die Bakterien in den gesamten Organismus verstreut werden und sich in verschiedenen Organen ansiedeln, u.a. in die Gelenke, Serosen oder Meningen. Wie die Bakterien letztendlich die Blut-Hirn-Schranke überwinden, ist noch Gegenstand der Forschung.
Klinik
Die klinischen Bilder sind stark von den betroffenen Organsystemen abhängig. Bei einer Besiedlung der Meningen kommt es zu typischen zentralnervösen Störungen und Allgemeinsymptomen. Neben Fieber (bis 41 °C) leiden betroffene Tiere an Anorexie und Apathie. Meist sind sie in Seitenlage und mit Ruderbewegungen anzutreffen. Zusätzlich können Nystagmus, Opisthotonus, Hyperästhesie, Krämpfe, Kopfschiefhalten, Koordinationsstörungen und Fazialislähmungen beobachtet werden.
In den meisten Fällen sind nur einzelne Tiere betroffen.
Pathologie
Während der Sektion erkrankter Tiere zeigt sich eine fibrinopurulente Meningitis mit einer verdickten Meninx, einer hochgradigen Infiltration mit neutrophilen Granulozyten und einer Hyperämie.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch müssen infektiöse (Tierseuchen, andere Infektionskrankheiten) sowie nicht-infektiöse Auslöser berücksichtigt werden, die zu zentralnervösen Störungen führen können: Glässer-Krankheit, Otitis, Ödemkrankheit, Aujeszky-Krankheit, NaCl-Vergiftung, Selenvergiftung.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese und der Klinik (zentralnervöse Symptome, Befall von Einzeltieren).
Im klassischen Fall sind Absetzferkel etwa ein bis zwei Wochen nach dem Absetzen betroffen, da zu diesem Zeitpunkt die maternalen Antikörper drastisch abnehmen und das eigene Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Scheidet während dieser Phase ein Ferkel Streptokokken aus, kommt es zu einer Neuinfektion aller Tiere bei gleichzeitig steigendem Infektionsdruck, sodass die Anzahl der Erkrankungen ansteigt.
Neben den pathohistologischen Veränderungen ist v.a. ein direkter Erregernachweis für die Diagnosestellung notwendig. Hierfür können betroffene Lokalisationen (Meningen) beprobt und ein Kulturversuch auf Blutagar durchgeführt werden. Im Anschluss müssen die Kolonien zur näheren Differenzierung mittels PCR (virulenzassoziierte Faktoren) oder Serotypisierung herangezogen werden. Gleichzeitig sollte aufgrund der Resistenzlage immer ein Antibiogramm angefertigt werden.
Therapie
Die Auswahl des geeigneten Antibiotikums richtet sich nach dem Antibiogramm. Grundsätzlich kommen neben β-Lactam-Antibiotika (Cephalosporine, Ampicilline, Amoxicilline und Oxacilline) auch Tetrazykline und Trimethoprim-Sulfamethoxazol in Frage.
Prophylaxe
Prophylaktische Maßnahmen umfassen:
- Optimierung der Hygienebedingungen: z.B. Rein-Raus-Verfahren, fachgerechte Reinigung und Desinfektion, Quarantäne neu zugekaufter Tiere
- Verbesserung der Haltungsbedingungen: z.B. Stallklima optimieren, Fütterung anpassen, Schadgase reduzieren
Zusätzlich muss auf eine ausreichende Kolostrumversorgung sowie Sauengesundheit (Vermeidung von PPDS) geachtet werden.
Literatur
- Mayr, Anton, Rolle, Michael. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeitete Auflage. Enke-Verlag, 2007.
- VO-Unterlagen. Institut für Mikrobiologie. Veterinärmedizinische Universität Wien. Ätiologie, Pathologie, Diagnostik Neuroloige /Sinnesorgane. Bakterielle Erkrankungen des Nervensystems und der Sinnesorgane.
- Skript Schweinekrankheiten, Klinik für Schweine, Veterinärmedizinische Universität Wien. Streptococcus suis, Version 1.
Quellen
- ↑ Désirée Vötsch et al. Streptococcus suis – The "Two Faces" of a Pathobiont in the Porcine Respiratory Tract Front Microbiol. 2018; 9: 480, published online 2018 Mar 15; abgerufen am 20.09.2019
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