Schilddrüse
Synonyme: Glandula thyroidea, Glandula thyreoidea, Thyroidea, Thyreoidea
Englisch: thyroid gland, thyroid
Definition
Die Schilddrüse ist die größte reine Hormondrüse des menschlichen Körpers. Sie hat eine fundamentale Bedeutung für Entwicklung und Stoffwechsel, indem sie mehrere Schilddrüsenhormone, u. a. Trijodthyronin (T3), Thyroxin (T4) und Calcitonin produziert.
Embryologie
Entwicklungsgeschichtlich geht die Schilddrüse aus einer Epithelknospe des Entoderms am Mundboden hervor. Sie steht zu Beginn der Entwicklung über den Ductus thyreoglossus noch mit dem Mundboden in Verbindung und nimmt nach ihrem Deszensus ihre endgültige Position kaudal und ventral des Schildknorpels vor der Luftröhre (Trachea) ein.
Der Mundbereich, aus dem sich die Schilddrüse hinabgesenkt hat, ist auf der Zungenoberfläche als Foramen caecum linguae zu erkennen. In einigen Fällen kann eine Verbindung der Schilddrüse mit dem Mundraum erhalten bleiben. Dieser sog. Lobus pyramidalis liegt ventral der Trachea und ist im Fall einer Koniotomie ein Risikofaktor für unerwartet starke Blutungen.
Anatomie
Morphologie
Anatomisch setzt sich die Schilddrüse aus zwei Lappen zusammen, die über eine schmale Gewebebrücke (Isthmus glandulae thyroideae) in Verbindung stehen. Als entwicklungsgeschichtliches Relikt geht bei etwa 30 % der Bevölkerung ein zusätzlicher Lobus pyramidalis vom Isthmus ab. Die beiden Lappen bezeichnet man als
- Lobus dexter (glandulae thyroideae) und
- Lobus sinister (glandulae thyroideae)
Sie befinden sich beidseits unmittelbar ventral und lateral der Trachea.
Jeder Schilddrüsenlappen hat etwa die Dimension einer größeren Olive. Das mittlere Gesamtvolumen der Schilddrüse beträgt bei Frauen etwa 18 ml, bei Männern bis zu 25 ml. Die Lappen sind von zwei bindegewebigen Kapseln umgeben. Die äußere Capsula fibrosa verbindet die Schilddrüse mit der Trachea, die innere Capsula serosa ist direkt mit dem Schilddrüsengewebe verbunden. Zwischen den beiden Kapseln befinden sich auf der Dorsalseite die Nebenschilddrüsen.
Als Normvariante tritt gelegentlich am posterioren Rand der Schilddrüse eine Ausstülpung auf. Sie wird als Tuberculum Zuckerkandl bezeichnet und dient als chirurgische Landmarke für den Nervus laryngeus recurrens, der medial am Tuberculum vorbeizieht.
Topografie
Die Schilddrüse liegt beim Erwachsenen unter der Lamina praetrachealis, ungefähr auf Höhe von C6 bis C7. Sie befindet sich ventral vor der Trachea auf Höhe des 2. - 4. Trachealknorpels.
Dorsomedial der Schilddrüse liegt der Nervus laryngeus recurrens, lateral davon die Vagina carotica (Verletzungsgefahr bei Strumaoperationen). Ventrolateral wird die Schilddrüse vom Musculus sternohyoideus und Musculus sternothyroideus bedeckt, ganz lateral verläuft der Musculus sternocleidomastoideus.
Blutversorgung
Der obere Anteil der Schilddrüse wird durch die Arteria thyroidea superior versorgt, einen Ast der Arteria carotis externa. Der untere Teil erhält Blut aus der Arteria thyroidea inferior, die aus dem Truncus thyrocervicalis hervorgeht. Beide Gefäße bilden untereinander zahlreiche Anastomosen. Bei etwa 5 % aller Menschen kommt zusätzlich noch eine Versorgung durch die Arteria thyroidea ima in Frage, einen direkten Ast des Truncus brachiocephalicus.
Das venöse Blut der Schilddrüse fließt über die Vena thyroidea superior und die Vena thyroidea media zurück in die Vena jugularis interna und über die Vena thyroidea inferior in die Vena brachiocephalica.
Innervation
Die Innervation der Schilddrüse erfolgt durch Nervenfasern des vegetativen Nervensystems. Die sympathischen Fasern stammen aus dem Ganglion cervicale superius, nach Angabe anderer Lehrbücher auch aus dem Ganglion cervicale medium. Die parasympathische Versorgung erfolgt über Fasern des Nervus laryngeus superior und des Nervus laryngeus recurrens.
Histologie
Das Schilddrüsengewebe ist aus mehr oder weniger sphärischen Follikeln aus einschichtigem Follikelepithel aufgebaut. Die Follikelepithelzellen (Thyreozyten) liegen mit ihrem basalen Zellpol einer Basalmembran auf, der apikale Zellpol weist zum Inneren des Follikels. Die Follikel sind mit homogenem Kolloid (Thyroxin und Trijodthyronin als Bestandteil von Thyreoglobulin) gefüllt, welches das Inkret der Schilddrüse darstellt.
