Kolostrum (Veterinärmedizin)
Synonyme: Colostrum, Kolostralmilch, Vormilch, Biestmilch
Definition
Als Kolostrum bezeichnet man die proteinreiche Milch, die unmittelbar vor und nach der Geburt bei den Haussäugetieren gebildet wird und lebenswichtige Immunglobuline für die Neugeborenen enthält.
Funktion
Aufgrund des hohen Immunglobulingehalts ist das Kolostrum besonders für neugeborene Kälber, Lämmer, Fohlen und Ferkel für die Ausbildung einer passiven Immunität in der ersten Lebensphase wichtig.
Die ausreichende Versorgung mit Kolostrum ist bei diesen Tieren essentiell, da Plazenten vom Typ Placenta epitheliochorialis und Placenta syndesmochorialis keinen pränatalen Transfer von Immunglobulinen erlauben, was beim Wiederkäuer, Pferd und Schwein der Fall ist. Aus diesem Grund sind die Neugeborenen dieser Tierarten auf die Aufnahme von Immunglobulinen über das Kolostrum angewiesen, um besonders in der ersten Phase ihres Lebens einen ausreichenden Schutz aufweisen zu können.
Physiologie
Die Laktation (Milchsynthese und Milchsekretion) setzt mit der Laktogenese ein. Diese beginnt gegen Ende der Trächtigkeit und unterliegt vielfältigen hormonalen Einflüssen. Bei der Laktation selbst unterscheidet man wiederum zwei Phasen:
- Phase I: Ansammlung von Präkolostrum
- Phase II: beginnt mit der Geburt und der Sekretion des Kolostrums
Die Galaktopoese stellt die Aufrechterhaltung einer bereits bestehenden Laktation dar. Diese Phase setzt jedoch voraus, dass die weitgehend kontinuierlich gebildete und zwischenzeitlich gespeicherte Milch entweder durch Saugen des Jungtiers oder durch Melken dem Mammakomplex entzogen wird.
Zusammensetzung
Das Kolostrum unterscheidet sich von der reifen Milch durch einen höheren Gehalt an Trockenmasse, Gesamtprotein, Casein, Milchserumproteinen und Mineralstoffen. Im Gegensatz dazu ist die Konzentration an Laktose deutlich geringer.
Das Erstkolostrum ist besonders reich an Immunglobulinen, auf die dann mehr als die Hälfte der Milchserumproteine entfallen. Bei der Kuhmlich sind vor allem Immunglobuline der Fraktionen IgG1, IgG2, IgM und IgA vorhanden. IgG1 überwiegt dabei sowohl im Kolostrum als auch in der reifen Milch. Beim Schwein hingegen bilden IgG und IgM die Hauptfraktionen der Immunglobuline im Kolostrum. Da der Gehalt dieser Globuline zur reifen Milch hin abfällt, wird IgA zum dominierenden Immunglobulin der Schweinemilch.
Im Kolostrum werden deutlich höhere Konzentrationen an Natrium, Kalzium, Chlorid und Phosphat angetroffen, als in der reifen Milch. Gleichzeitig ist der Gehalt an Kalium und Citrat erniedrigt. Zusätzlich findet man auch hohe Konzentrationen an fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, Vitamin E sowie β-Carotin) sowie Hormonen und Wachstumsfaktoren.
In den ersten Tagen der Laktation verändert sich jedoch die Zusammensetzung des Kolostrums, sodass bei den einzelnen Tierarten nach einer unterschiedlichen Zeit die reife Milch erreicht wird. Dabei nimmt die Konzentration der Immunglobuline, der Vitamine und Mineralstoffe ab und die der in der Milchdrüse gebildeten Milchbestandteile (wie Laktose und Caseine) erhöhen sich. Im weiteren Verlauf der Laktation ist die Zusammensetzung der Milch relativ konstant.
Klinik
Eine mangelhafte (qualitativ minderwertiges Kolostrum) sowie zu geringe Aufnahme von Kolostrum führt bei den neugeborenen Tieren zur unzureichenden Ausbildung des Immunsystems. Durch den ausbleibenden passiven Schutz entwickeln die Neugeborenen unterschiedliche Erkrankungen, die häufig tödlich enden (z.B. Failure of passive transfer).
Literatur
- Engelhardt W, Breves G, Diener M, Gäbel G. 2015. Physiologie der Haustiere. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1268-7
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