Geburt (Veterinärmedizin)
Synonym: Partus
Englisch: birth
Definition
Als Geburt bezeichnet man den Ausstoßungsvorgang des Fetus aus dem Uterus (Gebärmutter) beim Haussäugetier.
Geburtseinleitung
Bei den Haussäugetieren sind fetale Signale für die Einleitung der Geburt verantwortlich. Die detaillierten endokrinen Signalkaskaden variieren bei den unterschiedlichen Tierarten, sodass sie bei einigen Spezies noch nicht abschließend geklärt sind. Aufgrund der Reifung und Veränderung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse des heranwachsenden Fetus (Frucht) kommt es zur Erhöhung der fetalen Kortisonausschüttung. Man geht davon aus, dass der hier zugrunde liegende Auslöser fetaler Stress ist, der aus der unzureichenden Kapazität der Plazenta (die zu einer unzureichenden Versorgung des wachsenden Fetus führen würde) resultiert.
Die endokrine Signalkaskade, die für die Geburtseinleitung verantwortlich ist, kann folgendermaßen zusammengefasst werden:
- erhöhte Ausschüttung von Corticotropin-releasing Hormon (CRH) im fetalen Gehirn
- erhöhte Ausschüttung von adrenocorticotropen Hormon (ACTH) durch den fetalen Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse)
- erhöhte Ausschüttung von Kortison durch die fetale Nebenniere
- Umwandlung von Progesteron aus der Plazenta zu Östrogen
- Stimulation der Produktion von Prostaglandin F2α (PGF2α) durch das Myometrium, ausgelöst durch Östrogen und daraus resultierende zervikale Relaxation
- PGF2α induziert Kontraktionen des Myometriums und Erhöhung des intrauterinen Drucks, der die Frucht in Richtung Zervix schiebt (Entspannung des Muttermundes)
- Weitung des Muttermundes durch den Fetus, die zu einer Oxytocinausschüttung aus dem Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) des Muttertiers zur Folge hat (Ferguson-Reflex)
- Oxytocin induziert zusätzliche Kontraktionen des Myometriums, um den Fetus vollständig aus dem Uterus auszutreiben
Relaxin (Polypeptidhormon) wird durch die Plazenta oder das maternale Corpus luteum schon relativ früh in der Trächtigkeit produziert. Es wirkt unterstützend auf die Relaxation des Muttermundes vor der Geburt und beeinflusst wahrscheinlich die Effizienz der Kontraktionen des Myometriums.
Geburtsphasen
Die Geburt beim Haussäugetier kann theoretisch in drei Phasen unterteilt werden. Zwischen den einzelnen Phasen gibt es jedoch keine klare Abgrenzung - vielmehr gehen sie ineinander über und bilden einen kontinuierlichen Prozess. Die Dauer der einzelnen Phasen ist unterschiedlich.
Vor dem eigentlichen Geburtsbeginn kommt es beim Muttertier zu Veränderungen, wie etwa dem Anschwellen der Milchdrüsen und der Lockerung der Beckenbänder. Das Zeitfenster der Vorbereitungsprozesse ist individuell unterschiedlich, weshalb sie kein verlässlicher Hinweis auf den Zeitpunkt der Geburt sind.
Die wichtigsten physiologischen Abläufe der drei Geburtsphasen sind:
- Erste Phase:
- Relaxation und Dilatation der Zervix
- Einnehmen der Geburtshaltung des Fetus
- Eintreten des Allantochorion in die Vagina
- Zweite Phase (Austreibungsphase):
- Anhalten der Wehentätigkeit
- Eintreten des Fetus in den Geburtskanal
- Presswehen (abdominale Kontraktionen) setzen ein
- Amnion tritt in die Vagina ein
- Fetus wird kontinuierlich ausgetrieben
- Dritte Phase:
- Verlust des Plazentakreislaufes (Unterbrechung der Blutversorgung)
- Loslösen der Plazenta von der Uterusinnenwand
- Anhalten der uterinen und abdominalen Kontraktionen
- Ausstoßen der gelösten Plazenta mitsamt des Fetus
Bei multiparen Spezies (Tiere, die mehrere Junge pro Geburt werfen) folgen der ersten Geburtsphase mehrere Austreibungsphasen (zweite Phase) mit der Geburt weiterer Nachkommen. Die Plazenten werden dabei entweder nach jedem einzelnen Neugeborenen, nach einer Gruppe Neugeborener oder ganz am Schluss ausgetrieben.
Tierartliche Besonderheiten
Ähnlich der Trächtigkeit, verläuft auch die Geburt der einzelnen Tierarten unterschiedlich ab. Aus diesem Grund muss der Geburtsvorgang für jedes Tier gesondert betrachtet werden:
Klinik
Wichtige Indikatoren für den Verlauf einer Geburt sind Lage, Stellung und Haltung. Sie beschreiben die räumliche Anordnung des Fetus während der normalen oder gestörten Geburt. Die Definitionen der einzelnen Bezeichnungen lauten:
- Lage: Die Lage definiert die Beziehung der Längsachse des Fetus und der Längsachse des maternalen Geburtskanals. Der Fetus kann sich also in einer Längslage (Vorder- oder Hinterendlage), Querlage (horizontal) oder selten auch in einer Senkrechtlage (transversal) befinden.
- Stellung: Die Stellung beschreibt die Fläche des mütterlichen Geburtskanals, zu der die fetale Wirbelsäule zeigt. Es wird zwischen einer oberen und einer unteren Stellung bzw. einer seitlichen Stellung unterschieden.
- Haltung: Die Haltung gibt die Position des Kopfes und der Gliedmaßen des Fetus an. Diese kann entweder gestreckt oder gebeugt sein.
Anzumerken ist, dass Feten unterschiedlicher Tiere unterschiedliche physiologische Lagen, Stellungen und Haltungen einnehmen. Etwaige Abweichungen müssen speziesspezifisch betrachtet werden.
Literatur
- Jackson, Peter G. G. Geburtshilfe in der Tiermedizin. Elsevier. Urban & Fischer-Verlag. 2. (deutsche Erstauflage) Auflage. 2004