Das interstitielle Bindegewebe ist von Blutkapillaren durchsetzt, welche die einzelnen Drüsenfollikel netzartig umspinnen. Außerdem liegen dem Follikelepithel außen parafollikuläre Zellen (C-Zellen) an oder schieben sich zwischen die Follikelzellen ein. Sie sind durch ein helles Zytoplasma und einen etwas größeren und blasseren Zellkern von den Follikelepithelzellen unterscheidbar. Die C-Zellen produzieren Calcitonin als Gegenspieler des Parathormons. Sie geben das Hormon direkt in das Interstitium ab.
Nach außen hin ist die Schilddrüse von einer doppelten Bindegewebskapsel umgeben. Von der Innenseite der Kapsel ziehen schmale Septen aus lockerem Bindegewebe in das Drüsengewebe und unterteilen es in Läppchen (Lobuli), die zahlreiche Follikel zusammenfassen.
Funktion
Die Schilddrüse produziert die Schilddrüsenhormone. Die Schilddrüsenhormone (Trijodthyronin T3 und Thyroxin T4) sind jodhaltig. Sie wirken in fast allen Körperzellen und regen dort den Energiestoffwechsel an.
Die Schilddrüse selbst wird im Sinne eines Regelkreises durch das Hypothalamushormon TRH (TSH-Releasing-Hormon) und das aus der Hypophyse stammende TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) in ihrer Funktion reguliert (Thyreotroper Regelkreis).
Klinik
Schilddrüsenerkrankungen
- Aplasie und Hypoplasie
- Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose)
- Dyshormogene Struma
- Thyreoprive Hypothyreose
- Toxische Hypothyreose
- Schilddrüsenentzündungen (s.u.)
- Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose)
- Autonomes Adenom
- Schilddrüsenentzündungen (s.u.)
- Sekundäre Adapatationen des thyreotropen Regelkreises
- Jodmangel
- Struma (vergrößerte Schilddrüse, "Kropf")
- Euthyreote Struma
- Hyperthyreote Struma
- Hypothyreote Struma
- Schilddrüsenknoten
- "Kalter Knoten" (malignitätsverdächtig)
- "Heißer Knoten" (Autonomes Adenom)
- Schilddrüsentumore
- Papilläres Schilddrüsenkarzinom (65 %)
- Follikuläres Schilddrüsenkarzinom (25 %)
- Medulläres Schilddrüsenkarzinom (5 %)
- anaplastische Karzinome
- Sarkome
- Metastasen anderer Primärtumoren (z.B. Nierenzellkarzinom)
- Schilddrüsenzysten
- Solitäre Schilddrüsenzyste
- Polyzystische Schilddrüsenerkrankung
- Schilddrüsenentzündungen
- Autoimmunthyreopathien
- Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunthyreopathie Typ 1A und 2A)
- Atrophische Thyreoiditis (Ord-Thyreoiditis, Autoimmunthyreopathie Typ 1B und 2B)
- Morbus Basedow (Autoimmunthyreopathie Typ 3)
- Riedel-Struma
- Thyreoiditis de Quervain
- Schmerzlose Thyreoiditis (Silent Thyroiditis)
- Bakterielle Thyreoiditis
- Autoimmunthyreopathien
Die Vergrößerung der Schilddrüse, medizinisch Struma ("Kropf"), könnte durch eine adäquate Jodversorgung der Bevölkerung vermieden werden. In Ländern, die eine Trinkwasserjodierung durchführen, wie die Schweiz und Schweden, gibt es eine geringere Inzidenz an Schilddrüsenerkrankungen. Dabei sind vom Jodmangel insbesondere Frauen betroffen.
Die genannten Erkrankungen können mit jeweils unterschiedlichen Funktionszuständen des thyreotropen Regelkreises einhergehen.
Schilddrüsendiagnostik
Zu den Untersuchungsmethoden bei Schilddrüsenerkrankungen zählen u.a.:
- Inspektion und Palpation des Halses
- Laborwerte:
- T3-, T4-Spiegel
- TSH-Spiegel
- Schilddrüsenantikörper
- Thyreoglobulin
- Schilddrüsensonographie
- Schilddrüsenszintigraphie
- Feinnadelpunktion der Schilddrüse (Zytologie)
- Schilddrüsenbiopsie (Pathohistologie)
- Computertomografie der Schilddrüse
- Kernspintomografie der Schilddrüse
- Andere Untersuchungsverfahren
- Hertel-Exophthalmometrie bei M. Basedow
- Röntgen der Luftröhre (Trachealstenose?)
- EKG
- Langzeit-EKG (Arrhythmie)
- Kernspintomographie der Hypophyse (sekundäre Hyper- oder Hypothyreose?)
- Hypophysen- und Hypothalamusdiagnostik
Podcast
Bildquelle
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