Glässer-Krankheit (Schwein)
nach dem deutschen Tierarzt Karl Glässer (1881 bis 1963)
Synonyme: Glässer'sche Krankheit, Polyserositis, Reisekrankheit, Transportkrankheit
Englisch: Glässer dissease, Glassers disease
Definition
Die Glässer-Krankheit ist eine fieberhafte Erkrankung der Schweine, die durch Polyserositis und Polyarthritis gekennzeichnet ist.
Erreger
Die Glässer-Krankheit wird durch Glaesserella parasuis[1] (früher als Haemophilus parasuis bezeichnet) verursacht. Glaesserella parasuis ist ein gramnegatives und kurzes Stäbchenbakterium aus der Gattung Glaesserella (Familie der Pasteurellaceae). Es ist 0,4 x 1 bis 3 µm groß, zeigt ein NAD-abhängiges Wachstum und liegt mitunter fadenförmig vor.
Anhand hitzestabiler Polysaccharidantigene können mindestens 15 Serovare unterschieden werden. Die unbekapselten Stämme der Serovare 4 und 5 treten besonders häufig in Erscheinung. Die Virulenzfaktoren von Glaesserella parasuis sind noch (2019) unzureichend erforscht und beschränken sich bislang auf Fimbrien, Lipooligosaccharide und Transferrin-bindende Proteine. Die Serovare 1, 5, 10, 12, 13 und 14 werden als hochvirulent eingestuft - die Serovare 2, 4 und 15 als moderat virulent.
Glaesserella parasuis ist ein an das Schwein angepasstes Bakterium, das vielfach keine Erkrankungserscheinungen auslöst. Ein Erregernachweis ist auch bei klinisch gesunden Schweinen möglich.
Epidemiologie
Die Glässer-Krankheit ist eine Faktorenkrankheit, die vor allem in Verbindung mit Belastungsfaktoren (wie z.B. Transport oder Umstallungen) zu ausgeprägten Krankheitsbildern führt. Besonders betroffen sind Bestände, die einen hohen Gesundheitsstatus und ein hohes Produktionsniveau aufweisen.
Pathogenese
Glaesserella parasuis wird hauptsächlich aerogen (Tröpfcheninfektion) übertragen und gelangt über die Nasen- und Rachenhöhle in das Tier. Das Bakterium siedelt sich bevorzugt im Nasopharynx an und verbreitet sich nach einer septikämischen Phase rasch im Organismus. Glaesserella parasuis weist eine besonders hohe Affinität zu serösen Häuten auf.
Treten plötzlich Veränderungen in der Haltung auf (Transporte, Umstallungen, Eingliederungen neuer Bestände), kommt es zu akut eintretenden Krankheitserscheinungen.
Klinik
Die Glässer-Krankheit geht typischerweise mit einer fieberhaften Polyserositis und Polyarthritis bei Läufern (unmittelbar nach der Aufstallung zur Mast) einher.
Klinisch manifeste Erkrankungen sind meist nur auf einzelne Tiere beschränkt, wohingegen in Großbetrieben gelegentliche enzootisch verlaufende Infektionen mit hoher Morbidität beobachtet werden. In schweren Verläufen entwickeln die Schweine Pneumonien und Meningitiden, oft begünstigt durch Sekundärinfektionen. Die Tiere sind ataktisch, befinden sich in Seitenlage (Zeichen einer ZNS-Beteiligung) und zeigen hochgradige Dyspnoe und Schmerzreaktionen. Auch septikämische Verlaufsformen mit plötzlich auftretenden Todesfällen (ohne Polyserositis) sind möglich (perakute Verlaufsform).
Pathologie
Im Zuge der Sektion sind serofibrinöse bis fibrinopurulente Entzündungen seröser Häute in Form von Polyarthritis, Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis und Meningoenzephalitis sowie selten auch Bronchopneumonie erkennbar.
Die Gelenke und Serosen sind mit Fibrin bedeckt und die Körperhöhlen sind mit einer gelblich-grünlichen Flüssigkeit überzogen. Die Lunge ist durch eine graue Oberfläche gekennzeichnet. Das Herz ist aufgrund der Fibrinausschwitzungen mit dem Herzbeutel verwachsen und die Darmschlingen mit Fibrinauflagerungen versehen.
Diagnose
Anhand der klinischen Symptome (Polyarthritis) ist nur eine Verdachtsdiagnose möglich. Durch eine Sektion frisch verendeter bzw. euthanasierter Tiere mit anschließendem Erregernachweis (Bakterienkultur oder PCR aus Tupferproben von fibrinösen Auflagerungen und Gelenks- sowie Bauchhöhlenexsudat) kann die Diagnose gesichert werden.
Differenzialdiagnosen
- Enzootische Pneumonie (Mycoplasma hyopneumoniae)
- Pleuropneumonie (Actinobacillus pleuropneumoniae)
- Pasteurellose (Pasteurella spp.)
- Streptokokkenmeningitis (Streptococcus suis)
- Porzines reproduktives und respiratorisches Syndrom (PRRS-Virus)
- Postweaning multisystemic wasting syndrome (PCV-2)
- Porzine proliferative Enteropathie (Lawsonia intracellularis)
- Mykoplasmenpolyarthritis (Mycoplasma hyosynoviae)
- Mykoplasmenpolyserositis (Mycoplasma hyorhinis)
- Aujeszky-Krankheit (Suides Herpesvirus-1)
- Ödemkrankheit (EDEC)
Therapie
Die Therapie richtet sich nach dem Antibiogramm und erfolgt in der Regel mit Penicillinen (z.B. Amoxicillin) oder Cephalosporinen (z.B. Cefquinom).
Prophylaxe
Als Prophylaxemaßnahmen sollten vor allem unnötige Belastungen bei Transporten und Umstallungen vermieden sowie eine Optimierung der Haltungsbedingungen (Stallklima, Fütterung, Belegungsdichte) durchgeführt werden. Unterstützend können auch Impfungen (Totvakzine oder Kombinationsimpfstoffe) angewendet werden.
Literatur
- Mayr, Anton, Rolle, Michael. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeitete Auflage. Enke-Verlag, 2007.
- VO-Unterlagen, Institut für Mikrobiologie, Veterinärmedizinische Universität Wien. Krankheiten der Atmungsorgane, von Herz, Kreislauf und Lymphorganen. Bakterielle Erkrankungen - Schwein. WS 2017/2018.
- Skript Respirationstrakt, Klinik für Schweine, Veterinärmedizinische Universität Wien. Erkrankungen des Respirationstraktes.
Quelle
- ↑ Thomas J Inzana et al. Taxonomic reclassification of "Haemophilus parasuis" to Glaesserella parasuis gen. nov., comb. nov. The Prato Conference on the Pathogenesis of Bacterial Infections of Animals 2016; abgerufen am 20.09.2019
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