Insulinrezeptor
Englisch: insulin receptor
Definition
Der Insulinrezeptor, kurz IR, ist ein auf der Zellmembran von Körpergeweben (z.B. Skelettmuskulatur, Fettgewebe) exprimierter Rezeptor, dessen physiologischer Ligand das Insulin ist.
Genetik
Der Insulinrezeptor wird durch das INSR-Gen auf Chromosom 19 (Genlokus 19p13.2) kodiert. Es umfasst 22 Exons. Das primäre Translationsprodukt ist ein einkettiger Prorezeptor. Im endoplasmatischen Retikulum erfolgt die Dimerisierung und die N-Glykosylierung. Im Golgi-Apparat findet anschließend die proteolytische Spaltung der dimerisierten Prorezeptoren statt. Der fertige Rezeptor wird dann in die Zellmembran eingebaut.
Biochemie
Struktur
Der Insulinrezeptor gehört zur Gruppe der Tyrosinkinase-Rezeptoren. Es handelt sich um ein tetrameres Transmembranprotein mit einer Molekülmasse von ca. 460 kDa. Zusammengesetzt ist es aus je 2 α- und β-Untereinheiten.
Die extrazellulär gelegenen α-Untereinheiten bestehen aus je 731 Aminosäuren und sind über Disulfidbrücken kovalent untereinander und mit jeweils einer β-Untereinheit verbunden. Sie bilden die insulinbindende Domäne des Rezeptors.
Die beiden β-Untereinheiten bestehen aus je 620 Aminosäuren mit einer extrazellulären, einer transmembranen und einer zytosolischen Domäne. Letztere enthält die Tyrosinkinase-Aktivität.
Signaltransduktion
Die Bindung von Insulin an die α-Untereinheiten des Rezeptors bewirkt eine Konformationsänderung im Rezeptormolekül, welche die Tyrosinkinase-Aktivität der β-Untereinheiten in Gang setzt. Dadurch erfolgt eine ATP-abhängige Autophosphorylierung der Tyrosinreste der β-Untereinheit. Anschließend kommt es zur Bindung von Insulinrezeptorsubstraten (IRS1, 2 und 4) an definierte Phosphotyrosine des Rezeptors. Die IRS werden von der Rezeptortyrosinkinase phosphoryliert (Transphosphorylierung), sodass wiederum Bindungsstellen für weitere Proteine entstehen, z.B. für die Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) und GRB2.
Die PI3K bindet mit ihrer regulatorischen Untereinheit p85 an IRS, wodurch die katalytische Untereinheit des Enzyms (p110) stimuliert wird. In Folge wird PIP2 zu PIP3 phosphoryliert, welches mittels Pleckstrin-Homologie-Domänen zwei Enzyme binden kann:
- Phosphoinositid-abhängige Kinase (PDK): Sie aktiviert PKC-Isoform λ (PKCλ)
- Proteinkinase B (PKB): Sie aktiviert PDE3B und AS160 und inaktiviert FOXO1 und GSK3
Effekte in Muskel- und Fettgewebe
Im Muskel und Fettgewebe sind die PI3K-abhängige Aktivierung der PKB und die darauffolgende Aktivierung des Rab-GTPase-aktivierenden Proteins AS160 Voraussetzungen für die insulinabhängige Translokation des Glukosetransporters 4 (GLUT4) in die Zellmembran. Für die Translokation ist auch die PDK-abhängige Aktivierung von PKCλ erforderlich. GLUT4 sorgt somit für eine erhöhte Glucoseaufnahme.
PKB stimuliert weiterhin die Glykogensynthese, indem es GSK3 phosphoryliert und damit inaktiviert.
Effekte in Leber und Fettgewebe
In Leber und Fettgewebe aktiviert Insulin über PI3K und PKB die Phosphodiesterase 3B (PDE3B), die cAMP zu 5'-AMP hydrolysiert und so zu einem Abfall von intrazellulärem cAMP führt. Dies bedingt eine Hemmung der Glykogenolyse, der Gluconeogenese und der Lipolyse sowie eine Zunahme der Glykolyse. PKB phosphoryliert außerdem den Transkriptionsfaktor FOXO1, hemmt dadurch seine Translokation in den Zellkern, sodass die Expression von Genen der Gluconeogenese reduziert wird. Über PKCλ wird des Weiteren der Transkriptionsfaktor SREBP1c aktiviert. Dieser induziert die Glucokinase, die Acetyl-CoA-Carboxylase und die Fettsäuresynthase.
Sonstige Effekte
Die Insulinbindung an seinen Rezeptor kann weiterhin die Zelldifferenzierung und Proliferation beeinflussen. Diese Effekte werdenüber GRB2, SOS und den Ras/Raf/MAPK-Signalweg vermittelt.
Außerdem kann die Kinasendomäne des Insulinrezeptors direkt die Phospholipase Cγ (PLCγ) phosphorylieren. Dadurch kommt es zu einem Anstieg des intrazellulären Calciumspiegels mit Aktivierung der Proteinkinase C (PKC). Dieses Enzym hat eine wichtige Funktion im Zellwachstum und in der Apoptose, aber auch bei der Entstehung von Tumoren.
Der Insulinrezeptor kann neben der Phosphorylierung an Tyrosinresten auch an Serin- und Threoninresten phosphoryliert werden. Dadurch scheint eine Hemmung des Insulinsignals ausgelöst zu werden.
Rezeptorzyklus
Der Insulinrezeptor wird nach der Bindung von Insulin durch Invagination der Zellmembran als Endosom in die Zelle aufgenommen. Durch Aktivität von Protonenpumpen in der Endosomenmembran wird der pH-Wert im Endosom gesenkt und das Insulin daraufhin vom Rezeptor gelöst. Anschließend wird es enzymatisch inaktiviert. Die außerhalb des Endosoms gelegenen β-Untereinheiten können daraufhin von Protein-Tyrosin-Phosphatasen (PTP) dephosphoryliert werden. Der so reaktivierte Insulinrezeptor wird erneut in die Zellmembran eingegliedert und steht zur Signalaufnahme zur Verfügung.
Klinik
Metabolisches Syndrom
Eine verringerte Expression des Insulinrezeptors bei hohen Insulinkonzentrationen im Plasma spielt eine pathophysiologische Rolle bei der Adipositas-assoziierten Insulinresistenz bzw. bei Diabetes mellitus Typ 2.
siehe Hauptartikel: Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ 2
Autoantikörper
Auto-Insulinrezeptor-Antikörper sind sehr selten und gehen mit einem Insulinresistenz-Syndrom Typ B einher. Weiterhin besteht eine Acanthosis nigricans, die auch mit anderen Formen einer Insulinresistenz assoziiert sein kann. Bei einem Drittel der Patienten liegt ein systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder ein Sjögren-Syndrom vor.
Mutationen
Mutationen des INSR-Gens sind verantwortlich für das Rabson-Mendenhall-Syndrom und das Donahue-Syndrom (Leprechaunismus).
Paraneoplastische Hypoglykämie
Mesenchymale Tumoren, Hämangioperizytome, hepatozelluläre Karzinome, Nebennierenkarzinome und viele andere Tumore können exzessive Mengen des Vorläuferpeptids von IGF-II produzieren. IGF-II bindet schwach an den Insulinrezeptor und führt somit zu einer paraneoplastischen Hypoglykämie.
Literatur
- Heinrich, Müller, Graeve. Löffler/Petrides - Biochemie und Pathobiochemie, 9. Auflage, Springer.
- Rassow et al. - Duale Reihe Biochemie, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 4. Auflage, Seiten 574/575/576