Invagination
von lateinisch: in - in, vagina - Scheide
Synonym: Intussuszeption
Englisch: invagination, intussusception
Definition
Die Invagination ist die Einstülpung eines Darmanteils in den aboral folgenden Darmabschnitt. Die genauere Bezeichnung ist Intussuszeption. Den eingestülpten Teil des Darms nennt man "Invaginat", den aufnehmenden Teil "Invaginans".
Allgemein wird der Begriff "Invagination" im medizinischen Sprachgebrauch auch für jegliche Art von Einstülpung (z.B. bei Phagozytose) verwendet.
- ICD10-Code: K56.1
Einteilung
Je nach Lokalisation unterscheidet man:
- ileoileale Invagination (Ileum in Ileum)
- ileozökale Invagination (Ileum in Caecum im Bereich der Ileozökalklappe): 85-90 %
- ileokolische Invagination (Ileum in Kolon)
- kolosigmoidale Invagination (Kolon in Sigma)
- appendikozökale Invagination (Appendix in Caecum)
Auch multiple Invaginationen sind möglich.
Epidemiologie
Invaginationen treten i.d.R. bei Säuglingen und Kindern im 1. und 2. Lebensjahr auf, bei zystischer Fibrose sind Invaginationen bis zum 12. Lebensjahr beschrieben. In 80 % der Fälle sind Kinder im ersten Lebensjahr betroffen. Die Darminvagination zählt zu den häufigsten Ursachen eines Ileus im Kindesalter.
Ätiologie
Die genaue Ursache der Invagination ist meistens unklar. Vermutlich spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Motilitätssteigerung des Darmes und vergrößerte mesenteriale Lymphknoten (z.B. im Rahmen einer Gastroenteritis
- Virusinfektion mit Vergrößerung der Peyer-Plaques (v.a. bei Adenovirusinfektionen)
Seltener und insbesondere mit steigendem Alter sowie in rezidivierenden Fällen finden sich anatomische Ursachen:
- Schwellung der Darmwand bzw. submuköse Blutungen bei Purpura Schönlein-Henoch
- Meckel-Divertikel
- Darmduplikaturen
- Adhäsionen
- Darmpolypen
- Lymphome
- Tumoren
Pathophysiologie
Bei der Einstülpung eines Darmabschnittes kommt es zu einer Abschnürung der Mesenterialgefäße. Dadurch werden zunächst der venöse Abstrom und in der Folge - durch die ödematöse Schwellung zunehmend - auch die arterielle Durchblutung beeinträchtigt. Dadurch kommt es zur Nekrose des betroffenen Darmabschnittes mit dem Risiko einer Perforation und Peritonitis.
Weiterhin führt die gestörte Stuhlpassage zu einem mechanischen Ileus.
Symptomatik
Leitsymptom der Darminvagination sind akut einsetzende kolikartige Schmerzen und Abwehrspannung. Betroffene Kinder schreien häufig ununterbrochen; als Schonhaltung werden die Beine angewinkelt in Flexion gehalten.
Aufgrund des Ileus kommt es häufig zu Erbrechen. Das Abdomen ist eingefallen, kann später jedoch durch Obstruktion aufgebläht erscheinen. Typisch sind schmerzfreie Intervalle. Weiterhin kann es zur Blässe bis hin zur Schocksymptomatik kommen.
In der Spätphase kommt es zum Absetzen von blutig-schleimigem Stuhl ("Himbeergelee"). Dabei handelt es sich um ein prognostisch eher ungünstiges Zeichen, das ggf. eine direkte chirurgische Therapie notwendig macht.
Diagnostik
Neben der typischen Symptomatik und (Fremd-)Anamnese sind häufig ein tastbarer, walzenförmiger Tumor und bei der rektalen Untersuchung ggf. Blut am Finger festzustellen. Auskultatorisch fallen hochgestellte Darmgeräusche auf.
Bei der Sonographie des Abdomens zeigt sich das sogenannte Kokardenphänomen. Im Querschnitt ergibt sich - anders als beim gleichnamigen Phänomen im Rahmen einer Appendizitis - durch die invaginierten Darmanteile das Bild einer "Kokarde in Kokarde". Im Längsschnitt zeigt sich das Pseudokidney-Zeichen.
Eine Röntgenaufnahme des Abdomens (auch als Kolonkontrasteinlauf) zeigt in der Spätphase für einen Ileus typische Spiegelbildungen, in der Frühphase können sich luftleere, eingestülpte Darmabschnitte abgrenzen lassen. Die Röntgenleeraufnahme und der Röntgenkontrasteinlauf werden inzwischen aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität der Sonographie nicht mehr durchgeführt.
Therapie
Bei der Invagination kommen eine hydrostatische Evagination, eine pneumatische Desinvagination und eine operative Therapie in Frage.
Konservative Therapie
Bei der hydrostatischen Evagination wird unter sonographischer Kontrolle durch gezielte Einläufe mit physiologischer Kochsalzlösung und Lagerungswechseln eine Reposition herbeigeführt. Die Erfolgsrate liegt bei 80-90 %. Die pneumatische Desinvagination birgt eine höhere Perforationsgefahr.
Nach konservativer Therapie ist eine Überwachung für 24 Stunden u.a. aufgrund des erhöhten Rezidivrisikos indiziert.
Chirurgische Therapie
Indikationen zur operativen Behandlung sind:
- bestehende Symptomatik > 24 Stunden
- Versagen der konservativen Therapie
- Zeichen der Perforation
- bekannte ursächliche Raumforderung oder Fehlbildung
- rezidivierende Invaginationen
- Peritonitis, Schock
Dabei wird zunächst nach Laparotomie oder laparoskopisch eine manuelle Reposition angestrebt (Handgriff nach Hutchinson). Als Rezidivprophylaxe kann anschließend der Darmabschnitt fixiert werden (Ileoascendopexie). Bei nicht möglicher Reposition sowie bei Darmnekrose erfolgt eine Resektion mit folgender End-zu-End-Anastomose.
Literatur
- S1-Leitlinie Invagination, 2013, abgerufen am 09.12.2020